Dachau:"Eine Brücke des Vertrauens und der Erinnerung"

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Abiturientin Lauren Müller. (Foto: Youtube)

Die Vernissage des Schülerkunstprojekts "Dahusalem" findet rein digital statt. An Glanz mangelt es ihr dennoch nicht

Von Gregor Schiegl, Dachau

Eine solche Zahl von Vernissagegästen dürfte es wohl noch bei keiner Kunstausstellung in dem Räumen der Volksbank-Raiffeisenbank Dachau gegeben haben. Mehr als 400 Besucher waren am Donnerstagabend bei der Eröffnung der Ausstellung "Dahusalem" dabei, einem Schüler-Kunstprojekt des Dachauer Josef-Effner-Gymnasiums (JEG) und der Charles-E.-Smith Highschool of the Arts in Jerusalem. Häppchen und Sekt gab's auch - aber nur für die, die daheim entsprechende Vorbereitungen getroffen hatten. Der Lockdown erlaubt Geselligkeiten derzeit nur virtuell. So ging die erste große Online-Vernissage in Dachau rein digital über die Bühne und das, trotz der Umstände, glanzvoll und feierlich.

Zu verdanken ist das vor allem dem Einsatz des Abiturienten und Nachwuchs-Cineasten Finn Walter, der diese Vernissage filmisch realisiert hat. Als virtueller Conférencier tritt sein Mitschüler Jakob Bernstein auf, geschniegelt, mit Anzug und Krawatte. Er spricht Englisch, schließlich sind ja auch die Freunde aus Jerusalem zugeschaltet. Die Ausstellung zeigt, künstlerische bearbeitet, prägende Orte aus dem Leben der einzelnen Schüler in Dachau und Israel. Volksbankvorstand Karl-Heinz Hempel ist voll des Lobes für diese "ganz bemerkenswerte Ausstellung". Zum ersten mal sei es gelungen, dass sich Schüler aus Dachau und Jerusalem zu einem gemeinsamen Kunstprojekt zusammenschließen. Zu verdanken ist das vor allem der Kunstlehrerin Margit Meyer am JEG, die nicht nur die Idee für das Kunstprojekt hatte, sondern auch für die Schulpartnerschaft mit Jerusalem. So etwas gab es in den Siebzigern und Achtzigern schon einmal, aber wie das so ist mit Freundschaften: Sie wollen auch gepflegt sein.

Doch erst einmal muss man sie schließen. Abiturientin Lauren Müller berichtet in tadellosem US-Englisch über die Neugier, aber auch die anfängliche Skepsis auf beiden Seiten. "Werden wir uns mögen? Wird das persönliche Treffen mit unseren Austauschpartnern so anders sein als die Online-Gespräche? Werden die Unterschiede unserer Kulturen die persönliche Chemie zwischen den Partnern überwiegen?" Diese Bedenken lösten sich nach der ersten Begegnung schnell auf in einem freudigen Grinsen. Es habe sich eben doch gezeigt, sagt Bankvorstand Hempel, "dass Jugendliche, ganz gleich wo sie leben, ähnliche Sehnsüchte, Träume, Sorgen und Nöte haben". Alle Beteiligten hätten "etwas Wundervolles geschaffen", etwas, das auch "internationale Tragweite" habe.

Die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich ist aus ihrem Amtszimmer in München zugeschaltet. Wenn sie aus dem Fenster schaut, blickt sie auf das Gebäude, in dem die NSDAP früher ihren Sitz hatte. Die Beziehungen Israels und Deutschlands ruhten auf zwei Säulen, sagt sie: "auf der Vergangenheit, der wir gedenken und aus der wir lernen"; der andere Teil sei nicht weniger wichtig: "unsere gemeinsame Zukunft". Die junge Generation sei für deren Gestaltung der wichtigste Antrieb. "Dahusalem" sei daher "eine wundervolle Idee". "Denn die Kunst ist die universellste Form des Dialogs. Sie überwindet alle sprachlichen und kulturellen Hindernisse mit Leichtigkeit und verbindet Menschen auf die schönste, authentischste und wahrscheinlich auch nachhaltigste Weise."

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) bekennt sich zur besonderen historischen Verantwortung der Stadt Dachau, in der das erste Konzentrationslager errichtet wurde. "Wir dürfen die Opfer niemals vergessen", sagt er mit Nachdruck. Dass die Schüler die beiden Namen Dachau und Jerusalem zu einem Wort verschmolzen haben, zeige, was in dieser Welt möglich sei, "wenn junge Menschen zusammenkommen und ihre Interessen, Gedanken und Träume teilen". Entsprechend stolz zeigt sich auch Schulleiter Peter Mareis auf die jungen Künstler von Margit Meyers P-Seminar: "Ihr habt eine Brücke gegenseitigen Vertrauens und der gemeinsamen Erinnerung gebaut".

Sogar Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) hält eine Rede. Er erinnert an die 1700 Jahre Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland, spricht aber auch den "von den deutschen Nazis organisierte Massenmord an den europäischen Juden" an. Die Erinnerung daran sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Zu keinem Zeitpunkt vergessen wir das Vergangene". Der Blick müsse aber auch "gemeinsam nach vorne" gerichtet sein.

Bei einer Vernissage darf die Musik nicht fehlen. Der in Berlin lebende, aber auch oft in Bergkirchen auftretende Neuseeländer Matthew James White und seine S-Caped Band sind mit einer wunderbaren Eigenkomposition zu hören, "Couldn't be more welcome". Ein Kompliment an die israelische Gastfreundschaft, an der sich die Dachauer Jugendlichen ein Beispiel nehmen wollen.

Die Ausstellung ist bis Freitag, 26. Februar, in der Volksbank Dachau zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8.15 bis 12 Uhr.

© SZ vom 30.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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