Dachau:Lebensgefährliche Drogen aus der Tüte

Lesezeit: 2 min

  • 34-jähriger Ladeninhaber soll zwischen 2011 und 2012 in acht Fällen berauschende Kräutermischungen verkauft haben.
  • 15-jähriger Schüler aus dem Landkreis musste mit Herzflimmern ins Krankenhaus eingeliefert werden.
  • Amtsgericht spricht den Mann frei. Grund ist eine "Regulierungslücke".

Von Daniela Gorgs, Dachau

Sie werden als Kräutermischung oder Badesalz in glänzenden Tüten angeboten und erscheinen mit Namen wie Bonzai Winter Boost, Welcome Vegas und Jamaika Gold fast harmlos. Die Wirkung sogenannter Legal Highs allerdings kann gefährlich werden. Ein 15-jähriger Schüler aus dem Landkreis musste mit Herzflimmern ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem er die Kräutermischung geraucht hatte. Ihm war plötzlich speiübel geworden. Der Schüler konnte sich nicht mehr bewegen, geschweige denn artikulieren. Der Vorfall ist vier Jahre her. Der Vater des Jungen wandte sich damals an die Polizei. Am Dienstag wurde die Sache vor dem Amtsgericht unter dem Vorsitz von Christian Calame verhandelt.

Auf der Anklagebank sitzt ein 34-jähriger Mann. Ihm wird vorgeworfen, in seinem Ladengeschäft Kräutermischungen verkauft zu haben, was nach Ansicht des Gerichts ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz ist. In acht Fällen soll er zwischen 2011 und 2012 Kräutermischungen in roten und schwarzen Tüten zuhauf verkauft haben. Er sitzt neben seinem Anwalt - und schweigt. "Wir werden keine Angaben zur Sache machen." Ein 22-jähriger Zeuge berichtet dem Gericht, dass er 2011 im Geschäft des Angeklagten eine rote Tüte gekauft habe. Bei der Polizei hatte er vor vier Jahren gesagt, dass er die Kräutermischung bei einer blonden jungen Frau bezahlt habe.

Die berauschende Wirkung hielt eine Stunde an

Jetzt deutet er auf den Anklagten, als er gefragt wird, wer ihm die Tüte verkauft habe. Doch genau könne er sich nicht mehr erinnern. Der Zeuge, der nach eigenen Angaben früher auch Marihuana rauchte, erzählt, dass er die Kräutermischungen als Joints konsumiert habe. Die berauschende Wirkung habe etwa eine Stunde lang angehalten und sei stärker gewesen als bei Cannabis. Und doch habe er sich nichts dabei gedacht, dem Nachbarsjungen eine selbst gedrehte Zigarette mit Kräutermischung anzubieten.

Der heute 18-Jährige glaubte damals, normalen Tabak zu rauchen. "Die Zigarette war ja schon vorgedreht", sagt er dem Gericht. Weil er Vergiftungserscheinungen erlitt und eine Nacht im Krankenhaus bleiben musste, stellte der Vater Schadensersatzforderungen an den Nachbarn.

Abfallprodukte der pharmazeutischen Forschung

Ein Gutachter des Landeskriminalamtes erläutert, was es mit den Kräutermischungen auf sich hat. Die synthetischen Substanzen sind seinen Worten nach eigentlich Abfallprodukte aus der pharmazeutischen Forschung bei dem Versuch, die positiven Effekte von Cannabis zu nutzen und zugleich die berauschende Wirkung zu eliminieren.

Die Kräutermischungen, erklärt der Gutachter, enthalten synthetische Cannabinoide, die deutlich stärker als der klassische Joint sein können. Ohnmacht, Kreislaufversagen, Wahnvorstellungen, Vergiftungen und im schlimmsten Fall sogar der Tod könnten die Folgen für die Konsumenten sein, warnt der Gutachter. Das Geschäft sei leider sehr lukrativ. Die Verkäufer erzielten eine Gewinnspanne von hundert Prozent - und dies bislang ganz legal.

"Es herrscht derzeit eine Regulierungslücke."

Der Gutachter beschreibt das Dilemma, in dem sich Polizei und Gerichte befinden: Die berauschenden Kräutermischungen fallen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und gelten nicht als Arzneimittel. "Es herrscht derzeit eine Regulierungslücke."

Der Staatsanwalt kann dem 34-Jährigen ohnehin nichts nachweisen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde keine einzige Tüte der Droge gefunden. Doch warnt er in Gegenwart des Angeklagten vor dem Gebrauch dieser Substanzen. "Dieses Zeug ist gefährlicher als Cannabis." Das Verfahren wird eingestellt.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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