Dachau:"Die waren überrascht, dass einer wie ich hilft"

Lesezeit: 2 min

Warum sich Harley-Fahrer Frank Belitz um die Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof kümmert - und ins Fernsehen kommt.

Von Benjamin Emonts

Der Fernsehsender ZDF hat am Dienstagabend zur Primetime eine Sondersendung über die sich zuspitzende Flüchtlingsproblematik in Europa ausgestrahlt. In einem zweiminütigen Beitrag sind Bilder vom Münchner Hauptbahnhof zu sehen. Die etwa 2000 Flüchtlinge, die über Nacht dort angekommen sind, harren am Dienstagvormittag vor dem Bahnhof aus und werden von freiwilligen Helfern umsorgt und verpflegt. Einer der Helfer aus dem ZDF-Beitrag ist der 56-jährige Dachauer Frank Belitz.

SZ: Herr Belitz, wie kam es zu Ihrem spontanen Entschluss, den Flüchtlingen zu helfen?

Frank Belitz: Ich war in der Arbeit und habe gegen 10 Uhr im Radio von dem Ausnahmezustand gehört, der am Hauptbahnhof geherrscht hat. Der Sprecher sagte, dass man die Situation zwar im Griff habe, aber viel zu wenige Helfer am Ort seien. Er sagte weiter, dass nun alle zusammen anpacken müssten, um den Menschen zu helfen. Ich habe dann sofort meinen Chef angerufen und gefragt, ob ich frei bekomme. Er hat mir das Okay gegeben.

Wie ging es weiter?

Dann habe ich einen Kollegen aus meiner Harley-Clique gefragt, ob er mitkommen möchte. Wir sind zusammen auf unseren Harleys nach München gefahren. Als wir an der Bayerstraße angekommen sind, war der Bereich vor dem Hauptbahnhof abgesperrt und die Polizisten wollten uns nicht durchlassen. Ich habe dann gesagt, dass wir helfen wollen - und die Polizei hat den Weg frei gemacht.

Was für eine Situation haben Sie am Hauptbahnhof vorgefunden?

Mein erster Eindruck war: geordnetes Chaos. Es waren Hunderte Flüchtlinge auf dem Vorplatz des Bahnhofs, Frauen, Kinder, die alle sehr erschöpft und verunsichert wirkten, gleichzeitig aber froh waren, in München angekommen zu sein. Außer ihnen waren schon etliche freiwillige Helfer am Ort, es waren überwiegend junge Menschen und Studenten, was mich ein wenig verwundert hat. Die Hilfsbereitschaft war schon beeindruckend. Die ganze Situation hat mich sehr bewegt, vor allem die Kinder. Als sie sich das Spielzeug und die Teddybären genommen haben, konnte man das Glück, die totale Freude in ihren Gesichtern sehen. Es war für sie ein Lichtblick, das konnte man genau erkennen.

Wie haben Sie persönlich den Flüchtlingen geholfen?

Ich habe 40 graue und schwarze T-Shirts mitgenommen, die wir eigentlich für unsere Harley-Clique beflocken wollten. Ich habe sie an die Flüchtlinge verteilt, alle waren sehr dankbar dafür und über alles froh, was sie bekommen konnten. Später habe ich in einem türkischen Supermarkt in der Schillerstraße noch 18 große Flaschen Wasser gekauft und zum Bahnhof gebracht.

Wie ist es schließlich zum Interview gekommen?

In der Bayerstraße standen überall TV-Übertragungswagen. Ich habe mit meinem Rocker-Outfit und meinen Tätowierungen wohl wie ein Fremdkörper in der Menschenmenge gewirkt. Ich hatte den Eindruck, dass die überrascht waren, dass einer wie ich hilft. Wahrscheinlich bin ich auch deshalb so oft fotografiert und zweimal um ein Interview gebeten worden. Als ich das Interview im ZDF zum ersten Mal gesehen habe, war ich schon etwas überrascht. Meine Wortmeldung dauert ja nur ein paar Sekunden.

Was wurden Sie gefragt?

Sie wollten wissen, wie ich so schnell gewusst habe, was ich spenden wollte. Ich dachte T-Shirts sind angesichts der noch hohen Temperaturen geradezu ideal, habe ich dann geantwortet. Außerdem wollten sie wissen, wie ich die Situation hier am Hauptbahnhof empfinde. Die Antwort habe ich Ihnen ja schon gegeben. Ach ja, und nach meinem Motorrad haben sie auch gefragt. Meine Harley stand gleich nebenan.

Warum haben Sie letztlich geholfen? Ist die Solidarität mit den Flüchtlingen in Ihrem Bekanntenkreis überall so groß?

Die Meinungen gehen da weit auseinander, viele kennen die Problematik nur aus den Medien und machen sich kein eigenes Bild. Ich persönlich stelle mich für jede Art von Hilfe zur Verfügung, solange ich Zeit habe. In Ländern wie Syrien herrscht Chaos. Das sind Kriegsflüchtlinge, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Reinen Wirtschaftsflüchtlingen hätte ich aber nicht geholfen.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: