Dachau:Der Bäcker und das Bauamt

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Die Bewohner finden selbst, dass das nach dem Krieg gebaute Haus nicht mehr das schönste ist. Doch das Bauamt möchte einen Neubau nicht genehmigen. (Foto: Toni Heigl)

Warum Christian Hartmann als privater Bauherr seit zehn Jahren versucht, ein neues Wohn- und Geschäftshaus am Fuße der Dachauer Altstadt zu bauen - und einfach nicht vorankommt.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Eigentlich hätte es eine gute Nachricht sein sollen für Christian Hartmann und seine Frau Anja: Der Bauausschuss im Dachauer Stadtrat stimmte der Planung für ein Wohn- und Geschäftshaus an der Konrad-Adenauer-Straße 50 mit neun zu sechs Stimmen zu. Damit hätte eine zehnjährige Diskussionsphase zu Ende gehen können und die Ecke an der Konrad-Adenauer/Ludwig-Thoma-Straße bekäme vielleicht bald ein neues Gesicht. Doch dagegen stimmten die Stadträte von SPD und Bündnis. Somit auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Er hat das Bauvorhaben nun der Rechtsaufsicht im Landratsamt zur Prüfung vorgelegt. Schon in der Beschlussvorlage für die Ausschussmitglieder stand eindeutig, das Bauvorhaben ist "aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zulässig". Die Familie, die in dritter Generation eine Bäckerei in der Altstadt betreibt, bleibt weiter in Ungewissheit.

CSU-Stadträtin Schmidt-Podolsky kritisiert die Stadtverwaltung

Aus Sicht der CSU zeigt sich an diesem Beispiel einmal mehr, dass in Dachau in Bauangelegenheiten viel zu wenig vorangeht. Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky kritisiert offen die Stadtverwaltung. Nicht nur in diesem Fall würden Dinge "verschleppt in einem unfassbaren Ausmaß." Vorgehen und Einschätzung des Bauamts im Fall Hartmann seien für sie "nicht nachvollziehbar". Zweimal habe sie die Bauherren zu Gesprächen ins Stadtbauamt begleitet, sagt Schmidt-Podolsky, "unbefriedigend" sei das verlaufen, sie habe den Eindruck, dass man sich auch innerhalb des Bauamts nicht einig sei.

Es geht um das Gesicht der Innenstadt und die Silhouette der Altstadtkrone

Tatsächlich geht es bei der Diskussion um die Konrad-Adenauer-Straße 50 nicht nur um ein privates Bauvorhaben, es geht um eine weit zurück reichende Debatte um das Gesicht der Innenstadt und um die Silhouette der sogenannten Altstadtkrone. Dieser Name stammt von den Münchner Architektinnen Brigitte Henning und Ulrike Widmer-Thiel, die zu Beginn des Jahrtausends, 2002, einmal vorgeschlagen hatten, den Eingang zur Altstadt an diesem Eck mit einem achtstöckigen Turmgebäude zu akzentuieren. Insgesamt sah die 2005 von den Stadträten verabschiedete "Rahmenplanung Altstadtkrone" eine offene Bauweise mit überwiegend frei stehenden Häusern und Durchblicken vor. Die Eigentümer der Grundstücke am Hang hatten das als nicht wirtschaftlich kritisiert. Im Stadtrat überwogen allerdings die Stimmen derer, die eine Riegelbebauung verhindern wollten.

Die Bäckerfamilie Hartmann wiederum gruselte es bei der Vorstellung eines Turms auf ihrem Grundstück. 2006 reichten sie ihre eigenen Vorstellungen ein. Auch die Nachbarn mit der Hausnummer 46 wollen seit Jahren neu bauen. Beide Entwürfe hatte damals der Dachauer Architekt Bernhard Hartmann gezeichnet - er ist genauso wenig wie der Oberbürgermeister mit den Bäckern verwandt. Seine Pläne wurden als zu massiv und wuchtig abgelehnt. Auf Wunsch von Verwaltung und Stadträten setzte Hartmann seinem Entwurf ein Satteldach auf - und fiel damit wieder durch. Es ist nur ein Beispiel für das Hickhack um die Bebauung an der Adenauer-Straße. Die Bäckerfamilie plante um, gab das Projekt in andere Hände, passte wieder und wieder an. Beantragt ist nun ein quaderförmiges Gebäude mit Flachdach und offenen Dachterrassen, das insgesamt etwa 1600 Quadratmeter Platz auf maximal vier Geschossen bieten soll. An der höchsten Stelle wäre das Haus 17 Meter hoch. Laut Bauamt ist diese Höhe nicht zulässig, weil das den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreite. Der Schermhof ist nur 13 Meter hoch. Jedoch geht aus der Modellzeichnung hervor, dass das Hartmann-Haus den Schermhof nicht überragen würde, da es weiter unten am Hang liegt.

"Wir wollen etwas für Dachau tun", sagt Anja Hartmann

Anja und Christian Hartmann wirken ratlos. Sie möchten mit dem Neubau den Nachkriegsbau des Großvaters ersetzen, mehr Platz schaffen für ihren Betrieb und Wohnungen auch für die drei bald erwachsenen Kinder. "Wir wollen etwas für Dachau tun", sagt Anja Hartmann. Mit dem ursprünglichen Entwurf habe der jetzt beantragte Bau schon längst nichts mehr zu tun. Sie sagen, die Vorgaben des Stadtbauamts hätten sie befolgt, die neuen Einwände können sie nicht verstehen. Sie haben Unterschriften ihrer Nachbarn eingeholt, die sich einverstanden erklären mit dem Vorhaben der Hartmanns. Auch dies sei ein Rat des Stadtbauamtsleiters Michael Simon gewesen. Ebenso eine Studie, welche zeigen soll, wie viel Schatten das Gebäude werfen würde. Sie wurde im Bauausschuss vorgeführt und zeigte, dass besonders der Schermhof die umstehenden Gebäude buchstäblich in den Schatten stellt. "Die Studie sprach für unser Vorhaben", sagt Christian Hartmann. Er versteht nicht, dass sie nun plötzlich keine Beachtung findet. Auch die Zustimmung der Nachbarn hat weniger Gewicht als erhofft, von der Bauordnung befreien sie nicht. Laut Simon sind die Abstandsflächen zu klein, die umgebenden Bauten bekämen zu viel Schatten, außerdem könne man von dem höheren Haus den Bewohnern in der Steinmühle auf den Küchentisch schauen. Es gehe um den sozialen Frieden, sagt Simon. Ein solcher Bau mit einer Abstandsfläche von teils nur 1,50 Meter habe "eine erdrückende Wirkung".

Nun soll die Rechtsaufsicht eine Entscheidung treffen

SPD-Stadtrat Volker C. Koch kann beim Bauamt weder Unwille noch Verschleppung erkennen. Er sei in der Abstimmung der Einschätzung des Bauamts gefolgt, die Bauherren müssten sich nun einmal an die Vorschriften halten, sagt Koch. Zudem solle die Sicht nicht verstellt werden auf eine vielleicht irgendwann einmal entstehende Freitreppe am Eingang zum MD-Gelände. Schmidt-Podolsky hält dagegen, im Innenstadtbereich sei es zulässig, vorgeschriebene Abstandsflächen zu halbieren. Für sie geht die Unterstützung eines lange ansässigen Familienbetriebs vor.

Die Rechtsaufsicht soll nun eine Entscheidung fällen, wie verbindlich diese allerdings sein wird, dazu will sich Bauamtsleiter Simon noch nicht äußern.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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