Spendenrallye:Vier Dachauer fahren 10 000 Kilometer mit dem VW-Bus für den guten Zweck

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Bernard Zeidler, Tobias Pietzonka, Michael Pietzonka und Benjamin Markovic (von links) sind die "Chaoscityriders". Mit einem 25 Jahre alten VW-Bus wollen sie rund um die Ostsee fahren und dabei Spenden für Dachauer Projekte sammeln. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vier Dachauer machen sich als "Chaoscityriders" mit einem 25 Jahre alten VW-Bus auf den Weg rund um die Ostsee und wollen für soziale Projekte im Landkreis sammeln.

Von Thomas Hürner, Dachau

Es rumpelt ein bisschen, Kupplung, dritter Gang, Michael Pietzonka tritt behutsam aufs Gas. "Wir hoffen, er hält", sagt er, klopft liebevoll aufs Armaturenbrett, schaltet runter in den zweiten Gang und bezwingt mit seinem Gefährt mühelos den Hügel in der Dachauer Altstadt.

Hinten sitzen derweil sein Bruder Tobias Pietzonka, Benjamin Markovic und Bernard Zeidler, sie sind Jugendfreunde und werden noch etwas größere Strapazen auf sich nehmen als diese kurze Tour über Kopfsteinpflaster und asphaltierte Straßen. Ihnen steht eine große Reise bevor, die Reise ihres Lebens, wie sie sagen - und diese treten sie an für einen guten Zweck.

Die "Chaoscityriders" fahren rund 10000 Kilometer und sammeln dabei Spenden

Rund 10 000 Kilometer werden sie zurücklegen, um die Ostsee herum, Skandinavien, Lappland, das Baltikum, Russland. "Wird schon gut gehen", wirft Tobias Pietzonka von der Rückbank ein, lächelt und fügt hinzu: "Auch wenn das mit vier Männern auf engstem Raum ja schon mal problematisch sein kann." An diesem sonnigen Aprilabend aber ist nichts problematisch, die vier jungen Männer sind gespannt und voller Vorfreude auf das, was sie in diesen 16 gemeinsamen Tagen erwarten wird.

Die "Chaoscityriders", wie sie sich in Anlehnung an den längst bekannten Kosenamen für die Stadt Dachau nennen, nehmen am "Baltic Sea Circle" teil, eine internationale Spendenrallye. Los geht's Mitte Juni in Hamburg, erwartet werden über 250 Teams aus aller Welt. Ein Abenteuer in den nördlichsten Gefilden Europas, das aber vor allem einer höheren Motivation gilt: Die gesamte Veranstaltung dient dem Allgemeinwohl, die Teilnehmer nehmen die Anstrengungen auf sich, um Spenden zu sammeln.

Mehr als 8000 Euro haben die Chaoscityriders inzwischen zusammen

Mehr als 8000 Euro haben die Chaoscityriders inzwischen zusammen, "aber nach oben gibt's natürlich keine Grenzen", sagt Bernard Zeidler. Freunde, Verwandte, Geschäftsleute und Firmen haben bereits Geld gespendet, meist aus dem Landkreis, manchmal aber auch völlig Fremde. Der Leo- und Lions-Club hat sich der Obhut über die Gelder angenommen, stellt Spendenquittungen aus und verteilt dann die Einnahmen an das Franziskuswerk Schönbrunn, die Greta-Fischer-Schule und den Integrationskindergarten Himmelreich. "Uns war es wichtig, drei konkrete Projekte zu haben", sagt Tobias Pietzonka, "so weiß jeder, wofür er spendet." Und das besondere Anliegen der vier Männer lautet: "Wir wollen Gutes tun in Dachau", sagt Benjamin Markovic.

Dafür haben sich die Chaoscityriders einen VW-Bus angeschafft, Baujahr 1994, 317 000 Kilometer auf dem Tacho. Das Gefährt hat vonseiten des Veranstalters bestimmte Vorgaben zu erfüllen: Mindestens 20 Jahre alt muss es sein, kosten darf es nicht mehr als 2500 Euro. Gemeinsam haben sie das Auto hergerichtet, dann von zwei Kfz-Werkstätten checken lassen, damit es zwischen Hansestadt und Nordkap nicht zu unverhofften Komplikationen kommt. Und wenn doch? "Dann wird das Abenteuer eben ein bisschen größer", sagt Bernard Zeidler und lächelt.

"Neben dem guten Zweck steht die Interaktion im Vordergrund"

Immerhin gehe es auch darum, mit den Einheimischen in Kontakt zu treten: Einfach mal klingeln und nach einem Glas Wasser fragen, nach einem Schuss Motoröl, aber auch selber helfen, wenn andere Teams in Schwierigkeiten geraten. "Neben dem guten Zweck steht die Interaktion im Vordergrund", sagt Michael Pietzonka, der jetzt einen Bekannten in der Altstadt entdeckt, laut hupt und ein freundliches Grinsen zurückbekommt. "Tja", fügt er an, "von Dachauern, für Dachauer eben."

Tatsächlich haben die vier Männer nicht wenig auf sich genommen, um anderen zu helfen. Die eigenen Kosten könnten sich am Ende auf insgesamt rund 10 000 Euro belaufen: Auto, Equipment, Mautgebühren, Sprit, Überfahrten, "da kommt schon was zusammen", sagt Bernard Zeidler. Von den Spenden wird das aber nicht abgerechnet, alles kommt aus dem eigenen Geldbeutel. "Alles andere wäre ja auch falsch", sagt Benjamin Markovic, der Initiator des Abenteuers.

"Mit 50 Jahren bereut man's, wenn man da nicht dabei war"

Zufällig war er durch einen Facebook-Post auf die Veranstaltung gestoßen, sofort habe er sich gedacht: "Da müssen wir dabei sein!" Markovic fragte seine drei Kumpels, Tobias Pietzonka und Bernard Zeidler waren sofort dabei, nur Michael Pietzonka hat ein bisschen gezögert. "Eigentlich bin ich ja lieber mit dem Fahrrad unterwegs", sagt er, während er den VW-Bus souverän durch den Dachauer Feierabendverkehr steuert. Michael Pietzonka ist Triathlet und müsste sich in dieser Zeit eigentlich auf die anstehenden Wettbewerbe vorbereiten. Aber eine Lösung war schnell gefunden: "Ich werde während der Rallye trainieren", sagt Michael Pietzonka, "einfach dem Bus hinterherrennen oder hinterradeln, das geht schon."

Immerhin bietet die anstehende Tour neben ihrem höheren Zweck auch noch die Verlockung der nordischen Idylle: Der Weg führt vorbei an weißen Stränden, einsamen Schären, rauen Kliffen und tiefen Fjorden, es geht mitten durch robuste Nadelwälder, abgelegene Siedlungen und fremde Kulturen. "Ich habe jetzt schon Gänsehaut", sagt Tobias Pietzonka. "In diese Länder kommt man so schnell nicht mehr", ergänzt sein Bruder Michael, "und mit 50 Jahren bereut man's, wenn man da nicht dabei war."

Auf der Rallye müssen auch diverse Aufgaben erfüllt werden

Es könnte aber Momente geben, in denen sie diese Tour vielleicht doch ein bisschen bereuen: Auf der Rallye müssen auch diverse Aufgaben erfüllt werden, im vergangenen Jahr mussten die Teams etwa etliche Kilometer mit der Fischspeise Surströmming an Bord zurücklegen. In Schweden ist der vergorene Hering eine Delikatesse, woanders ob seines bestialischen Gestanks eher gefürchtet. Und wer nicht im Hotel, sondern im Zelt oder Fahrzeug schläft, bekommt Extrapunkte für die Rallye."Ach", sagt Bernard Zeidler, "das kann doch auch ne Gaudi sein." Primär um Gaudi geht es den jungen Männern aber nicht, wie sie immer wieder hervorheben. "Wir wollten das von Anfang an professionell machen", sagt Benjamin Markovic. Das Auto wird an viel besuchten Plätzen in der Stadt platziert, Facebook, Instagram. "Inzwischen kennt man uns in der Stadt", sagt Bernard Zeidler. Auch der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hat bereits ein Bild der Chaoscityriders über die sozialen Netzwerke geteilt und zu weiteren Spenden aufgerufen.

Im vergangenen Jahr sind beim "Baltic Sea Circle" insgesamt rund 1,4 Millionen Euro eingesammelt worden. "Wir wollen unseren Beitrag leisten", sagt Michael Pietzonka, tritt dabei gefühlvoll auf die Bremse und parkt den VW-Bus nach einigen Runden durch die Altstadt in der Konrad-Adenauer-Straße. "Aber jetzt", ruft Benjamin Markovicvon hinten, "jetzt geht's für uns erst richtig los."

Gespendet werden kann unter der Internetadresse www.betterplace.org/f32098. Die Einnahmen gehen an das Franziskuswerk Schönbrunn, die Greta-Fischer-Schule und den Integrationskindergarten Himmelreich.

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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