Kinderbetreuung im Landkreis Dachau:Der Kampf um die Betreuungsplätze

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Iris Hille-Lüke ist in Bergkirchen für die Vergabe der Betreuungsplätze zuständig. Auch dort gibt es Wartelisten, sogar für das Kind eines alleinerziehenden Vaters. (Foto: Toni Heigl)

Im Landkreis Dachau bekommen in diesem Jahr viele Eltern keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Schuld sind unter anderem der Fachkräftemangel und der Zuzug von jungen Familien.

Von Miriam Dahlinger und Anna Schwarz, Dachau

Bei der Kinderbetreuung geht es oft um die Existenz, sagt Iris Hille-Lüke. Sie kümmert sich in der Gemeinde Bergkirchen um die Anmeldungen für Kindergärten und Horte und weiß: Wer keinen Kitaplatz bekommt, verliert womöglich den Job. Erst vor kurzem meldete sich ein alleinerziehender Vater, er benötigt ab 1. September einen Kitaplatz, doch bisher steht sein Kind - wie neun weitere Kinder - auf der Warteliste, sagt Hille-Lüke: "Manchmal schafft man es nicht, dass sogar Kinder, die ganz dringend einen Platz brauchen, auch einen bekommen." Schließlich ist Bergkirchen eine Zuzugsgemeinde, und an Kindergartenpersonal fehle es es seit 15 Jahren: "Der Prozess spitzt sich zu, im Speckgürtel von München, bayernweit und in der ganzen Bundesrepublik."

Derzeit sucht Hille-Lüke händeringend nach Personal, doch der Markt ist abgegrast. Ist der Beruf zu schlecht bezahlt? In der Vergangenheit forderten Politiker immer wieder, die Gehälter von Erziehern und Kinderpflegern zu erhöhen, aber das reiche nicht, sagt sie. Es müsse an mehreren Stellschrauben gedreht werden: "Wir brauchen mehr Männer in den Kindergärten", aktuell arbeiten viele junge Frauen in den Einrichtungen, die ab Tag eins ihrer Schwangerschaft in ihrem Job pausieren müssen.

Außerdem müssten Arbeitgeber "mehr in die Pflicht genommen werden", indem sie Betriebskindergärten schaffen, mehr Home-Office erlauben und jungen Eltern ein Recht auf Teilzeit ermöglichen: "Eltern wollen ihre Kinder aufwachsen sehen", sagt Hille-Lüke: "Dieses Teilzeit-Modell könnte man auch staatlich unterstützen." Auf einen Hortplatz ab September warten aktuell zehn Kinder, auf einen Krippenplatz in Bergkirchen drei, aber hier gebe es unter dem Jahr immer wieder spontane Anmeldungen. In Dachau ist die Lage deutlich herausfordernder.

Wie viele Dachauer Kinder keinen Platz erhalten, weiß man noch nicht, doch es werden einige sein

Dort müssen sich heuer viele Eltern darauf einstellen, keinen Betreuungsplatz für ihr Kind zu erhalten. Zwar läuft die Vergabe laut Max Haberl, Leiter des Amtes für Kinderbetreuung der Stadt Dachau, noch, "aber wahrscheinlich werden einige Eltern keinen Platz erhalten". Nach Ablauf der Anmeldefrist seien zum Stichtag Anfang Mai noch 271 von 1177 angemeldeten Kindern ohne Betreuungsplatz gewesen. Einige davon könnten noch vermittelt werden, etwa weil Eltern den angebotenen Betreuungsplatz doch nicht annehmen. Eine Prognose, wie viele Familien am Ende ohne einen Betreuungsplatz dastehen werden, will Haberl nicht wagen, aber: Zu 100 Prozent werde man den Bedarf nicht decken können.

Derweil stehen in Markt Indersdorf zum jetzigen Zeitpunkt noch zehn Kinder auf Wartelisten für einen Kindergartenplatz, so der Geschäftsleiter der Gemeinde, Klaus Mayershofer. Im Krippenbereich habe man für Herbst zwar alle Kinder aufnehmen können, ebenso bei den Hortkindern, allerdings würden hier die vorhandenen 100 Plätze mit etwa zehn Prozent mehr Kindern belegt. In der Mittagsbetreuung stünden neun Kinder auf der Warteliste. Wer keinen Platz gefunden habe, sei an private beziehungsweise kirchliche Kindertagesstätten mit freien Plätzen im Gemeindebereich verwiesen worden.

Karlsfeld macht derzeit keine Angaben zur Betreuungslage

Auch in Karlsfeld haben laut Landratsamt nicht alle Eltern einen Betreuungsplatz gefunden. Genauere Informationen gibt die Gemeinde aber wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der zuständigen Mitarbeiter nicht heraus. Für Eltern stellt sich damit einmal mehr die Frage: Braucht man Glück, um im Landkreis einen Betreuungsplatz zu bekommen oder wie funktioniert die Vergabe? Dies ist nicht klar zu beantworten: In Dachau läuft die Vergabe der Betreuungsplätze über die zentrale Bedarfsanmeldung der Stadt.

Das bedeute, so Haberl, aber nicht, dass die Stadt die Plätze auch zentral vergebe. Im Prinzip dürften die Einrichtungen selbst entscheiden, welches Kind sie aufnehmen: "Wir können die Vergabe nur in einem geringen Rahmen für freie und private Träger vorgeben", erklärt er. Vor einem neuen Kindergartenjahr stimme sich die Stadt mit den Einrichtungen ab, und weise darauf hin, dass Kinder mit einer "erhöhten Dringlichkeit" von den Leitungen "verstärkt berücksichtigt" werden sollten. Welche Kriterien das sind, wollen die Dachauer Einrichtungen auf Nachfrage aber nicht konkretisieren.

Dringlichkeitskriterien könnten bedeuten, dass Kindertageseinrichtungen, für die es in Bayern einen Rechtsanspruch gibt, die Plätze zunächst an ältere Kinder vergeben, während bei Hort-Kindern, die noch keinen Rechtsanspruch haben, auch einbezogen wird, ob die Eltern voll berufstätig sind und daher dringender eine Mittagsbetreuung brauchen. In Markt Indersdorf wird laut einer Satzung der Gemeinde ebenfalls nach Dringlichkeitsstufen entschieden, darunter fällt etwa, wann die Kinder schulpflichtig werden, ob die sorgeberechtigte Person alleinerziehend und erwerbstätig, in Ausbildung oder arbeitssuchend gemeldet ist, ob beide Eltern Vollzeit arbeiten oder Geschwister bereits die gleiche Einrichtung besuchen.

Auch nach Tagesmüttern und -vätern wird gesucht

Verantwortlich für den Betreuungsplatzmangel sind laut Max Haberl von der Stadt Dachau und Klaus Mayershofer von der Gemeinde Markt Indersdorf vor allem der Fachkräftemangel. So könne in Dachau heuer eine Kitagruppe trotz vorhandener Räume nicht öffnen, weil es an Personal mangele. Ein weiterer Grund für den hohen Bedarf an Betreuungsplätzen sei in Dachau, wie schon in den Vorjahren, der Zuzug und die Nachverdichtung. Eine Entwicklung, die für die Stadt nicht zu prognostizieren sei.

Zudem habe der Ukraine-Krieg für zusätzlichen Bedarf gesorgt, "den wir nicht einmal im Entferntesten auf dem Schirm haben konnten", so Haberl. Insgesamt ist die Zahl der Anmeldungen von ukrainischen Familien aber nach seinem Eindruck nicht extrem hoch: "Ich würde sagen, es sind einige, aber nicht sehr viele." Ähnlich sieht es in Markt Indersdorf aus: Insgesamt habe es fünf Anmeldungen für Kinder aus der Ukraine gegeben, davon gingen zwei Kinder seit ein paar Wochen in den Kindergarten, die andern hätten die Gemeinde mit ihren Müttern inzwischen wieder verlassen. In Markt Indersdorf käme die Gemeinde in diesem Jahr zudem auch räumlich an eine Auslastungsgrenze.

Wer im Landkreis keinen Betreuungsplatz findet, wendet sich häufig an die Tagesmutter-Vermittlung des Landratsamtes, Tagesväter gibt es im Landkreis bisher noch keine. Laut Pressesprecherin Sina Török kommen die Anfragen jährlich immer, nachdem in den Gemeinden die Absagen versandt würden. In diesem Jahr sind es, so ihr Eindruck, mehr als in den Vorjahren, Vergleichszahlen gäbe es aber nicht. Jedoch habe man heuer nicht alle Anfragen vermitteln können. Auch nach Tagesmüttern und -vätern wird daher weiter gesucht.

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