Dachau:Betreutes Wohnen light

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Die Pläne für eines betreutes Wohnen an der Münchner Straße haben sich mit dem großen Bauvorhaben nahe des S-Bahnhofs offenbar erledigt. (Foto: oh)

Ein Investor baut 252 Altenwohnungen, davon sind 18 sozial gebunden. Das Konzept der Seniorenvilla ist damit Makulatur

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Seit 13 Jahren kämpft Karin Boger mit ihrem Förderverein Seniorenvilla für ihr Modell des betreuten Wohnens: Ältere Menschen, die sich in Karlsfeld keine eigenen vier Wände auf dem regulären Wohnungsmarkt leisten können, sollten Zugang zu vergünstigten Wohnungen im Sozialwohnungsbau erhalten, so die Idee. Und das am besten kompakt in einem Haus mit Gemeinschaftsräumen, weil der Verein dann auch gleich noch ein Freizeitangebot für die Senioren organisieren könnte. 2009 schien der Verein seinem Ziel zum Greifen nahe. Die Gemeinde hatte hinter dem Heizkraftwerk an der Münchner Straße extra für diesen Zweck ein Grundstück bereitgestellt und einen Grundsatzbeschluss für das betreute Wohnen gefasst. Aus Geldmangel wurde das Projekt erst einmal nicht umgesetzt - und so, wie es jetzt aussieht, wird es wohl auch nicht mehr geschehen. Westlich der Bahn zieht die Firma Erlbau einen großen Komplex mit 252 Altenwohnungen in betreutem Wohnen hoch, 18 davon sollen mit der Kreiswohnbau im sozialen Wohnungsbau vergeben werden. "Damit ist das betreute Wohnen für mich zunächst erledigt", sagte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) der SZ.

Laut Erlbau sind die 252 Wohnungen mit einem 24-Stunden-Notruf ausgestattet. Das gesamte Haus sowie die Wohnungen und die Außenanlagen sind barrierefrei - zumindest in den öffentlich zugänglichen Bereichen. Die Sonderausstattung in den Bädern bietet ebenerdiges Duschen ohne Stolperkante und die Möglichkeit, einen Klappsitz anzubringen, wirbt das Unternehmen. "Armaturen und praktische Haltevorrichtungen schaffen zusätzliche Sicherheit im Bad."

Die 18 sozial gebundenen Altenwohnungen sind für Vereinsvorsitzende Karin Boger ein Anfang, aber wirklich zufrieden ist sie mit dem Angebot unter dem Dach des Großinvestors nicht. "Für mich ist das betreutes Wohnen light", sagt sie. Dem Verein geht es nicht nur darum, den Senioren eine bezahlbare Bleibe in Karlsfeld zu geben, sondern sie durch diverse Begegnungs- und Freizeitangebote vor Vereinsamung zu bewahren. Ob sich das unter den neuen Rahmenbedingungen noch so realisieren lässt, erscheint mehr als fraglich. Bogers Konzept ist Makulatur.

"Wir kommen in der Planung gar nicht vor", klagt die ehemalige SPD-Sozialreferentin. "Wir erfahren auch nichts von der Gemeinde." Allerdings hat Boger dieses Problem nicht erst, seitdem ein CSU-Bürgermeister das Karlsfelder Rathaus regiert. Schon unter Kolbes SPD-Vorgänger Fritz Nustede musste sie sich mächtig anstrengen, um mit ihrem Anliegen durchzudringen. "Wenn wir versuchten, Druck auszuüben, dann machten wir uns richtig unbeliebt", sagt sie. Kolbe findet trotzdem nur anerkennende Worte für Boger und ihre etwa 80 Mitstreiter. "Der Verein hat immense Vorarbeit geleistet", sagt er. Dass es - generationsübergreifend - einen hohen Bedarf an Sozialwohnungen in Karlsfeld gibt, ist in allen im Rathaus vertretenen Parteien und Gruppierungen mittlerweile Konsens. "Der Bedarf ist immens", sagt der Bürgermeister. "Wir müssen was tun und wir wollen was tun." Auch das Areal hinter dem Heizkraftwerk, das für betreutes Wohnen vorgesehen war, könnte "unter Umständen" für den Bau von Sozialwohnungen herangezogen werden.

Über Umfang und Zeitplan der weiteren Maßnahmen schweigt der Rathauschef sich allerdings noch aus. "Dafür ist es zu früh." Es müssten noch zahlreiche "Detailgespräche" geführt werden, etwa über Fördermodelle. "Das Ganze muss ja auch finanzierbar sein." Im Raum stehen auch noch Pläne für ein Mehrgenerationenhaus, das die Genossenschaft Maro notfalls auch ohne kommunale Mittel errichten könnte. Die Gespräche laufen noch.

Über Dekaden ruhte der soziale Wohnungsbau in Karlsfeld völlig. Auch Einheimischenmodelle wurden kaum aufgelegt. Viele Familien sehen sich deshalb gezwungen, ins Dachauer Hinterland zu ziehen, wo die Mieten noch günstiger sind. Karin Boger weiß von einem Vereinsmitglied, das von seinen 1100 Euro Rente 800 Euro für Miete aufbringen muss. Um sich das Leben in seiner Heimatgemeinde leisten zu können, arbeitet der 80-Jährige noch immer stundenweise.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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