Dachau:Beteiligung an Kohlekraftwerk macht Stadtwerken Probleme

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Die Kraftwerke-Betreiber-Gruppe Trianel ist in einigen Bereichen defizitär. Das trifft auch Dachau.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Im Dezember 2015 hat das Kohlekraftwerk in Lünen, Nordrhein-Westfalen, einen Preis bekommen: für seine "weltweite Vorreiterrolle bei der Umsetzung hocheffizienter Technologien im Bereich sauberer Kohleverbrennung". Saubere Kohle, das klingt in sich widersprüchlich, aber so teilt es die Trianel Kohlekraftwerk Lünen GmbH & Co. KG auf ihrer Webseite mit. Beteiligt an dem Unternehmen sind 30 Stadtwerke und regionale Energieversorger, darunter die Stadtwerke Dachau. So effizient das 2013 in Betrieb gegangene Kraftwerk im Vergleich mit älteren aber auch sein mag: Wirtschaftlich läuft es noch nicht.

100 Millionen Euro Verlust macht das Kraftwerk derzeit jährlich, sagt Pressesprecher Elmar Thyen. Das merken auch die Stadtwerke Dachau. Die laufenden Kosten können zwar gedeckt werden, die Kredite, die für den Bau nötig waren, können aber noch nicht getilgt werden. Besserung ist erst einmal nicht in Sicht. Bei Trianel macht man daraus kein Geheimnis. Für konventionelle Energieversorger sieht es auf dem Strommarkt schlecht aus. Das war zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Bau 2008 noch anders.

Das Kohlekraftwerk am Stummhafen in Lünen ging 2013 in Betrieb. (Foto: privat)

Viele Dachauer konnten sich mit dem Kohlekraftwerk nie anfreunden, auch wenn die Anteile der Stadtwerke am Kohlekraftwerk zum Zeitpunkt der beginnenden Debatte bei nur 0,52 Prozent lagen. Nach einem Bürgerentscheid von 2010 sollen die Stadtwerke Dachau eigentlich nicht mehr am Kohlekraftwerk beteiligt sein. Allerdings war es nicht möglich, vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen, der bis 2032 laufen soll. Die Stadtwerke versuchten damals, ihre Anteile am Kohlekraftwerk im Wert von etwa 780 000 Euro zu verkaufen, doch sie fanden keinen Interessenten. Im Stadtrat hatten sich lediglich Grüne und Bündnis für Dachau immer gegen das Kohlekraftwerk ausgesprochen, später schloss sich die ÜB an. Aus den Gegnern ging mithilfe von Kohlekraftgegnern aus Lünen eine Bürgerinitiative hervor, die den Bürgerentscheid herbeiführte. Zudem war sie der Anfang der Bürgerstrom eG, die sich für die Energiewende einsetzt und gemeinsam eine Solaranlage in Bergkirchen betreibt.

Der Protest gegen das Kraftwerk hält in Lünen an. Die Stromlieferverträge sind damit nicht das einzige, was Trianel Sorgen und Kosten bereitet. Im Mai wurde erneut um das Kohlekraftwerk vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster prozessiert. Der Bund Naturschutz BUND hatte bereits vor Baubeginn 2008 versucht, das Kraftwerk zu verhindern. Das OVG hatte an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, 2011 wurden Genehmigungen zurückgezogen. Trianel legte neue, umfassendere Gutachten vor, der Betrieb wurde 2013 genehmigt, der BUND klagte erneut. Er sieht Wälder, Flussauen an der Lippe und ein Flora-Fauna-Habitat gefährdet. Die Verhandlung soll am 16. Juni fortgesetzt werden. Nach Informationen der Ruhrnachrichten hat das Unternehmen seit 2008 Prozesskosten in Höhe eines deutlich siebenstelligen Betrags ausgegeben.

"Das Kraftwerk hat auf das Flora-Fauna-Habitat eine Auswirkung von 100 Gramm pro Hektar Stickstoffeintrag im Jahr", sagt Sprecher Elmar Thyen. Eine einzige Amsel verursache 750 Gramm, sagt er. Das Kohlekraftwerk kann bis zu 1,6 Millionen Haushalte versorgen und generiert im Jahr etwa sechs Millionen Megawattstunden Strom. Angeschlossen ist eine Fernwärmestation. Mit der Abwärme des Kraftwerkbetriebs werden Industriebetriebe in der Umgegend und Teile der Innenstadt von Lünen versorgt. Der elektrische Wirkungsgrad von 46 Prozent ist für ein Kohlekraftwerk ziemlich gut, ältere erreichen nur zwischen 30 und 40 Prozent. Bleiben noch die 4,5 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid, die das Kraftwerk jährlich in die Atmosphäre bläst. Auch das ist schon weniger als bei alten Kraftwerken, die die Luft um bis zu 30 Prozent stärker verschmutzen. Aber auch wenn die Kraftwerke effizienter werden und weniger Schadstoffe ausstoßen, reicht das laut Bundesumweltamt nicht aus, um damit die selbst gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen.

Da wird bei Trianel nicht drumherum geredet: "Auch wir glauben, dass der Kohleausstieg kommen muss", sagt Thyen. Das Unternehmen sei darauf eingestellt, dass das Kohlekraftwerk vor Ende seiner technischen Lebensdauer 2050 abgeschaltet werde. "Wirtschaftlich soll es sich innerhalb von 20 Jahren rentieren", sagt Thyen. Und wenn das nicht klappt, finanzieren die Windräder in der Nordsee die konventionellen Stromerzeuger? So einfach ist das bei Trianel nicht. Jedes Kraftwerk steht mit seiner GmbH für sich allein. Eine Querfinanzierung gibt es nicht, denn die Beteiligten entscheiden selbst, an welchen Kraftwerken sie sich beteiligen, und die Dachauer Stadtwerke setzten eben gleichermaßen auf erneuerbare wie auf fossile Energie. Am Windpark nahe Borkum sind sie mit 1,15 Prozent beteiligt.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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