Baubranche:"Praktika sollte es schon in den Grundschulen geben"

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Kennen sich schon lange: Raffael Diepold (rechts) ist Obermeister der Bauinnung Dachau und folgt damit auf Wolfgang Reischl, der das Amt rund 40 Jahre innehatte. (Foto: Toni Heigl)

Die Lage in seiner Branche ist schwierig. Das war ein Grund, warum Raffael Diepold Obermeister der Bauinnung Dachau werden wollte. Wie schon sein Vorgänger Wolfgang Reischl will er sich nun dafür einsetzen, junge Menschen von früh an für das Handwerk zu begeistern.

Von David Schmidhuber, Dachau

Raffael Diepold hat schon bessere Zeiten in seiner Arbeitsbranche erlebt: Der Bausektor in Deutschland hat im Vergleich zu den vergangenen Jahren gerade mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. "Ein Problem ist, dass die Bauzinsen und die Baupreise in die Höhe geschnellt sind", sagt Diepold. Umso wichtiger ist für ihn, dass sich die Lage in der Baubranche bald wieder verbessert. Und es ist einer der Gründe, warum Diepold seit Mai neuer Obermeister der Bauinnung Dachau ist. "Wenn man sich über etwas beschwert, sollte man Taten folgen lassen", sagt er.

Die Bauinnung ist ein Interessensverbund aus mehreren Baufirmen, im Landkreis Dachau sind es 23 Mitglieder. Deren politischen Interessen werden intern diskutiert und dann nach außen vertreten: "Wir sprechen mit Landtags- und Lokalpolitikern über diese Themen", sagt Diepold: "Ich möchte unsere Interessen gut vertreten." Das Heizungsgesetz, das in diesem Jahr von der Bundesregierung verabschiedet wurde, sei eines dieser Anliegen gewesen. "Wir sind die Feedbackgeber der Entscheider."

Bevor Diepold das Amt übernahm, war er rund sechs Jahre lang stellvertretender Obermeister und vertrat Wolfgang Reischl. Der 76-Jährige ist Geschäftsführer der Bauunternehmung Otto Reischl, war rund 40 Jahre lang Obermeister und ist seit Mai Ehrenobermeister. Er wirkt zufrieden mit seinem Nachfolger, sie kennen sich schon lange, denn er ist mit Raffaels Vater befreundet und sagt: "Ich kenne Raffael schon, seit er ein kleiner Bub ist."

Von klein auf ging es immer um Baustellen

Raffael Diepold selbst ist studierter Bauingenieur und Immobilienökonom. Der 33-Jährige arbeitet seit zehn Jahren im Bauunternehen seiner Familie. Sein Bruder Fabian ist auch Teil der Firma und auf Rohbau spezialisiert, zwei weitere Brüder haben andere berufliche Wege eingeschlagen. Für Raffael Diepold ging es schon von klein auf "immer um Baustellen", wie er erzählt. Als Jugendlicher habe er viel in den Ferien mitgeholfen. "Da gehörte es zum Beispiel dazu, die Baustelle aufzuräumen, und auf Weisung zu mauern und zu betonieren." Die Begeisterung für den Beruf war entfacht und brennt bis heute. "Ich kann jeden Tag sehen, dass ich etwas gemacht habe. Es ist etwas, dass jahrzehntelang bleibt, und das gefällt mir."

Im Gegensatz zu seinem Bruder hat er sich auf schlüsselfertiges Bauen spezialisiert. Damit ist er vom Spatenstich bis zur Schlüsselübergabe Teil der Bauprojekte, die er betreut: "Ich bin die Schnittstelle zwischen den Ausführenden und den Bauherren und plane auch selbst."

Eine bessere Situation in der Baubranche erwarten sie erst im Jahr 2025

Doch Diepold sorgt sich, dass die Folgeaufträge künftig fehlen könnten. Derzeit meldeten ihm die Unternehmen der Bauinnung zwar noch, dass sie ausgelastet seien. Doch das liege an den auslaufenden Bauaufträgen, die aktuell noch bearbeitet würden. Im August waren einige Firmen schon in Kurzarbeit. Derzeit würden die Unternehmen noch davon profitieren, dass es in den vergangenen fünf Jahren einen großen Andrang im Bausektor gab, sagt auch Wolfgang Reischl: "Die Bauzinsen waren niedrig und die Baustoffkosten waren bis zur Pandemie noch human." Seitdem habe es einen Kostenanstieg um 25 Prozent gegeben.

Dazu kommt, dass sich Förderungen geändert haben oder ausgelaufen sind: "Das schreckt viele Interessenten zurück, weil die Förderungen unklar sind und die Planungssicherheit fehlt", sagt Diepold. Seit März gilt unter anderem die Wohnbauförderung für klimafreundlichen Neubau - doch die Anforderungen an die Energiestandards sind höher, was zu zusätzlichen Kosten führt. Er kritisiert: "Aktuell sind die Rahmenbedingungen, die der Staat für das Bauen vorgibt, nicht auf diejenigen zugeschnitten, die bauen wollen. Das muss sich ändern."

"Den Jugendlichen müsste das Handwerk schon früher nähergebracht werden"

Eine bessere Situation in der Branche vermuten Diepold und Reischl erst im Jahr 2025. Denn die Vorlaufzeit, bis Bauprojekte genehmigt werden, beträgt rund ein Jahr. Zuversichtlich stimmt Raffael Diepold, dass die Schwierigkeiten der Baubranche in der Politik mehr thematisiert werden. "Es wird so viel wie nie zuvor darüber geredet, das ist gut." Auch die voranschreitende Digitalisierung im Bausektor sieht er positiv. "Wenn wir Bauanträge digital stellen können, würde uns das in Zukunft sehr helfen und viel Zeit ersparen."

Zunehmend zu schaffen, macht Raffael Diepold auch der Fachkräftemangel. Der Bausektor leidet wie viele andere Handwerkszweige darunter. In diesem Jahr schlossen nur vier Azubis aus den 23 Mitgliedsbetrieben der Bauinnung Dachau ihre Ausbildung ab. Die Zahlen passen zu einer Studie des "Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung" aus dem vergangenen Jahr: Demnach waren 2022 knapp doppelt so viele Stellen im Handwerk frei wie es Arbeitssuchende gab, die auf die Stellen gepasst hätten.

Diepold fordert, dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern und deshalb das Bildungssystem anzupassen. "Es sollte schon in den Grundschulen Praktika und Workshops geben", sagt er. "Den Jugendlichen, die für das Handwerk geeignet und daran interessiert sind, müsste es schon früher nähergebracht werden." Bei Diepold hat es ja schließlich auch funktioniert.

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