Es sind Sätze wie "Weniger Mobilität schützt die Umwelt" oder "Wir brauchen die Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen". Fast jeder, der an der Onlineveranstaltung der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie des Kreisjugendrings Dachau (KJR) teilnahm, stimmte ihnen am Mittwoch zu. Um so größer das Entsetzen, als Yannick Passeick von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz, kurz Farn, diese Thesen als Propaganda der neuen Rechten entlarvte.
Rechtsextreme, das waren für die meisten lange kahlrasierte Köpfe, Springerstiefel, schwarze Kleidung mit Runen oder anderen Emblemen. Doch die Szene hat sich gewandelt. Das wurde den mehr als 20 Teilnehmern des Workshops und Talks schnell klar. "Die neue Rechte ist intellektueller", erklärte Passeick und so sind ihre Anhänger heute auch längst nicht mehr so leicht auszumachen. "Sie grenzen sich sogar von den Neonazis ab", so der Referent. Später im Talk zeigte der freie Journalist Sebastian Lipp Bilder von Ökobauern, die niemand auf Anhieb mit der rechten Szene in Verbindung gebracht hätte. Sie agierten sogar absichtlich hinter einer Fassade und schlichen sich so in das dörfliche Leben ein, so Lipp.
Ökologie und Naturschutz, das waren für viele Teilnehmer der Online-Veranstaltung eher links besetzte Themen. Gerade in diesem Bereich "braune Flecken" auszumachen oder noch schlimmer, sie nicht einmal zu erkennen, obwohl sie da sind, das war für die meisten "erschreckend". Fée von Cronenburg, Mitinitiatorin von Fridays for Future (FFF) in Dachau, fragte sich: "Was ist der beste Ansatz, sie zu erkennen?"
Passeick spielte den Teilnehmern Redeausschnitte von Philip Stein vor, dem Sprecher der Deutschen Burschenschaften, in denen er über sein "organisches Weltbild" spricht. Danach soll der Mensch Teil der Natur sein. Er dürfe nicht ihr Gebieter sein, das stünde ihm nicht zu. Im Jargon der neuen Rechten sei dies die Forderung nach "Ethnopluralismus", so Passeick. Es entspreche der "Blut und Boden Ideologie" der Nazis. Der Mensch werde an einem bestimmten Ort geboren und dort solle er verwurzelt sein, ähnlich einem Baum. Bei einer Vermischung ginge alles kaputt, so die Idee er Ultrarechten. Als Passeick dann auch noch die Konsum- und Wachstumskritik Steins vorspielte, sagte eine Teilnehmerin angewidert: "Es werden viele grüne Themen angesprochen. Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich das aus seinem Mund höre." Eine andere bemerkte: "Es sind ähnliche Thesen wie bei der Linken, aber sie werden anders begründet." Denn die Linken beklagen im Zusammenhang mit der Konsumkritik die Umweltbelastung. Die Rechten dagegen, dass man sich dadurch von der Familie ablöse. "Eine gewagte These", meinte eine Teilnehmerin, die den Zusammenhang nicht plausibel fand. Es habe System, dass die Rechten linke Konzepte "rechts besetzten", erklärte Passeick. "Es lohnt sich immer nach den Motiven zu fragen", riet er seinen Zuhörern. "Und wie geht man dann damit um?", wollte Fée von Cronenburg wissen. Man sollte auf Widersprüche hinweisen und aufzeigen, was bestimmte Thesen weitergedacht bedeuten würden, meinte Passeick. Wenn der andere sie dennoch weiter vertrete, gelte es sich davon zu distanzieren. "Diskutieren bringt dann nichts mehr."
Passeick und auch der Journalist Sebastian Lipp berichteten, wie weit die Ultrarechten inzwischen bei Ökothemen auf dem Vormarsch sind. Familien würden in strukturschwachen Gegenden eingeschleust, die dort einen Bauernhof in ökologischer Landwirtschaft betreiben und sich in der dörflichen Gemeinschaft stark engagieren. So ist es zum Beispiel auf dem Mutterhof in Unterhingau, so Lipp. Dort würden sogenannte Permakulturen angelegt, gesunde ökologische Systeme. Es gebe Kurse und Führungen - "alles hochprofessionell". Doch wenn man hinter die Kulissen schaue, sehe man die germanischen Symboliken und Namen, so Lipp. Im Rahmen seiner Recherchen habe er auch andere Höfe gefunden, wo sich die Bauern als Dienstleister anbieten und gut in der bürgerlichen Landwirtschaft vernetzt sind. So sehr, dass die Loyalitäten so groß werden, dass es schwer sei, dies zu zerschlagen, so Lipp. Über Freundschaften und Sympathien versuchten die Rechtsextremen dann langsam, die Leute im Ort zu ideologisieren. "Ist jemandem bekannt, dass es solche Strukturen auch im Landkreis Dachau gibt?", wollte Peter Heller vom Bund für Naturschutz wissen. Eine Teilnehmerin wusste nur von dem Ladenbesitzer in einem Ort, dass es dort einmal rassistische Sprüche gegeben habe.
Aber es ist nicht nur die Landwirtschaft, die die Ultrarechten zu unterwandern versuchten, so Lipp. Sie mischten sich auch unter die Demonstranten der Fridays for Future-Bewegung oder unter Extinction Rebellion. "Wir haben den Anspruch an uns selber, eine inklusive Bewegung zu sein", erklärte die Fée von Cronenburg von FFF Dachau. Man wolle Konservative nicht ausschließen. "Die Gefahr, dass sich solche Leute einschleusen, besteht also auch bei uns", sagte sie. Aber man diskutiere viel über Antirassismus. "Das ist das beste Rezept dagegen", bemerkte Lipp.
Diese Veranstaltung sei der Versuch, junge Aktivisten aufzuklären über rechtsextreme Anwerbestrategien, sagte Stephanie Steinbauer, die Leiterin von Partnerschaft für Demokratie. Es rege zum Nachdenken an, sagten mehrere Teilnehmer am Ende des Abends.