Dachau:Ausgebacken

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Bäcker und Caféhausbetreiber Willy Teufelhart, Stadtrat, Volksfestreferent und Galionsfigur der Dachauer Kultur, sieht sich als Opfer der Politik, weil ihm die Stadtwerke den Strom abgeschaltet haben.

Wolfgang Eitler

Bäcker Willy Teufelhart sitzt am Mittwochnachmittag vor seinem Café in der Altstadt und raucht ein Zigarillo. Er wirkt entspannt. Dabei müsste er fürchterlich aufgeregt sein. Er lacht. Freunde und Bekannte umsäumen ihn und überlegen hektisch, wie Bäckerei und Café an einen Stromanschluss gelangen könnten: "Vielleicht ließe sich eine Leitung von einem Nachbarn rüberlegen." Willy Teufelhart schüttelt den Kopf. "Ich brauch' drei große Anschlüsse." Klar, bei einem Verbrauch im Gegenwert von ungefähr 3000 Euro im Monat. Alle sind ratlos. Teufelhart erzählt, dass ihm die Dachauer Stadtwerke den Strom am Mittwoch, 1. August, um neun Uhr morgens abgedreht haben. "Wenn ich morgen keinen kriege", sagt er, legt eine Atempause ein, lacht in sich hinein und fährt schließlich fort, "dann höre ich auf." An der Ladentür hat er einen Zettel angebracht, auf dem handschriftlich geschrieben steht: "Haben politischen Energie-Urlaub." Tags darauf ist der Zettel weg. "Closed", heißt es jetzt.

"Closed" steht seit Donnerstag an der Ladentür. Geschlossen, weil das Café Teufelhart von den Stadtwerken keinen Strom bekommt und nicht backen kann. (Foto: © joergensen.com)

Vor seinen Freunden am Mittwochnachmittag präsentiert sich Bäcker Teufelhart als Opfer des Stadtrats. Der Werkausschuss, also das Gremium, das für die Stadtwerke zuständig ist, "hat beschlossen, dass ich keinen Strom mehr bekomme". Und diese Entscheidung könne eben nicht anders als politisch motiviert sein. Dann verkündet er seine Bereitschaft, die Stromkosten im Voraus zu entrichten. Seine Zuhörer schütteln die Köpfe. Die Rollen von Gut und Böse sind klar verteilt.

Aber warum sollte der Stadtrat ihn, Teufelhart, in diese Zwangslage bringen wollen? Gerade ihn, der dem Gremium seit Jahrzehnten angehört? Ihn, den Volksfestreferenten, der jedes Jahr stolz den Festzug anführt? Warum den Mandatsträger, der mit den Freien Wählern um Edgar Forster und Bürgermeister Claus Weber eine Koalition mit der CSU eingangen ist und die Politik des Stadtrats dominiert? Keine Antwort. Dafür der Hinweis: "Ich will nicht, dass darüber geschrieben wird."

Tatsächlich gleichen die Ereignisse um die Bäckerei, das Café Bubu und damit den gesamten Betrieb in der Altstadt einer Abwärtsspirale. Am 1. Februar 2011 eröffnete die Münchner Kanzlei Pohlmann und Hofmann die Insolvenz, welche zunächst das gesamte Vermögen von Willy Teufelhart betraf. Sehr schnell fiel der Entschluss, den Betrieb von Café und Bäckerei, nicht aber das Gebäude selbst, aus der Insolvenzmasse herauszunehmen, und wieder "eigenverantwortlich" in Teufelharts Hände abzugeben. Nur die bei den Stadtwerken ausstehende Summe von ungefähr 16 500 Euro für unbezahlte Rechnungen blieb dem Insolvenzverfahren zugeordnet.

Bereits im Herbst 2010 hatte der Werkausschuss des Stadtrats, der die Aufgabe eines Aufsichtsrats über die Stadtwerke ausübt, einstimmig entschieden, dass an Bäckerei und Café kein Strom geliefert wird. Nach Informationen der SZ handelt es sich um einen Grundsatzbeschluss, wonach der städtische Eigenbetrieb weitere Verträge mit Teufelhart ablehnen muss. Außerdem sollte ihm der Strom abgeschaltet werden. Teufelhart entging der Maßnahme, indem er den Anbieter wechselte. Aber seit 1. August verfügt er über keinen Stromlieferanten mehr. Als Erklärung gibt es zwei Versionen: Teufelhart sagt der SZ, dass er gekündigt hat und der neue Vertrag "erst in drei Monaten" wirksam wird. Die Stadtwerke gehen eher davon aus, dass die Stromanbieter die Verträge aufgelöst haben. Wie auch immer: Der Bäcker ist auf die so genannte Ersatzversorgung durch die Stadtwerke für mindestens die nächsten drei Monate angewiesen, weil sie das Stromnetz in ganz Dachau betreiben. Aber wegen des Beschlusses des Werkausschusses aus dem Jahr 2010 darf Teufelhart keine Energie mehr bekommen.

Insolvenzverwalter Pohlmann erklärt dazu, dass die Stadtwerke sich bei ihrem abschlägigen Bescheid nicht auf die "Altverbindlichkeiten" berufen dürften. Die Stadtwerke werden anwaltlich durch Christian Stangl vertreten; er ist auch Fraktionsvorsitzender der CSU im Stadtrat. Stangl bestätigt die Informationen der SZ und betont ausdrücklich: "Es geht nicht um Politik." Es gehe auch nicht um die Altlasten aus dem Insolvenzverfahren, sondern um den Beschluss des Werkausschusses und im weiteren um die Frage, ob sich Teufelhart in der finanziellen Lage befindet, Stromkosten von 9000 Euro und aufs Jahr gesehen von 36 000 Euro zu begleichen. Im Jahr 20o8 hatte Teufelhart Schulden von mehr als 30 000 Euro; Ende 2009 waren es noch ungefähr 17 000 Euro. Danach stellte Teufelhart die Ratenzahlungen ein. Der Werkausschuss muss sich nach seiner Geschäftsordnung ab einer Summe von 10 000 Euro mit Außenständen der Stadtwerke befassen. Aus den Insolvenzunterlagen, die in einem Portal öffentlich einzusehen sind, wird klar, dass Teufelharts finanzielle Probleme mindestens bis ins Jahr 2006 zurückreichen.

Nach Informationen der SZ versuchte Teufelhart noch am vergangenen Sonntag, in einem Telefon-Rundruf Stadtratskollegen davon zu überzeugen, dass der Beschluss des Werkausschusses aus dem Jahr 2010 aufgehoben wird. Er soll versichert haben, die monatlich anfallenden Stromkosten im Voraus zu bezahlen. Seines Wissens ist dieses Angebot bei den Stadtwerken nie angekommen, sagt Rechtsanwalt Stangl.

Aus Stangls Sicht ist Teufelhart kein Opfer der Politik, sondern jahrelang bevorzugt behandelt worden: "Kein anderer hätte in Dachau jemals die Stromkosten so lange gestundet bekommen wie Willy Teufelhart." Die Gründe sieht Stangl in den Verdiensten Teufelharts für die Stadt. Zum anderen sollte sein besonderes kulturelles Engagement gewürdigt werden. Teufelhart hatte gemeinsam mit seiner Frau Marina die erste Livebühne in Dachau eröffnet, die sich vor dem wirtschaftlichen Niedergang zum kulturellen Zentrum entwickelt hatte. Womöglich hatten die beiden die Schulden aus diesem Projekt nicht mehr schultern können. Insolvenzverwalter Pohlmann kann in dieses Desaster nicht eingreifen. Für den vom Bäcker und Stadtrat eigenverantwortlich geführten Betrieb ist er nicht zuständig. Aber er bedauert diese Entwicklung: "Ich habe Herrn Teufelhart schätzen gelernt. Er ist ein Braver, er ist fleißig und arbeitet sich auf."

Die entscheidende Frage indes lautet: Gibt es noch eine Chance, weiter zu machen? Dazu müsste Teufelhart gegen die Stadtwerke eine Einstweilige Verfügung bei Gericht einreichen. Zuständig dafür ist das Landgericht München I, zu dessen Aufgaben rechtliche Fragen aus dem Energiesektor gehören. Dort ist gestern die Schutzschrift der Dachauer Stadtwerke eingegangen, die vorsorglich die Gegenargumente auflisten, warum Willy Teufelhart keinen Strom mehr erhalten wird.

© SZ vom 03.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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