Doping:Anabolika aus dem Untergrund

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Drei Männer aus der Dachauer Kraftsportszene stellten in einem Privatlabor illegal Dopingmittel her. Das Gericht ist überzeugt, dass sie damit handeln wollten.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Zwei Männer aus dem Landkreis haben in einer Wohnung in Dachau ein Untergrundlabor betrieben, in dem sie große Mengen Anabolika herstellten. Die Präparate dienten nach Auffassung des Gerichts nicht nur zum Eigenbedarf, sondern sollten zu einem Großteil gewinnbringend veräußert werden. Das Schöffengericht hat die Männer am Mittwoch zu Haftstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Über einen anderen Mann aus Dachau, der den beiden Hauptangeklagten bei ihrem Vorhaben geholfen haben soll, wurde eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verhängt.

Die drei Männer gerieten ins Visier der Ermittler, als das Zollamt in Köln Ende 2012 ein Paket kontrollierte, das ein halbes Kilo pulverförmiges Testosteron Enanthat beinhaltete. "Das Pulver dient als Rohstoff für Injektionsmittel im Dopingbereich", erklärte die Sachbearbeiterin vom Zollfahndungsamt München. Die Menge sei so groß gewesen, dass sie einem Labor zugewiesen werden musste und mit großer Wahrscheinlichkeit für den Handel bestimmt gewesen sei.

Adressiert war die Postsendung an einen Fitnessstudiobetreiber aus München, der angab, mehrmals Pakete für einen 32-jährigen Mann aus dem Landkreis Dachau angenommen zu haben. Schließlich leitete das Zollfahndungsamt Überwachungsmaßnahmen und Hausdurchsuchungen ein, die neben dem 32-Jährigen zwei weitere in Dachau wohnhafte Männern überführten, 31 und 28 Jahre alt.

Die Angeklagten kannten sich nach eigenen Aussagen aus der Dachauer Fitness- und Kraftsportszene. Sie alle gaben an, über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Dopingmittel konsumiert zu haben. Nachdem seine Hauptbezugsquelle versiegt war, fasste der 32-jährige Angeklagte den Entschluss, die Mittel selbst zu produzieren. Er bestellte hierzu große Mengen chemischer Rohstoffe von Internethändlern aus China, für die er mindestens 1700 Euro investierte. Anschließend holte er die beiden anderen Beschuldigten mit ins Boot. Der 28-Jährige, ein erfolgreicher Amateur-Kampfsportler, orderte von einer einschlägig bekannten österreichischen Firma mehrmals große Bestellungen Laborzubehör per Post zu sich nach Hause. In der Wohnung des 31-Jährigen verkochten die Angeklagten die Rohstoffe schließlich zu konsumfertigem Anabolikum, das sie nach Angaben des 32-Jährigen in 120 bis 140 Ampullen zu je zehn Millilitern abfüllten. Jede der Ampullen hat einen Verkehrswert von 30 bis 35 Euro, erklärte der Staatsanwalt. Um ihr Produkt verkaufen zu können, etikettierten sie die Ampullen mit der Aufschrift "Mucki Juice" beziehungsweise dem Gütesigel "Made in Germany".

Die Angeklagten räumten die Tatvorwürfe ein, nur den gewerbsmäßigen Handel mit den eigens produzierten Dopingmitteln bestritten sie unisono. Tatsächlich konnte auch die Staatsanwaltschaft keinen konkreten Beweis dafür erbringen. Dennoch sagte Amtsrichter Neubeck: "Das Gericht ist davon überzeugt, dass von Anfang an der Gedanke da war, die Ampullen zu verkaufen." Dafür spreche, dass einer der Angeklagten in einem abgehörten Telefonat von Schwierigkeiten im Vertrieb gesprochen habe. Außerdem hätten die Männer ihr Produkt gezielt etikettiert, um damit Handel betreiben zu können. Nicht zuletzt überstiegen die erworbenen Rohstoffe das 820-fache einer geringen Menge, argumentierte der Staatsanwalt.

Der 32-Jährige, laut Richter Neubeck die "treibende Kraft", stand zum Tatzeitpunkt unter einer offenen zweijährigen Bewährungsstrafe, weil er im Jahr 2010 mehr als eineinhalb Kilo Marihuana und 15 Gramm Kokain veräußert hatte. Er wurde Anfang 2015 festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungshaft in München-Stadelheim. Vor diesem Hintergrund verurteilte ihn das Gericht nun zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der 32-Jährige wurde in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt und zurück in die Justizvollzugsanstalt gebracht.

Das Gericht attestierte allen Angeklagten ein hohes Maß an krimineller Energie. "Der Handel mit eigens hergestellten Präparaten unter nicht klinischen Bedingungen und ohne pharmazeutische Kenntnisse birgt ein ganz erhebliches Gefährdungspotenzial", begründete der Staatsanwalt. Während der sechsstündigen Verhandlung zeichneten die Beschuldigten ein düsteres Bild von der Fitness- und Kraftsportszene in Dachau. "In jedem Studio nehmen 80 Prozent der Leute diese Substanzen", sagte einer der Angeklagten. Die Nebenwirkungen reichten von Schlafstörungen über Potenzprobleme bis hin zu Depressionen.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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