Caritas Dachau:"Ein Alarmzeichen"

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Rainer Boeck, Diözesanbeauftragter für Flucht, Asyl und Migration, im intensiven Gespräch mit Christine Torghele-Rüf von der Caritas. (Foto: Toni Heigl)

Auf der Feier zum 25-jährigen Bestehen des Fachdienstes Asyl und Migration der Caritas Dachau blickt der Diözesanbeauftragte Rainer Boeck besorgt auf gesellschaftliche Ressentiments gegenüber Flüchtlingen.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Seit 25 Jahren gibt es den Fachdienst Asyl und Migration der Caritas in Dachau. Am vergangenen Freitag feierten dessen Mitarbeiter und viele Ehrenamtliche aus den insgesamt 14 Helferkreisen im Landkreis das Jubiläum im Pfarrsaal von Sankt Jakob. Etliche Landkreisbürger sind bereits seit 2015 oder noch länger engagiert, die Karlsfelderin Verena Hollis sogar seit 1993. Sie erinnert sich noch genau an die Anfänge der damaligen Caritas-Asylsozialberatung. "Wir haben immer ganz eng zusammengearbeitet", sagte sie.

Das ist auch heute noch der Fall, mittlerweile gibt es im Fachdienst Asyl und Migration sogar zwei Mitarbeiterinnen für die Ehrenamtskoordination. Sie sind unverzichtbar für alle, die sich bei der Betreuung und Begleitung von Asylsuchenden manchmal im Dschungel von Vorschriften und Paragrafen verirren. Denn auch das machte dieser Abend überdeutlich: Die Aufgaben, die Ehrenamtliche übernommen haben, haben sich in den vergangenen Jahren gewaltig geändert.

"Am wichtigsten ist inzwischen, ein Stück zweite Heimat zu sein"

"Ich habe mit Deutschunterricht in einer Unterkunft angefangen, heute geht es um einzelne Asylsuchende und man wird zur Ansprechpartnerin von Behörden und Firmen. Aber am wichtigsten ist inzwischen, ein Stück zweite Heimat zu sein", sagte eine junge Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Es waren diese leisen, eher nachdenklichen Töne, die diesen Abend dominierten.

Zumal gerade die Ergebnisse der aktuellen "Mitte-Studie" der Universität Bielefeld für die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht worden waren. Nach der lehnt mittlerweile mehr als die Hälfte der Befragten Asylsuchende ab. Das ist auch für Rainer Boeck, Diözesanbeauftragter für Flucht, Asyl und Migration "ein Alarmzeichen". Er erinnerte daran, dass aktuell nach Schätzungen der UNO mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind, in Ländern wie beispielsweise Jordanien oder Libanon in "Riesenlagern" ohne Wasser und Versorgung leben müssen, oder in ihren Heimatländern als sogenannte "Binnenflüchtlinge" unterwegs sind.

"Das ist ein Skandal, und was das für jeden einzelnen Flüchtling bedeutet, können wir uns gar nicht ausmalen"

"Das ist eine Katastrophe", sagte er. Für Boeck wird die Flüchtlingsfrage immer dringender, zumal "immer mehr an den Grenzen aufgehalten werden oder im Mittelmeer sterben müssen. Das ist ein Skandal, und was das für jeden einzelnen Flüchtling bedeutet, können wir uns gar nicht ausmalen."

Was die aktuelle restriktive Flüchtlingspolitik für ehrenamtlich Engagierte und die Caritas bedeutet, machte Fachdienst-Leiterin Irmgard Wirthmüller deutlich: "Was wir heute in die Integration investieren, ernten wir morgen", sagte sie. Sie erinnerte an die Anfänge im Mai 1993, als eine Caritas-Beraterin 140 Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft Kufsteiner Straße betreut hatte. Die marode Unterkunft wurde 2016 geschlossen, die Gebäude abgerissen. "Seitdem warten wir auf den versprochenen Neubau, mit der Hoffnung, endlich keine Containerunterkünfte mehr in Dachau zu brauchen", sagte Wirthmüller. Mit der wachsenden Zahl der Flüchtlinge von 2013 an wuchs "in kürzester Zeit das Team der Beratungsstelle von zwei auf 30 Mitarbeiter", um diese "Riesenaufgabe" zu bewältigen. "Gemeinsam mit Landkreis, Gemeinden, Wohlfahrtsverbänden, Rettungsdiensten, Vereinen und Ehrenamtlichen formte sich ein Netzwerk, das bis heute trägt", sagte die Fachdienst-Leiterin. Dieses Netzwerk steht vor immer neuen Herausforderungen, wie etwa die vielen Sorgen und Probleme von geflüchteten Familien. Hier soll die von der Aktion Mensch geförderte aufsuchende Familienberatung des Caritas-Fachdienstes demnächst helfend eingreifen - ein weiteres Rad im Netzwerk von haupt- und ehrenamtlicher Unterstützung für geflüchtete Menschen.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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