Dachauer Bürgerdialog:Brennpunkt Altstadt

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Um die Vorteile einer Fußgängerzone in der Altstadt geht es hier im Gespräch mit Oberbürgermeister Florian Hartmann (rechts). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Einige Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine Fußgängerzone für die Altstadt, andere wollen lieber keine Verkehrsexperimente mehr. Doch beim Bürgerdialog am Schrannenplatz gibt es auch Einigkeit: zum Beispiel darüber, dass die Autoposer-Szene am Schlossberg endlich ausgebremst werden muss.

Von Anna Schwarz, Dachau

Autos brettern den Altstadtberg hinauf, vor der Schranne sind Sonnenschirme aufgespannt und an den Stehtischen tummeln sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung, zum Teil mit Strohhut. Am Montagabend hören sie sich beim "Bürgerdialog: "Wie kann die Altstadt attraktiver werden?" die Sorgen und Wünsche von Bürgerinnen und Bürger an - und die haben einige, obwohl der große Ansturm bei dem heißen Wetter ausbleibt.

Die Anliegen werden an eine Pinnwand mit einem Kartenausschnitt der Altstadt geklebt, gegen Ende der Veranstaltung ist dort kaum mehr ein Platz frei. Anschließend sollen die Vorschläge aus der Bürgerschaft in das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) einfließen, das bis Ende des Jahres erstellt wird. Es soll als "Leitfaden für die Stadtentwicklung der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre" dienen, teilt die Stadt Dachau mit.

Gegen die Poser am Schlossberg

Ein Problem, das die Altstadtbewohner sehr beschäftigt, sind die "Poser vom Schlossberg", die nachts mit dem Auto vom Schlossparkplatz durch die Altstadt etwa in Richtung München heizen. Viele Bürgerinnen wünschen sich auf den bunten Post-Its auf der Pinnwand am Schrannenplatz: "Autotourismus zum Schloss einschränken - vor allem abends und nachts", "Dauerhafter Blitzer in der Auffahrt zum Schloss", "Sperrung Karlsberg 0 bis 8 Uhr" oder eine Schranke an der Auffahrt zum Schlossberg. Um für mehr Nachtruhe zu sorgen, hat die Stadt bereits vor drei Jahren zwei Poller vor dem Schlossparkplatz aufgestellt: "Aber die Poller werden ausgetrickst", gibt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) zu.

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Und zwar so: Die nächtlichen Autoposer rasen, vor der Schließung durch die Poller, also vor 23 Uhr, nach oben zum Schlossparkplatz. Wenn ihre Freunde später hochwollen, fahren sie am Parkplatz in Richtung der Poller, die daraufhin wieder im Boden verschwinden - und so wird den später kommenden Rasern der Weg zum Schloss freigemacht. Es sei daher schwierig, das Problem in den Griff zu bekommen, sagt Hartmann: "Denn aus Datenschutzgründen können wir hier keine Kamera installieren."

Beim Bürgerdialog nimmt er auch eine Petition entgegen, von rund 235 Bürgern mit dem Titel "Sperrung Klosterstraße und Schloßstraße Dachau ab 23 Uhr. Poser und Raser raus aus der Altstadt", sie findet sich online auf dem Portal Open Petition.

Wunsch nach einer Fußgängerzone

Viele Bürger wünschen sich auch eine Fußgängerzone in der Altstadt. Diese Forderung wird auf den Zetteln an der Pinnwand immer wieder geäußert, dort steht etwa: "Fußgängerzone über einen möglichst großen Bereich" oder "Altstadt-Fußgängerzone von 0 bis 7 Uhr". Einer der Befürworter ist der Dachauer Franz Bialetzki. "Eine Fußgängerzone steigert die Lebensqualität", sagt er, "Außengastronomie, Geschäfte und keine Autos", das höre sich doch gut an. Auch Jürgen Schleich aus Dachau könnte sich das gut vorstellen. Die Thomawiese könnte dann als Parkplatz dienen, von dort könnten die Autofahrer mit einem Bus in die Altstadt chauffiert werden, der Wert des Bustickets könnte als Shoppinggutschein eingelöst werden.

Die 70-jährige Florentine Kramer wohnt in der Altstadt und befürchtet hingegen, dass Geschäftstreibende leiden, wenn die Autofahrer nicht mehr vor der Haustür parken dürfen. Sie sagt: "Es ist viel lebendiger mit Autos." Schließlich seien die Geschäftsinhaber bereits wegen der Einbahnstraßenregelung in der Altstadt auf die Barrikaden gegangen, die im Februar gekippt wurde.

Auch einige Bürger fordern auf der Pinnwand: "Bitte nie wieder einen Einbahnstraßenversuch." Andere wiederum plädieren für das Gegenteil und zwar für eine "Einbahnstraßenregelung mit Einbahnbussen". Auf weiteren Zetteln wird gefordert, nur kleinere Busse in der Altstadt einzusetzen, damit sich die Gefährte nicht mehr aneinander vorbeischlängeln müssen. Denn dadurch entstünden Staus.

Für mehr Barrierefreiheit

Eine große Herausforderung ist das Kopfsteinpflaster in der Altstadt, vor allem für Menschen mit Behinderung. OB Florian Hartmann testet es selbst im Rollstuhl aus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie fühlt es sich an, mit dem Rollstuhl über das Kopfsteinpflaster in der Altstadt zu fahren? Das kann man beim Bürgerdialog ebenfalls testen. Den Rollstuhl hat der Behindertenbeauftragte für Stadt und Landkreis, Hartmut Baumgärtner, mitgebracht, er setzt sich für "glatte und schwellenlose Querungen" in Dachaus historischer Innenstadt ein und für mehr Toiletten, vor allem mit Erwachsenenliegen zum Wickeln.

Das Kopfsteinpflaster sei ihm ein Dorn im Auge, darin müssten mehr glatte Fußgängerstreifen integriert werden - sowohl für Menschen mit Behinderung, aber auch für Mütter mit Kinderwagen, so Baumgärtner. Zum Thema Barrierefreiheit fordern die Bürger auf der Pinnwand außerdem einen "Aufzug von der Thomawiese in die Altstadt" und den "Abbau des Kopfsteinpflasters (nach und nach)".

Auch Robert Wanninger aus Dachau würde sich weniger von dem holprigen Unterboden in der Altstadt wünschen: Einerseits wegen der Lärmbelastung, wenn Autos drüber brettern und wegen seines Vaters: "Er ist 84, schwerbehindert und muss wegen des Kopfsteinpflasters aus der Altstadt wegziehen." Oberbürgermeister Hartmann bleibt skeptisch: "Ohne das Kopfsteinpflaster wäre die Altstadt wohl nicht das Gleiche", ein komplett geteerter Altstadtring sei nur schwer vorstellbar. Zudem koste die Erneuerung des Straßenbelags viel Geld, das die Kommune wegen der Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs nicht habe. Er plädiere dafür, das "Pflaster sukzessive auszutauschen" und durch glattere Teilflächen zu ersetzen.

Aufenthaltsqualität verbessern

Alles vollgeklebt: Gegen Ende des Bürgerdialogs ist auf der Pinnwand kein Platz mehr für weitere Wünsche. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Einige Vorschläge der Bürger zielen auch darauf ab, die Aufenthaltsqualität in der Altstadt zu verbessern, auf den Post-Its steht: "Mehr Sitzplätze überall", "Spielplätze für Kinder", "Überdachung Pfarrstraße zwischen Schranne und Bürgerbüro für Open-Air-Veranstaltung" und "Deutlich mehr Gastronomie ansiedeln".

Doch der Wunsch nach florierenden Restaurants kollidiere mit dem der Altstadtbewohner, die sich nachts weniger Lärm wünschen, sagt OB Hartmann: "In der Altstadt gehen die Interessen oft diametral auseinander." Das gilt auch für den Bürgerbiergarten am Schlossberg, einige Dachauer können ihn kaum noch erwarten, der 62-jährige Stephan Schuster bleibt skeptisch: "Wo sollen denn die ganzen Leute parken? Es gibt ja jetzt schon keine Parkplätze." Seine Partnerin Renate Bindl möchte, dass der Hofgarten am Schloss länger geöffnet ist, denn auch an lauen Sommerabenden schließe er bereits um 20 Uhr. Zudem wünscht sie sich für die Altstadt weniger "trashige Geschäfte", wie den "Ein-Euro- oder Bubble-Tea-Laden".

Die Altstadt sei für die Dachauerinnen und Dachauer identitätsstiftend und deshalb schon "immer ein Brennpunkt", wo viele Meinungen aufeinandertreffen, sagt Stadtbaumeister Moritz Reinhold. Nach dem Bürgerdialog wird die Stadtverwaltung die Vorschläge nun dokumentieren und demnächst im Bau- und Planungsausschuss vorstellen.

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