Bürger für Dachau:"Das schreit förmlich nach einem Verstoß"

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Ein Kaminkehrer schreibt seine Kunden an und bittet um Unterstützung für Ullmanns Liste. Er selbst steht auf Nummer zwei.

Von Benjamin Emonts

Kaminkehrer kehren Kamine. Die wenigsten machen parallel auch noch Wahlwerbung. (Foto: dpa)

Am vergangenen Dienstag hat eine Dachauerin Post von ihrem Kaminkehrer Norbert Winter bekommen. "Sehr geehrte Kunden", heißt es darin, "ich komme heute mit einer vermutlich für Sie ungewöhnlichen Bitte auf Sie zu". Winters Anliegen: "Ich bitte Sie auch im Namen der gesamten Wählergruppe "Bürger für Dachau - BfD", sich in die Unterstützerlisten im Bürgerbüro der Stadt Dachau einzutragen." Die nach eigenen Angaben parteilose aber politisch interessierte Dachauerin - sie möchte anonym bleiben - ärgert sich maßlos über den Brief. Den Kaminkehrer kann sich die Frau nicht aussuchen. Sie sagt: "Mich ärgert die Art und Weise, wie jemand, mit dem ich gezwungenermaßen zu tun habe, meine Daten für seine politischen Zwecke missbraucht. In der Form bin ich noch nie belästigt worden."

Tatsächlich gilt es nun zu prüfen, ob Bezirksschornsteinfeger Norbert Winter mit seinem Rundschreiben widerrechtlich gehandelt hat. In Paragraf 19, Absatz 5 des Schornsteinfeger-Handwerksgesetz steht geschrieben, dass Schornsteinfegermeister "die Daten von Kunden nur dann nutzen dürfen, soweit das zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist".

Bei Thomas Petri, dem bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz, liegt der Fall bereits auf dem Schreibtisch. Noch möchte Petri sich nicht festlegen, ob ein Gesetz missachtet wurde - auch weil bei den Schornsteinfegern eine gesetzliche Gemengelage zwischen dem privatwirtschaftlichen und dem öffentlichen Bereich vorliege. Fakt sei aber, dass ein Bezirksschornsteinfegermeister vom Staat beliehen und damit an "hoheitliche Befugnisse" gebunden sei. Demnach gebe es eine "strikte Zweckbindung, von der nicht die Werbung für ein politisches Amt profitieren darf". Soll heißen: "Wenn er die Kundendaten aus seinem Kehrbuch dafür benutzt, dann schreit das förmlich nach einem Verstoß." Ein Prüfverfahren hat Petri dementsprechend bereits eingeleitet. "Die betreffende Person wird demnächst Post erhalten und die Gelegenheit bekommen, Stellung zu nehmen."

Für die Wählergruppe "Bürger für Dachau" wird der Ausgang des Prüfverfahrens zumindest rechtlich folgenlos bleiben. Der Kreiswahlleiter des Dachauer Landkreises, Michael Laumbacher, erklärt: "Kommunalwahlrechtlich hat die Art und Weise, wie man für sich wirbt, keine Konsequenzen." Wie jedoch die Bürger auf das gewagte Schreiben von Norbert Winter reagieren, bleibt abzuwarten. Die Frau aus Dachau findet Winters Vorpreschen jedenfalls dreist und unverschämt: "Alle anderen stehen am Marktplatz, teilen Zettel aus und sprechen Bürger an." Zu den anderen zählt beispielsweise Elisabeth Schilhabel. Wie die Bürger für Dachau muss auch die Liste der Stadträtin, "Schilhabels Liste", bis zum 3. Februar 215 Unterschriften von Dachauer Bürgern gesammelt haben, sofern sie an den Kommunalwahlen teilnehmen will. Die Wählergruppe informiert die Bürger täglich vor dem Bürgerbüro über ihre Wahlziele und geht etwa auf dem Markt direkt auf die Leute zu. Der Erfolg hält sich jedoch in Grenzen: Erst am Montag hat Schilhabel der Presse mitgeteilt, dass ihre Liste noch lange nicht die obligatorischen 215 Unterschriften beisammen hat und "dringendst" Unterschriften braucht.

Glaubt man Horst Ullmann, haben seine "Bürger für Dachau" weniger Probleme: "Wir sind auf einem guten Weg." Von Winters Rundschreiben, der auf Listenplatz 2 steht, will Ullmann nichts gewusst haben: "Es reicht, die anzusprechen, die ich kenne." Trotzdem erscheint es merkwürdig, dass Norbert Winter in seinem Brief "im Namen der gesamten Wählergruppe" schreibt. Er selbst sagt: "Ich ging davon aus, dass das den anderen auch recht ist."

Vielen seiner Kunden aber anscheinend nicht. "Das weiß ich inzwischen auch, und es tut mir leid", sagt Winter. Er habe schließlich nichts Böses im Sinn gehabt und die Daten nur zu persönlichen Zwecken verwendet. Vielleicht liegt genau hier das Problem.

© SZ vom 28.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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