Bühne:Die unbekannten Nachbarn

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Gemeinsam lachen: Steffen Möller schlägt sich mal auf diese, mal auf jene Seite und bringt so Deutsche und Polen zum Schmunzeln. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kabarettist Steffen Möller bringt den Dachauern polnische Sitten und Gebräuche näher, aber auch derbe Witze fehlen nicht

Von Jana Rick, Dachau

Etwa 70 Prozent der Deutschen waren noch nie in Polen. Eine unverständlich hohe Zahl findet Steffen Möller und tritt deshalb in ganz Deutschland als Kabarettist auf, um genau das zu ändern. So zählt sein Auftritt "Auf nach Polen" natürlich auch zum Programm der ersten Deutsch-Polnischen Kulturtage Dachaus und setzt den drei Tagen einen krönenden Abschluss.

Die Polen kennen ihn als Fernsehstar der Telenovela "L wie Liebe", in der Steffen Möller einen deutschen Kartoffelbauern spielt. Die Deutschen kennen ihn als Autor einer Reihe von Polenkomödien, wie zum Beispiel das Buch "Viva Polonia". Seine Biografie auf der ersten Seite beginnt mit "Steffen Möller lebt seit 1994 freiwillig in Polen". Damals kam er als neugieriger Wuppertaler in das slawische Land. Inzwischen hat er viele Geschichten und Erfahrungen gesammelt. Am Samstag erzählte er den etwa 240 Besucher im Ludwig-Thoma-Haus einige von ihnen. Im Publikum saßen übrigens auch viele Polen.

Zweifel, dass Möller wirklich beide Kulturen zum Lachen bringen kann, sind nach wenigen Sekunden verflogen. Er sitzt zwischen der polnischen Flagge und dem Wappen Krakaus auf der Bühne und nimmt sein Publikum mit auf seine Reise zum Sprachkurs. Möller will den Dachauern ein bisschen dieses noch immer recht unbekannte Nachbarland Deutschlands zeigen. "Damit Sie dann morgen sagen können: Ich war in Polen!". Und so spielt er auf der Bühne mal den polnischen Touristenführer, mal den naiven jungen Wuppertaler, der seine Angst überwand und in den Zug ins ungewisse Polen stieg. Mit wenigen, aber sehr treffenden Bildern zeigt Möller das Schloss in Krakau und die Marienkirche. Auch das bekannte Trompetensignal mit seiner Legende lässt der Polenkenner nicht aus und die, die noch nie in Polen waren lernen, dass Tag und Nacht zwei Falken um den Kulturpalast in Warschau fliegen.

An einigen Stellen wechselt der Kabarettist plötzlich ins Polnische und die Polen im Publikum lachen, während die Deutschen die Pointe nicht so ganz verstehen. Dafür helfen die Muttersprachler den "Anfängern", wie Möller sie nennt, bei den Sprachübungen. Denn er besteht darauf, dass alle wenigstens beim Verlassen des Saales die wichtigsten polnischen Wörter beherrschen und damit in Polen überleben könnten. "Przepraszam" gehört für ihn dazu, was "Entschuldigung" bedeutet. Nun steht er als Polnischlehrer auf der Bühne und erklärt, dass man das "sz" im Wort "sche" ausspricht. Außerdem gibt es sieben Fälle im Polnischen, aber er macht dem Publikum Mut, er habe ja auch mal "bei Null angefangen". Alle sollen ihm das neue Wort nachsprechen, das Publikum folgt brav, doch er verzieht das Gesicht. Man müsse das "R" rollen, sonst mache man sich in Polen mit der Aussprache lächerlich.

Fast nach jedem Satz von Möller wird laut gelacht, auch wenn manchmal Insider schneller kapieren als andere. Selbst bei derben Polenwitzen, von denen sich Möller natürlich ausdrücklich "distanziert". Er kann es aber einfach nicht lassen, sie trotzdem zu erzählen: "Was ist der Unterschied zwischen einem Arzt und einem Polen? Der Pole weiß, was dir fehlt." Bemerkenswert ist, dass sogar die Polen im Publikum schmunzeln. Das wohl größte Vorurteil über Polen ist wohl das Klauen. Auch darüber wird an diesem Abend viel gelacht. In der Pause klagt eine Dame: "Meine ganze Schminke ist weg." Ein anderer dreht sich um und scherzt: "Geklaut?".

Aber Möller verschont auch die Deutschen nicht: Während man in Polen lange überlegt, um seinen Kollegen vor dem Fest dann liebevoll formulierte Weihnachtswünsche mitzugeben, ist die Sitte in Deutschland viel nüchterner. Möller streckt die Hand aus und wünscht mit tiefer, kalter Stimme: "Frohes Fest". Das war's.

Klar, gibt es auch Tabus in Polen: So sind Witze über den Papst eindeutig ein Fauxpas. Und: "Lassen Sie Ihre Russischkenntnisse bitte in Dachau", empfiehlt Möller. Denn Vergleiche zwischen Russisch und Polnisch gelten als Affront. Ja, man lernt schon einiges über das Nachbarland. Und die Dachauer kommen kaum aus dem Staunen heraus, als Möller ihnen erzählt, dass Polen das Land ist, indem die meisten Deutsch lernen. Oder, dass die polnische Sprache fast 500 deutsche Lehnwörter benutzt. Der Kabarettist liest einen kurzen Text vor, in dem fünfzig polnische Wörter vorkommen und alle im Raum verstehen ihn, trotz Wörtern wie "kilometr", "katastrofa" und "bruderszaft". Ein eindeutiges Erfolgserlebnis für alle, die eigentlich kein Polnisch können.

Aber warum waren die meisten noch nicht in Polen? "Ich komme halt nicht aus dem Wuppertal", antwortet ein Dachauer. Möller gibt sich geschlagen. Aber er gibt nicht auf: Fünf bekommen einen Spitznamen. Aus Georg wird "Surek", aus Tanja "Tanjaka" - man spricht sich eben nicht mit Nach- oder Vornamen an. Und dann gibt es noch eine Sitte, der man sich kaum entziehen kann: Auf eine Einladung folgt eine Gegeneinladung. Und diese würden bestimmt mehr als 70 Prozent im Saal ohne zu Zögern annehmen, schmunzelt der Polenliebhaber.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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