BRK-Rettungsdienst in Dachau:Die neue Einsatzleiterin

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Mit gerade einmal 24 Jahren ist Marie Praß Cuenca die erste weibliche Einsatzleiterin des Rettungsdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz im Landkreis - obwohl ihr Beruf schon lange keine Männerdomäne mehr ist

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Liste ihrer Ämter ist lange: Marie Praß Cuenca ist seit 2017 stellvertretende Wachleiterin im Kreisverband Dachau des Bayerischen Roten Kreuz (BRK), managt die Rettungswache in Gröbenried, engagiert sich im Katastrophenschutz, bei der Wasserwacht, gibt Fortbildungen, und nun ist sie auch noch die erste weibliche Einsatzleiterin im gesamten Landkreis - und all das mit gerade einmal 24 Jahren.

Eigentlich wollte Praß Cuenca nach dem Abitur Medizin studieren. Weil ihr Abischnitt mit 2,5 zu schlecht gewesen wäre, um direkt einen Studienplatz zu bekommen, hat sie sich dafür entschieden, erst einmal eine Ausbildung zur Rettungsassistentin zu machen. Sie habe so testen wollen, ob der Bereich Medizin überhaupt das richtige für sie ist. Mittlerweile kann sie sich keinen besseren Job - und vor allem keinen besseren Arbeitgeber - mehr vorstellen.

Vom Team des Dachauer Kreisverbands des BRK werde sie mitgenommen, ja förmlich mitgerissen, sagt Praß Cuenca. Jeder, der wie sie, dazulernen und Verantwortung übernehmen wolle, werde gefördert. In einem so großen Verband wie dem Roten Kreuz, in dem sich die Mühlen sonst eher langsam drehen, sei ihr Kreisverband mit seinem jungen Führungsteam eine Ausnahme, sagt Praß Cuenca. Sie selbst ist das beste Beispiel.

Wovon sie selbst profitiert hat in den letzten sechs Jahren beim BRK, das will sie an andere weitergeben. "Ich nehme gerne Leute mit auf dem Weg, so wie auch ich damals mitgenommen wurde", sagt die Praß Cuenca. Das Gefühl, das sie als noch sehr junge Frau weniger ernst genommen wird, hatte sie bislang nie. "Als Frau hat man im Rettungsdienst die Chance, sich zu beweisen", sagt Praß Cuenca. Es sei ein Knochenjob. Verletzte oder bewegungsunfähige Patienten tragen, das sei schwer, aber auch ganz normal - jeder mache die gleiche Arbeit und wenn man die gut mache, dann sei man irgendwann nicht mehr Mann oder Frau, sondern einfach ein Teammitglied wie jedes andere. Vor zehn Jahren, ja, da sei das sicherlich noch anders gewesen. Da sei der Beruf des Rettungsassistenten noch eine absolute Männerdomäne gewesen. "Aber die, die Brücken geschlagen haben, das waren andere Frauen vor mir", sagt sie.

In ihrer neuen Funktion als Einsatzleiterin ist Marie Praß Cuenca für die Koordination von Einsätzen zuständig. (Foto: Toni Heigl)

Diese Annahme belegen auch die Zahlen: Von den 320 Mitarbeitern seien mittlerweile deutlich über die Hälfte weiblich, sagt Dennis Behrendt. Der stellvertretende Kreisgeschäftsführer schätzt, dass es um die 220 sind. Und dieser Trend wird sich wohl fortsetzen: Von den fünf Auszubildenden im Bereich der Rettungsassistent sind drei Frauen. Und wie sieht es in der Führungsriege aus? Im Kitabereich würden Frauen 90 Prozent aller Leitungskräfte stellen, so Behrendt. Im Bereich Rettungsdienst sei Praß Cuenca jedoch tatsächlich bislang die einzige Frau.

Geboren wurde Praß Cuenca in Bielefeld. Bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr lebt sie allerdings nun schon in der Großen Kreisstadt. "Ich bin heimatverliebt und wenn ich Heimat sage, dann meine ich Dachau", sagt die Frau, die neben der deutschen, auch die spanische Staatsbürgerschaft hat. Dadurch habe sie zum einen die nötige Gelassenheit und zum anderen die nötige Strukturiertheit, sagt Praß Cuenca. Beides sei wichtig in ihrem Job. Immerhin hat sie in ihrer neuen Funktion die Verantwortung für die Dienstpläne von rund 50 hauptamtlichen Mitarbeitern der Rettungswache, sowie die Koordination der Einsätze der Ehrenamtlichen im Rettungsdienst.

Als Frau in einer Führungsposition beim BRK immer noch die Ausnahme: Marie Praß Cuenca (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Klientel bei den Einsätzen, sagt Praß Cuenca, das seien größtenteils Menschen ab 70 Jahren. Einmal habe sie sogar eine Dame behandelt, die 102 gewesen sei. Die nur mit dem Fahrrad umgefallen, aber ansonsten noch ganz fit gewesen sei. Die habe ihr geraten, sich bloß nicht zu verbiegen. Praß Cuenca hat sich diesen Rat zu Herzen genommen. Mit ihrer offenen Art scheint sie anzukommen - bei Kollegen, wie Patienten gleichermaßen. Tipps, wie den von der alten Dame, bekommt Praß Cuenca oft zu hören.

"Wenn man Einsätze fährt, hört man viele lustige Geschichten, bekommt Lebensweisheiten mit auf den Weg - oder manchmal auch Einrichtungstipps aus fremden Wohnungen", sagt sie. Natürlich gibt es aber auch schlimme Momente: Bei einem ihrer ersten Einsätze, als sie noch in der Ausbildung war, ist ein 19- Jähriger gestorben. Es ist ein Moment, den sie wohl nie vergessen wird. Er war schlimm - aber er hat ihr auch gezeigt, dass sie das kann: schlimme Dinge, Tod und Krankheit sehen, ohne daran zu zerbrechen. "Manchmal erzählen wir uns Einsätze auch drei- oder viermal. Das hilft", sagt Praß Cuenca. Was ihr darüber hinaus eigentlich immer hilft, ist ein langer Spaziergang mit ihrem Golden Retriever Takko. "In meinem Beruf muss man von jetzt auf gleich umschalten können." Das sei oft so stressig, da sei man im Alltag über ein bisschen Ruhe ganz froh, sagt Praß Cuenca.

Weil sie selbst aber offenbar nahezu stressresistent ist, überlegt sie sich, neben ihren vielen Tätigkeiten auch noch ein Studium anzufangen. Gerne würde sie jetzt statt Medizin Personalmanagement studieren, wahrscheinlich an einer Fernuniversität. So könnte sie in Dachau wohnen und beim Bayerischen Roten Kreuz bleiben. Ob das nicht irgendwann langweilig werde? "Der Beruf ist alle zehn Jahre ein komplett neuer, weil sich der Wissens- und Technikstand ständig weiterentwickelt", sagt Praß Cuenca. Das sei eine Herausforderung - aber der stellt sich die 24-Jährige, wie alle anderen, gerne.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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