Brauchtum:Miesbacher Reminiszenzen

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Die Schlossbergler pflegen zwei Schwerpunkte: Die Tracht und den Tanz. (Foto: Toni Heigl)

Seit 90 Jahren pflegen die Schloßbergler die Tracht des Oberlandes, weil viele Menschen damals von dort nach Dachau gezogen waren. Die große Aufgabe der Zukunft ist es, junge Mitglieder für die Tradition zu begeistern.

Von Johannes Korsche, Dachau

Wenn ein Verein, der Traditionen und Bräuche pflegt, nur lange genug besteht, wird er selbst zur örtlichen Tradition. Wie der "Trachtenerhaltungsverein D'Schloßbergler". Im März 1926 gegründet, widmet sich der Verein seitdem vor allem dem bayerischen Volkstanz, vornehmlich dem Schuhplattler sowie der Gebirgstracht. Die Schloßbergler veranstalten Schafkopfrennen, Vereinsabende und treten bei Trachtenumzügen und Preistänzen auf. Der Heimatpflegeverein will das bayerische Brauchtum "von Generation zu Generation weitergeben und damit unsere Kultur erhalten", erzählt der Vereinsvorsitzende Werner Hechenberger. Besonders wichtig ist ihnen dabei der Zusammenhalt unter den Mitgliedern: "Einmal Trachtler, immer Trachtler."

Vorsitzender Hechenberger: "Ich bin mit dem Verein aufgewachsen."

Hechenberger engagiert sich seit 40 Jahren bei den Schloßberglern, seit 2013 als Vorsitzender. Wenn er "von Generation zu Generation" sagt, beschreibt er, wie er zu dem Trachtenverein gekommen ist. Denn schon seine Kindheit verbrachte er auf Vereinsabenden und Ausflügen mit den Schloßberglern. "Ich bin mit dem Verein aufgewachsen." Seine Mutter war lange Zeit "Dirndl-Sprecherin", kümmerte sich also um die Frauen im Verein. Sein Vater war "Fähnrich". Er ging bei Trachtenumzügen an der Spitze der Prozession und schwenkte die Vereinsfahne; eine ehrenhafte Aufgabe im Verein. Das Engagement im Trachtenverein hat sich für Hechenberger daher wie selbstverständlich ergeben. Eine Kindheit bei den Schloßberglern ist allerdings nicht Voraussetzung für eine Mitgliedschaft.

"Jeder ist willkommen", sagt Hechenberger. Auch Flüchtlinge. Zwar würden sie sich als Verein natürlich Sorge um die bayerische Kultur machen, wenn sie auf die neu nach Dachau kommenden Menschen blicken. Aber: "Wir, Trachtenvereine müssen umdenken." Kulturen würden sich in Zukunft vermischen, es komme daher auch für die Trachtenvereine zu Veränderungen. Ein großes Problem scheint das für Hechenberger nicht zu sein: "Es heißt ja nicht unbedingt, dass nur Bayern einen Schuhplattler lernen können."

Wer in die Welt der Schloßbergler eintauchen will, sollte die Jubiläumsfeier am Samstag, 2. April, besuchen. Gewissermaßen ist das Vereinsleben auf diesen einen Tag komprimiert. Ein Gottesdienst in der Dachauer Kirche Sankt Jakob gedenkt den ehemaligen Mitgliedern, ein Trachtenumzug von der Kirche zum Ludwig-Thoma-Haus präsentiert anschließend die Vereinstracht und Vereinsfahne. Im Ludwig-Thoma-Haus angekommen, stellen Ehrentänze das Herzstück des Vereins vor: das Schuhplatteln. Mit den einstudierten Tänzen fährt der Verein normalerweise auf sogenannte Preisplatteln. Nicht das Gewinnen ist den Schloßberglern dabei wichtig, sondern das "Tanzen und Feiern, das gesellige Beisammensein", sagt Hechenberger - ganz im Sinne des Vereinsmottos "Gmiatli samma".

Der zweite Leitspruch, an dem sich der Verein orientiert, klingt schon traditionsbewusster: "Treu dem guten, alten Brauch." Für die Schloßbergler bedeutet das vor allem die Pflege der Miesbacher Gebirgstracht. "Wegen den Wäldern und der damit verbundenen Arbeit kamen um 1900 viele aus dem Oberland nach Dachau", erklärt Hechenberger die Wahl der Vereinstracht. Die Arbeiter hätten ihre Tracht aus den Heimatdörfern mitgebracht.

Die Gründer waren zuvor noch Teil des Dachauer Trachtenvereins "D'Ampertaler" gewesen. Doch nach "handfesten Meinungsverschiedenheiten", wie es auf der Internetseite der Ampertaler heißt, spaltete sich eine Gruppe ab, am 17. März 1926 auch offiziell. Im Gasthof Drei Rosen gründeten 20 Trachtler die Schloßbergler, benannt nach dem Dachauer Schloss auf dem Karlsberg. Heute ist von den "handfesten Meinungsverschiedenheiten", die zur Gründung des zweiten Dachauer Trachtenvereins führte, keine große Rivalität geblieben: "Wir verstehen uns super", sagt Hechenberger.

Teures Hobby: Die Tracht für eine Frau liegt bei 4000 Euro, für einen Mann bei 2000 Euro

In der Anfangszeit wuchs der Verein stetig. Auch als der Gründer Josef Bachmeier nach Amerika auswanderte, lösten sich die Schloßbergler nicht auf - trotz einiger Probleme. Erst zehn Jahre nach der Gründung hatten die Vereinsmitglieder genügend gespart, um sich eine Vereinsfahne leisten zu können. Noch heute ist diese Fahne auf Umzügen "unser Markenzeichen", sagt Hechenberger.

Geldsorgen sind auf andere Art und Weise Teil des Vereinslebens geworden, denn inzwischen ist selbst die Grundausstattung ein Luxusgut geworden: "Bis man eine ordentliche Tracht zusammen hat, kommen bei den Frauen schnell 4 000 Euro zusammen." Die Zusammenstellung der Tracht ist bis ins kleinste Detail vorgeschrieben, der Schmuck muss beispielsweise aus echtem Silber sein. Anders könne man sich auf Trachtenschauen, bei denen das Aussehen der Vereine bewertet wird, nicht blicken lassen. Die Tracht der Männer ist mit gut 2 000 Euro dagegen regelrecht preisgünstig. Für Neumitglieder besitzen die Schloßbergler daher einen Fundus an alten Trachten.

Trotzdem kämpfen sie um Nachwuchs. "Wir konkurrieren mit den modernen Unterhaltungsmedien." Da sei es schwer, Kinder und Jugendliche für die Themen des Vereins zu motivieren und begeistern. Noch sind es 60 Mitglieder bei den Schloßberglern, Altersdurchschnitt steigend. Auch wenn man den neunjährigen Sohn und die 13-jährige Tochter von Hechenberger als Mitglieder zählt. "Meine Tochter tanzt mit mir den Volkstanz", erzählt Hechenberger stolz. Beide wachsen bei den Schloßberglern auf, wie einst ihr Vater; von Generation zu Generation.

Jubiläum des Gebirgstrachtenerhaltungsvereins D'Schloßbergler: Samstag, 2. April. Gottesdienst in Sankt Jakob, 16 Uhr. Danach Umzug.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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