Bio-Schnittblumen aus Markt Indersdorf:Es blüht und brummt

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Wolfram Seeber baut in Markt Indersdorf Schnittblumen nach biologischen Maßstäben an. Die Arbeit ist mühsam und wenig lukrativ, doch sie ist ein wichtiger Beitrag zu Naturschutz und Erhaltung der Artenvielfalt

Von Dajana Kollig, Markt Indersdorf

Die rosa Blütenköpfe wirken in Wolfram Seebers Hand wie kleine Tierchen, so behutsam begutachtet der Biogärtner die Pfingstrosen. "In der Landwirtschaft muss jeder nach seinem Gewissen entscheiden", meint er und wendet sich seinen Blumenfeldern zu, auf denen er seit zehn Jahren biologische Schnittblumen anbaut. Zum Muttertag, Valentinstag oder Hochzeitstag: Schnittblumen sind ein beliebtes Geschenk. Meistens kommen sie jedoch gar nicht aus Deutschland, sondern werden in Afrika unter katastrophalen Bedingungen angebaut. Arbeiter werden ausgebeutet und die Blumen mit extrem vielen Pestiziden behandelt. Auch in Deutschland werden Schnittblumen stark gespritzt. Der Gärtner Wolfram Seeber versucht, diesem Zustand entgegenzuwirken und den Kunden eine Alternative in Form von Bioschnittblumen zu bieten. Die Gärtnerei in Indersdorf ist damit eine absolute Ausnahme. In ganz Deutschland pflanzen nur eine Handvoll Gärtner Schnittblumen nach biologischen Maßstäben an.

Wolfgang Seebers Blumenwiese sieht nicht nur schön aus. Durch den Verzicht auf Pestizide können auch Bienen hier gefahrlos Nektar und Pollen sammeln. (Foto: Toni Heigl)

Bioschnittblumen, das bedeutet, dass die Blumen ohne die Verwendung von konventionellen Dünger angepflanzt und gezogen werden. Außerdem achtet Seeber darauf, dass der Wasser- und Energieverbrauch gering bleibt. Die Zwiebeln muss er dennoch meist zukaufen. Züchter von Biozwiebeln gibt es kaum und wenn, befinden sich diese meist im Ausland. Um hier Zwiebeln oder Stecklinge zu bestellen, muss allerdings erst mal nachgewiesen werden, dass sie regional nicht erhältlich sind. "Es geht oft nicht anders", sagt Seeber zerknirscht. "An den Nahtstellen gibt es noch viele Fragezeichen". Er versucht, viele Pflanzen selbst zu vermehren, dieses Jahr ist es ihm bei den Kräutern zum ersten Mal in größerem Umfang gelungen.

Für Seeber spielt auch der soziale Faktor eine Rolle. Er achtet auf die Bezahlung der Arbeiter, auch in den Supermarktketten, an die er seine Pflanzen verkauft. (Foto: Toni Heigl)

Seit 45 Jahren pflanzt der Gärtner bereits Schnittblumen an, vor zehn Jahren stellte er auf eine ökologische Landwirtschaft um. Er selbst möchte seine Entwicklung nicht als Umstellung bezeichnen. Er habe schon immer versucht, sich mit den Pestiziden zurückzuhalten. Außerdem hatte er vor 40 Jahren bereits den Versuch gewagt, seinen Betrieb nachhaltig auszurichten. "Damit bin ich erst mal ordentlich auf die Schnauze gefallen", sagt Seeber heute. Der Markt musste sich erst noch entwickeln, die Nachfrage war damals noch nicht gegeben.

Wolfram Seebauer auf seiner Blumenwiese. (Foto: Toni Heigl)

Heutzutage gibt es eine Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit, Bio liegt im Trend. Das bemerkt auch Seeber. Vor zehn Jahren hat er sich nochmals an sein Herzensprojekt, Bioschnittblumen, gewagt, diesmal mit Erfolg. "Irgendwann hatte ich die finanzielle Sicherheit sagen zu können, so, jetzt ist es mir egal, ob ich damit Geld verdiene", meint Seeber dazu. Mittlerweile springen mehr Kollegen auf den Trend auf und pflanzen im kleinen Rahmen einzelne Blumen nach Biorichtlinien an.

Mittlerweile springen mehr Kollegen von Seeber auf den Trend auf und pflanzen im kleinen Rahmen einzelne Blumen nach Biorichtlinien an. (Foto: Toni Heigl)

Die Bienen haben ebenfalls ihren Teil zu einem größeren Bewusstsein in der Bevölkerung beigetragen. Durch das Volksbegehren für mehr Artenvielfalt steht das Thema Artenschutz im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Um die Insekten zu schützen greifen mehr und mehr Verbraucher auf heimische Pflanzen für ihre Gärten zurück. Das merken auch die Gärtnereibetriebe, immer häufiger verlangen Kunden bienen- oder insektenfreundliche Pflanzen. Als Gärtner bemerkt Seeber das Artensterben besonders. Tiere wie der Schwalbenschwanz, die früher häufig waren, sind heute seltene Gäste auf den Feldern.

Auch inzwischen selten gewordene Tiere sind auf Seebers Wiese immer mal wieder anzutreffen, so zum Beispiel auch der Feldhase. (Foto: Toni Heigl)

Auch der Klimawandel macht sich mehr und mehr bemerkbar. "Unsere Blümchen reagieren sofort auf die höheren Temperaturen", sagt Seeber. Besonders die Wetterextreme machen dem Gärtner zu schaffen. Die Beeinflussung ist wechselseitig. Die Landwirte und Gärtner leiden unter den veränderten klimatischen Bedingungen, tragen aber auch ihren Teil zu der Veränderung der Ökosysteme bei. Durch die einseitige Bewirtschaftung von Feldern und die starke Düngung, wachsen fast nur noch widerstandsfähige Gräser auf den Blühstreifen. Der Dünger wird durch den Regen von den Feldern auf die umliegenden Gebiete geschwemmt.

"Wer sich an frühere Zeiten erinnert, als Mohn- und Kornblumen an den Feldern blühten, wundert sich nicht, dass die Insekten aussterben", meint Seeber. Heute sind die Felder monoton, keine Wildpflanzen, keine Tiere. Auf den naturbelassenen Feldern summt und brummt es. Dagegen wirken die konventionell bepflanzten Felder fast gespenstisch still. "Es hängt einfach alles zusammen", sagt Seeber. Auf seinen Feldern sehe er häufig Feldhasen oder Rebhühner, die als vom Aussterben bedroht gelten.

Ein weiterer Faktor, den Seeber bei seinem Anbau von Schnittblumen beachtet, ist der regionale Aspekt. Blumen, die durch ganz Deutschland transportiert oder aus Afrika eingeflogen werden, sind für den Biogärtner nicht vertretbar. Er hat auch die Zusammenarbeit mit einem Biosupermarkt beendet, weil dieser nicht-regionalen, aber kostengünstigeren Produkten den Vorrang gegeben hatte.

Außerdem spielt für Seeber der soziale Faktor eine Rolle. Er achtet auf die Bezahlung der Arbeiter, auch in den Supermarktketten, an die er seine Pflanzen verkauft. Zustände wie bei der Rosenproduktion in Afrika, wo die Arbeiter für einen Hungerlohn schuften, sind für ihn unerträglich mit anzusehen. "Sie können sich ja vorstellen, was da gespritzt wird, und die Leute arbeiten dann mittendrin", sagt Seeber. Deswegen verwirft er auch das Fairtrade-Siegel bei Rosen als "Selbstbeweihräucherung". Es sei zwar besser für die Arbeiter, wenn sie zumindest anständig bezahlt werden, das ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass die ökologische und gesundheitliche Belastung durch die Blumenproduktion enorm sei. "Ein bodenloser, ökologischer Schwachsinn", meint der Biobauer dazu. Trotz aller Mühen bleibt es ein idealistisches Konzept. "Wir machen das so, dass wir davon leben können" sagt Seeber. "gewinnorientiert ist unser Betrieb nicht".

Bioschnittblumen sind nach wie vor eine Seltenheit. Die Nachfrage steigt zwar, das Bewusstsein für eine nachhaltige Entwicklung ist aber im Bereich der Schnittblumen noch lange nicht so ausgeprägt wie bei Lebensmitteln. Die Menschen reagieren meist verwundert, wenn Seeber von seinen Blumen erzählt. "Aber die isst man doch gar nicht", sei das Hauptargument der Skeptiker.

Für Seeber ist Bio, etwas anders machen zu wollen. "Das müssen wir Älteren in die Hand nehmen, diejenigen, die den finanziellen Spielraum dazu haben", so der Biogärtner. Nur so kann den nachfolgenden Generationen ein alternativer Weg aufgezeigt werden.

© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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