Bergkirchen:Kommt ein Hund zum Friseur

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Waschen, Schneiden, Föhnen: Buddy kann sich wieder sehen lassen. Etwa zwei Stunden braucht Andrea Salvermoser-Hiermer für einen Kunden in ihrem Salon. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Als junge Frau wollte Andrea Salvermoser-Hiermer Friseurin werden. Drei Jahrzehnte später hat sie sich den Traum vom Salon erfüllt.

Von Anna-Sophia Lang, Bergkirchen

Eine feine, weiße Schicht aus Hundehaaren bedeckt jeden Quadratzentimeter des Raumes. Die Haare kriechen in alle Ecken, kletten sich an der Kleidung fest und bilden fluffige Knäuel auf dem Boden. Immer, wenn Andrea Salvermoser-Hiermer den großen Föhn anwirft, steigen sie in die Luft und bilden einen Wirbelsturm aus Hundehaar. Gemächlich schweben sie danach herunter und betten sich wie falsche Schneeflocken auf die Oberflächen. Salvermoser-Hiermer stört sich daran nicht. Die 53-Jährige lacht. Dieses Zimmer, mit all seinen Hundehaaren, ist ihr Traum. In diesem Frühjahr hat sie ihn sich endlich erfüllt. Sie hat ihren eigenen Hundesalon eröffnet.

Benannt hat sie ihn nach ihrem Hund: Gucchi. Der ist erstaunlich agil für sein Alter. Zehn Jahre, das entspricht 77 Menschenjahren. Das erste Lebensjahr zählt für 14, jedes weitere für sieben, erklärt die Besitzerin. Da ist nicht jeder so fit wie Gucchi, der hereingestürmt kommt, als die Tür kurz einen Spalt offen steht. Dabei klingt sein Name weniger nach einem wuseligen Terriermischling. Gucchi, das verströmt ein Aroma von Luxus, Krönchen und pinken Kissen. Auch wenn man das namensverwandte Luxus-Kleidungslabel eigentlich ohne H schreibt. Pink und glitzernd ist an Salvermoser-Hiermers Salon allerdings nichts. Der schmale Raum ist in einem sauberen Weiß gestrichen. Nur der verschnörkelte Schriftzug "Wellness Oase" mutet prinzessinnenhaft an. Darunter steht die Edelstahl-Dusche, speziell für Tiere und höhenverstellbar, gegenüber ein Tisch, auf dem die Hunde während der Behandlung stehen. Dazu ein Stuhl, ein Telefontisch und ein Schubladenschrank, der gleichzeitig als Ablage für Scheren und Bürsten dient. Hier geht es professionell zu, hier wird Hunden geholfen. Rechtzeitig vor dem Sommer werden sie von überschüssigem Haar befreit, verfilzte Felle werden entwirrt, überlange Pelze geschnitten. Die Hundefriseurin badet, föhnt, schneidet, schert, bürstet.

"Glossing and Detangling" fürs Fell

So wie bei Samira. Ganz geheuer ist der Hundedame das Prozedere nicht. Das Einschäumen nimmt sie noch genüsslich hin. Dann wird sie mit einem speziellen Hundeföhn getrocknet. Der hat einen langen Schlauch für extra großen Bewegungsradius, ist besonders stark und nicht zu heiß, damit die Haut nicht verbrannt wird. Sonderanfertigungen gibt es auch beim Shampoo. Das "Pet Silk Deep Cleansing Shampoo" enthält Nerzöl und wirkt rückfettend, zum Schutz für Haut und Haar. Dazu die entsprechende Spülung und ein Spray für besonders verfilzte Stellen. Für "Glossing and Detangling", auf Deutsch: "Glanz und Entwirrung". Das Ausbürsten nach dem Trocknen gefällt Samira nicht so gut. Ziept es irgendwo, legt sie die Ohren an. Dann kommt das Spray zum Einsatz. Salvermoser-Hiermer redet gelassen auf die Hündin ein. Langsam verwandelt sich ihr Fell von feuchtgrau in flauschig und weiß. "Im Prinzip sind Hunde wie kleine Kinder", sagt die Hundefriseurin, "man muss konsequent sein." Sie hat die Tiere schon immer geliebt. Vor acht Monaten hat sie eine Hündin aus einem Tierheim in Griechenland geholt. Nike sollte sie heißen, wie die griechische Göttin des Sieges. Dann fiel Salvermoser-Hiermer auf, dass der Name auch als Anspielung an den amerikanischen Sportartikelhersteller verstanden werden könnte, der just nach dieser Göttin benannt ist. Gucchi und Nike, das wäre zu viel gewesen. Deshalb heißt Nike jetzt Nika.

Etwa zwei Stunden braucht Salvermoser-Hiermer, bis sie jeden Quadratzentimeter Fell von Samira ausgebürstet hat. Die durchschnittliche Zeit, die sie pro Hund aufwendet. Neulich hat es fünf Stunden gedauert, bei einem Mischling mit völlig verfilztem Fell, den seine Besitzer im Urlaub bei einem Schäfer ließen. Unzählige Zecken hat sie ihm dabei entfernt. Die schwimmen jetzt tot in einem Glas mit Kirschwasser. Der Alkohol desinfiziert. Auch bei Samira muss Salvermoser-Hiermer ein paar Mal zur Pinzette greifen. Als die Hündin fertig gebürstet ist, liegt ein Berg von Haaren auf dem Boden. Salvermoser-Hiermer hat von einer Frau gehört, die sich aus dem Fell ihrer beiden Hunde einen Pullover strickte.

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Bloß keine Spülung für den Pudel

Ganz so weit geht es mit ihrer Begeisterung nicht. Aber mit Haaren zu arbeiten, war schon immer ihr Traum. Eigentlich wollte sie Friseurin werden. Für Menschen, nicht für Hunde. "Aber mein Papa sagte zu mir: Du willst doch nicht den ganzen Tag in die dreckigen Haare anderer Leute fassen." Also übernahm sie die Spedition der Eltern. 24 war sie damals. Inzwischen sind fast drei Jahrzehnte vergangen. Die Kinder sind erwachsen, Sohn und Mann führen die Spedition. Salvermoser-Hiermer hatte Zeit für ihren Traum. Nur frisiert sie statt Menschenhaar nun eben Hundehaar. Seit Ende Februar kann sie sich offiziell "Hundefriseur" nennen. Drei Monate dauert die Ausbildung. Die Urkunde hängt an der Wand im Salon. Als Abschlussprüfung musste sie einen Pudel scheren. Ganz wichtig: "Bei einem Pudel darf man keine Spülung verwenden. Sonst stehen die Haare nicht."

Dann muss sie sich konzentrieren. Die Zeit ist knapp. Samira ist kaum fertig, da klingelt es. Chico ist da. Der Havaneser muss geschoren werden. Manchmal kommen auch Katzen in den Salon Gucchi. Die werden nicht gewaschen, das lassen sie nicht mit sich machen, nur geschoren. Seit einer Weile kommt sogar ein Hase zur Hundefriseurin. Alle acht Wochen, weil sein Fell so schnell wächst. Er ist der exotischste Kunde. Auch Chico nimmt das Waschen gelassen hin. Als er aus der Wanne ist, schüttelt er sich ausgiebig. Die Tropfen fliegen. Es riecht nach nassem Fell. Salvermoser-Hiermer lacht. Auch wenn sie den ganzen Tag einen Hund nach dem anderen schert, sagt sie, ist sie nicht so müde wie nach acht Stunden im Büro.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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