"Bautage" in Markt Indersdorf:Lernen fürs Leben

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Bei dem Projekt "Bautage", das seit über 15 Jahren an der Mittelschule durchgeführt wird, können sich die Schüler der achten und neunten Klassen in verschiedenen handwerklichen Bereichen ausprobieren. So soll ein erfolgreicher Einstig ins Berufsleben gelingen

Von Jacqueline Lang, Markt Indersdorf

Ein paar der Jungs haben den oberen Teil ihres roten Arbeitsoveralls schon um ihre Taille gebunden, weil es immer noch ziemlich warm ist an diesem Herbsttag Mitte Oktober. Zudem ist das Schleppen von Pflastersteinen auf Dauer auch ganz schön schweißtreibend. Auch wenn Colin, 13, witzelt, dass es "Kinderversklavung" sei, was sie hier machen, haben sich doch alle der insgesamt acht Schüler freiwillig dafür angemeldet, dass sie eine Woche lang Parkplätze pflastern und eine Natursteinmauer bauen. Wenn es nicht aus organisatorischen Gründen nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen gäbe, wären es wahrscheinlich noch mehr Teilnehmer geworden.

"Bautage" nenne sich dieses Projekt, das an der Mittelschule Markt Indersdorf seit mehr als 15 Jahren angeboten wird und sich bei den Schülern der achten und neunten Klassen großer Beliebtheit erfreut, wie Stefan Allmann sagt. Er ist pädagogischer Mitarbeiter an der Mittelschule, und eines seiner zentralen Themen ist die Berufsorientierung. Ihm geht es darum, seine Schützlinge bestmöglich auf das Leben nach der Schule vorzubereiten - und darum, dass auch jene, die es im Unterricht vielleicht hin und wieder nicht ganz so leicht haben, mal ein Erfolgserlebnis haben.

Die Schüler beim Pflastern einer Parkplatzfläche und Errichten eine Natursteinmauer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Wenn man einen Parkplatz pflastert, sieht man am Ende des Tages, was man geschafft hat", sagt Allmann. Erfolge wie diese seien enorm wichtig. Und tatsächlich können sich die Arbeiten, die über die Jahre entstanden sind, sehen lassen: So haben die Schüler nicht nur eine Reihe von Stellplätzen am Lehrerparkplatz gebaut, sondern auch einen Unterstand am Skaterplatz des Jugendfreizeitgeländes, Bänke für die Grundschule und einen solargeregelten Bachlauf. "Nachhaltiges schaffen", lautet deshalb auch das Motto. Ausprobiert haben sich die Schüler schon als Gerüstbauer, Maurer, Trocken- und Metallbauer, Raumausstatter, Zimmermann, Schreiner, Landschaftsgärtner oder Maler.

Das Besondere daran: Damit die Jugendlichen wirklich mitanpacken können, holt die Schule die verschiedenen Handwerksbetriebe zu sich. "Das wäre sonst gar nicht in der Form durchführbar", sagt Paul Böller. Schon zum wiederholten Male ist er mit seinem Bauunternehmen an der Schule im Einsatz. Mit zwei seiner Mitarbeiter unterstützt der Bauleiter die Jungs bei ihrer Arbeit. Für Böller ist das doppelt sinnvoll, auch wenn er selbst keinen Ausbildungsbetrieb hat: Er bekommt den Auftrag von der Schule für seine Firma und als Jugendreferent der Gemeinde hat er zudem ein Interesse daran, dass den Jugendlichen Perspektiven aufgezeigt werden. Finanziert werden alle Projekte, die unter dem Titel "Lebensraum Schule" zusammengefasst werden, zum Teil von der Agentur für Arbeit, zum Teil vom Kultusministerium. Koordiniert werden die Projekte zudem in Zusammenarbeit mit "Job in Dachau".

Eine Woche lang konnten sie unter fachlicher Anleitung so ihr handwerkliches Geschick testen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Für zusätzliche Orientierung können Schüler an zwei bis drei Tagen im Schuljahr zudem auch noch unterschiedliche Betriebe in der Umgebung besuchen. Das könnten Handwerks- und Industriebetriebe genauso sein, wie soziale Institutionen oder wirtschaftliche Einrichtungen, sagt Allmann. Und auch das Bewerbungsverfahren will gelernt sein: So können Schüler der Mittelschule Markt Indersdorf durch eine Kooperation mit der Jugendsiedlung Hochland-Königsdorf schon seit Jahren an der Maßnahme "BO-Camp+" teilnehmen. Das mehrtägige Seminar sei ein Training zur Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung, heißt es zur Erklärung auf der Homepage der Schule. "Darauf aufbauend findet an der Schule ein Bewerbertag statt, an dem die Schüler zusammen mit Vertretern aus der Berufswelt ein Bewerbungsgespräch simulieren." Und zu guter Letzt sollen auch die Eltern bei einem Elternabend auf "ihre Rolle in der Begleitung ihrer Kinder eingestimmt" werden.

Begonnen mit der praxisnahen Berufsorientierung hat vor mehr als einem Jahrzehnt der damalige Schulleiter Martin Güll. Zwei Jahre lang habe es für zwölf Schüler damals sogar eine sogenannte Praxisklasse gegeben, die von Sozialpädagogen speziell betreut worden sei, erzählt Allmann. Heute gebe es die Klasse zwar in dieser Form nicht mehr, dafür aber immer noch die "Schulwerker". So werden an der Mittelschule in Markt Indersdorf Schüler genannt, die sich mit dem Lernen ein weniger schwerer tun als ihre Klassenkameraden. Für die Teilnahme an dem Projekt erhalten die Schüler ein Zertifikat, das sie für zukünftige Bewerbungen verwenden können. In wöchentlich stattfindenden Kursen arbeiten die Schulwerker in Vierergruppen zusammen. Statt gewöhnlichem Frontalunterricht betätigen sie sich handwerklich: Sie bauen Regale, Litfaßsäulen; alles eben, wofür die Schule Bedarf hat. So würden sie verschiedene handwerkliche Tätigkeiten erlernen und bekämen ganz nebenbei auch noch "positive Rückmeldungen" für das, was sie leisten, sagt Allmann. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren auch die Bautage, nur ist der Praxisunterricht in diesem Fall eben gebündelt auf eine Woche.

Pflasterarbeiten im Rahmen der Werkwoche. (Foto: Niels P. Joergensen)

Seinen zweiten Arbeitstag hat Colin schon fasst geschafft, nur noch aufräumen muss er, bevor er für diesen Tag Feierabend machen kann. Ob ihm die Arbeit Spaß macht? "Ja, auf jeden Fall. Besonders gut gefällt mir, dass man den ganzen Tag draußen ist", sagt der 13-Jährige. Er habe auch schon einmal ein paar Tage bei den Stadtwerken gearbeitet, aber das habe ihm nicht so gut gefallen. Aus Sicht von Stefan Allmann ist auch das ein Erfolg: Denn seinen Traumjob kann man schließlich auch per Ausschlussverfahren finden. "Manchmal muss man viel ausprobieren bis man weiß, was einem gefällt", sagt er. Und auch dass Anton, der ebenfalls 13 Jahre alt ist und diese Woche mit anpackt, zwar nicht Bauarbeiter werden will, aber trotzdem lieber pflastert statt im Klassenzimmer zu hocken, findet er in Ordnung. Etwas lernen würde er ja so oder so.

Allmann findet die Arbeit, die die Mittelschule leistet "nachahmenswert". Schon als der Azubimangel noch nicht so groß gewesen sei wie jetzt habe man sich um eine Vermittlung der Schüler bemüht - und davon würden auch die Firmen in der Region profitieren. "Wir vermitteln auch Berufe, die nicht so gefragt sind", sagt Allmann. Denn dadurch, dass sie Firmen im Landkreis besuchten, sähen die Schüler, dass beispielsweise auch der Beruf des Metzgers spannend sein könne.

Das Metallbauunternehmen Bestle in Vierkirchen würde mittlerweile regelrecht darauf drängen, dass sie vorbeikommen. Denn gerade kleinere, eher unbekannte Betriebe hätten es oft schwer, Auszubildende zu finden. "Die großen Firmen saugen alles ab", sagt Allmann. Durch die Kooperation mit der Mittelschule entsteht eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Die einen finden Ausbildungsplätze, die anderen Lehrlinge. Colin zum Beispiel kann sich gut vorstellen, dass er nach der Schule auf dem Bau arbeitet.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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