Ausstellung in der Dachauer Altstadt:Meister der optischen Täuschung

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Die geometrisch, abstrakten Motive von Victor Vasarely locken zahlreiche Besucher in die Galerie Lochner in der Dachauer Altstadt. Sechs Drucke, die dort gezeigt werden, sind die aktuell letzten, die es noch auf dem Markt gibt

Von Jacqueline Lang, Dachau

In der Mitte des Bildes sieht man es noch ganz deutlich: das Einstichloch des Zirkels. Obwohl so winzig, wird das Auge scheinbar wie von selbst auf diesen Punkt gelenkt. Vielleicht auch deshalb, weil ebenjener Punkt der einzige Beweis dafür zu sein scheint, dass das Bild "Centaurus" von Victor Vasarely tatsächlich von Hand gefertigt worden ist - und nicht etwa mittels eines Computerprogramms.

Vasarely, oder wie ihn Kunstkenner auch nennen: den Meister der optischen Täuschung, wurde 1908 als Gyözö Vásárhelyi in Pécs, Ungarn geboren. Von 1928 bis 1930 besuchte er die von Sándor Bortnyik in der Tradition des Bauhauses geführte Mühely Schule für Grafik, vor dem zweiten Weltkrieg arbeitete Vasarely eine Zeit lang als Werbegrafiker. Das ihn diese Formsprache geprägt hat, merkt, wer in diesen Tagen die Galerie Lochner in der Dachauer Altstadt betritt: an den Wänden hängen insgesamt 21 Bilder. Sie alle zeigen geometrische, abstrakte Motive in den verschiedensten Größen und Farben, die den Effekt der Räumlichkeit verstärken. So sehr, dass selbst, wer weiß, dass diese Perspektiven physikalisch schier nicht möglich sein können, einen zweiten Blick braucht, um zu begreifen, dass es sich tatsächlich lediglich um zweidimensionale Bilder handelt. Nach dem Grundprinzip des Weimarer Bauhauses verbindet er in allen seinen Werken die Kunst mit dem Handwerk. Weil Vasarely es zudem wie kaum ein anderer verstand, mit der optischen Wahrnehmung des Betrachters zu spielen, wird er auch als Gründer der Kunstrichtung Op Art, kurz für optical art, optische Kunst, bezeichnet. Vasarelys Bilder hypnotisieren. Je länger man hinsieht, desto mehr verliert sich der Betrachter in den scheinbar pulsierenden Formen, den flimmernden Mustern.

Die Galerie von Josef und Ursula Lochner zeigt zahlreiche Farblithografien und Siebdrucke, Radierungen und sogar zwei Unikate, Acryl auf Pappe. (Foto: Toni Heigl)

Viele Farblithografien und Siebdrucke, aber auch ein paar Radierungen und sogar zwei Unikate, Acryl auf Pappe, alle handsigniert, hängen nun in der Galerie von Josef und Ursula Lochner. Sechs der Drucke seien sogar die letzten Exemplare, die es aktuell noch auf dem Markt gebe. Nachbestellbar seien diese Exemplare daher nicht, sagt Josef Lochner. Das liegt auch daran, dass viele der Drucke nur eine Auflage von 50 bis maximal 100 Stück haben. Dazu zählt auch eines seiner frühen Werke, "Santorin" aus dem Jahre 1953. Vergleicht man dieses Bild etwa mit "Konjunktion" aus dem Jahr 1987, ist unschwer zu erkennen, um wie vieles komplexer Vasarelys Arbeit im Laufe seines Lebens geworden ist: Was das ungeschulte Auge anfangs eher noch dem Kubismus zuordnen würde, wird im Laufe der Zeit immer filigraner. Die Linien werden immer feiner, die Formen immer komplexer, die Farben immer intensiver. Da überrascht es nicht, dass der Künstler, wie Lochner erzählt, in späteren Jahren seine großen Werke nach dem Prinzip "Malen nach Zahlen" angefertigt haben soll. Er selbst habe die Linien gezogen, ausgemalt hätten die Muster dann seine Schüler. Und, auch das wissen die wenigsten: Auch denen, denen der Name Vasarely zunächst nichts sagt, kennen zumindest zwei seiner Werke. Denn der Mann, den man auf Fotos nie ohne eine Zigarette in der Hand sieht, hat das offizielle Logo der Olympischen Sommerspiele in München 1972 ebenso entworfen, wie das Logo von Renault.

Die Werke bestechen durch ihre Räumlichkeit, obwohl sie nur zweidimensional sind. (Foto: Toni Heigl)

"In den 80er Jahren war alles Grafische richtig in", so Lochner. Und gerade jetzt merke man wieder, wie das Interesse in der Kunstwelt wieder zunehme: Von September 2018 bis Januar 2019 waren Werke Vasarelys im Städel Museum in Frankfurt zu sehen, von Februar bis Mai diesen Jahres war eine Ausstellung im Centre Pompidou in Paris zu sehen - und nun hängen einige seiner Werke noch bis Anfang Februar 2020 in der Dachauer Altstadt. Der Plan des Ehepaares Lochner, auf jeden Fall in den ersten zwei Galeriejahren nur "Hochkaräter" auszustellen, geht somit augenscheinlich bislang gut auf.

Beim genauen Betrachten: In "Centaurus" ist sogar noch das Einstichloch des Zirkels zu sehen. (Foto: Toni Heigl)

Wie groß das Interesse an Varaselys Schaffen ist, wurde gleich am Eröffnungswochenende deutlich. Am Marktsonntag hätten sie 141 Striche gemacht, für jeden Besucher einen. Allerdings könne es gut sein, dass es sogar noch mehr waren. Wie groß der Andrang ist, zeigt sich vor allem im Vergleich: Bei den vergangenen vier Ausstellungen seien es im Schnitt immer etwa je 600 Besucher gewesen, nun am ersten Wochenende schon knapp 200. Und, das nur nebenbei bemerkt: Victor Vasarely konkurriert an dieser Stelle unter anderem mit dem namhaften Künstler Joseph Beuys. Wichtig ist Josef Lochner die schiere Menge der Besucher aber eigentlich nicht. In erster Linie muss die Kunst dem Galeristen selbst gefallen - und Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. "Es gibt für alles Liebhaber", sagt Lochner. Dennoch freut es ihn, dass sich offenbar auch viele junge Menschen für den 1997 in Paris verstorbenen Künstler interessieren.

Wer glaubt, die Kunst von Victor Vasarely ist computeranimiert, der irrt. (Foto: Toni Heigl)

Ein wiederkehrendes Motiv in den Bildern von Victor Vasarely ist das Zebra. Warum ausgerechnet ein Zebra? Darüber lasse sich nur mutmaßen, sagt Lochner. Doch weil Vasarely gerade am Anfang viel mit Schwarz und Weiß experimentiert habe, liege der Verdacht nahe, dass ihn dieser Kontrast fasziniert, inspiriert habe. Doch dem gebürtigen Ungarn war keineswegs daran gelegen, die Natur nachzuahmen. Er wolle sie vielmehr "übertreffen", wie er einmal selbst gesagt hat. Diesem Hang zur Perfektion kann man sich als Besucher der Galerie Lochner kaum entziehen.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis 2. Februar 2020 bei freiem Eintritt, jeweils Donnerstag, 16 bis 19 Uhr, Samstag 12 bis 15 Uhr; Sonntag und 26. Dezember, 14 bis 17 Uhr, oder nach telefonischer Vereinbarung: 0162/4559699. Galerie Lochner, Konrad-Adenauer-Straße 7.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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