Armutsbericht:Am Existenzminimum

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Tausende Menschen sind im Landkreis Dachau auf Sozialleistungen angewiesen

Von Robert Stocker, Dachau

Wer in München weniger als 1350 Euro netto verdient, gilt als "armutsgefährdet". Sein Verdienst liegt damit unter 60 Prozent des sogenannten Medianeinkommens, also dem mittleren Einkommen in einem europäischen Land. Wie viele Menschen im Landkreis Dachau davon betroffen sind, ist bisher nicht erhoben worden. Wer aber hört, dass die durchschnittliche Rente im Landkreis bei gut 800 Euro liegt, ahnt, dass viele Menschen auch im wohlhabenden Landkreis Dachau nicht im Luxus leben.

Der zweite Armutsbericht für den Landkreis Dachau, der sich auf Zahlen aus dem Jahr 2015 stützt, will dieses Problem in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Der Caritasverband der Erzdiözese schlägt jetzt ein Netzwerk von Institutionen vor, das die Armut im Landkreis bekämpfen soll.

Die Zahl der Landkreisbürger, deren Existenzminimum durch staatliche Leistungen gesichert wird, ist zwar seit 2012 - 2013 wurde der erste Armutsbericht erstellt - gestiegen. Im Vergleich zum Bevölkerungswachstum liegt der Anstieg aber nur bei knapp einem Prozent.

Beim durschnittlichen Nettoeinkommen gibt es große Unterschiede

Demnach bezogen 2015 2655 Landkreisbürger Arbeitslosengeld II, 926 Hilfe zum Lebensunterhalt, 588 die Grundsicherung im Alter und 1964 Bürger andere Sozialhilfeleistungen. 1306 Menschen erhielten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aus dieser Zahl resultiert hauptsächlich die insgesamt geringe Steigerung, wie Lena Wirthmüller von der Dachauer Caritas im Kreistag erklärte. Beim durchschnittlichen Nettoeinkommen pro Haushalt gibt es im Landkreis große Unterschiede.

Etwa zehn Prozent der Haushalte in Dachau und Karlsfeld verfügen über ein Einkommen unter 1100 Euro, in Markt Indersdorf sind es etwa fünf Prozent. In Haimhausen gibt es dagegen viele Gutverdiener. 30 Prozent der Haushalte haben dort ein Nettoeinkommen von 7500 Euro und mehr. Die Business International School, so Wirthmüller, ziehe viele wohlhabende Bürger an.

Die Caritas schlägt vor, auf kommunaler Ebene ein Netzwerk zu gründen, an dem sich alle mit dem Thema befassten Institutionen beteiligen sollen. Es müssten Beratungsangebote für Betroffene geschaffen werden. Viele wüssten über Hilfeleistungen nicht Bescheid oder würden sie aus Scham nicht beanspruchen. Das gelte besonders für Senioren. Der Landkreis könnte einen Flyer mit Informationen erstellen, schlug Wirthmüller vor.

Zentrale Anlaufstellen sind wichtig

"Damit erreicht man ältere Generationen besser als mit dem Internet." Mit der Thematik könnte sich auch ein eigenes Gremium im Landkreis befassen. Wichtig seien zentrale Anlaufstellen, betonte CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck.

Weil Armut häufig psychische Krankenheiten auslöst, schlug Marese Hoffmann (Bündnis 90/Die Grünen) eine Kooperation mit dem schon bestehenden Netzwerk Gesundheitsregion Dachau vor. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) zeigte sich bereit, in einem Gremium mitzuarbeiten.

"Wir stellen immer wieder fest, dass viele Hilfeleistungen unbekannt sind und Anträge oft aus Scham nicht gestellt werden", so der Oberbürgermeister. Man müsse auf betroffene Menschen in der Nachbarschaft direkt zugehen, sagte Anita Engelbrecht (SPD). Das sei die beste Hilfe.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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