Antikes Fundstück:Ein besonderes Geweih

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Ein überraschender Fund im Haspelmoor beweist, dass es noch in der ausgehenden Römerzeit Elche in diesem Gebiet gegeben hat

Von Andreas Ostermeier, Hattenhofen

Dieser Fund ist wohl Wildschweinen zu verdanken. Durch ihre Wühlarbeiten ist im Dezember des vergangenen Jahres im Haspelmoor die Schaufel eines Elchgeweihs an die Oberfläche gelangt. Das Besondere an dem Geweihstück ist das Alter. Es stammt aus dem fünften Jahrhundert nach Christus. Die bisherige Annahme lautete, dass es zu dieser Zeit keine Elche mehr in Südbayern gegeben habe. Nun muss diese Ansicht revidiert werden, das Elchgeweih aus dem Haspelmoor ist der Grund dafür. Die in Südbayern heimischen Elche sind also erst später ausgestorben, als bislang angenommen. Für die Archäologin Caroline von Nicolai und den Kreisheimatpfleger Markus Wild ist das eine überraschende Nachricht. Denn beide befassen sich mit dem Aussterben von einst heimischen Tieren und der Rolle, die die Menschen dabei gespielt haben. Eine ihrer Fragen ist, wann und warum sind die Elche hierzulande ausgestorben?

Die etwa 40 Zentimeter lange Schaufel des Elchgeweihs ist gut erhalten. Vor mehr als 1500 Jahren hat sie ein Jungelch abgeworfen, wie alt er war, darüber gibt es keine Aussage. Im Boden des Haspelmoors konnte das Geweihstück ohne große Zerfallsprozesse die Zeit überdauern. Ein solcher Fund sei selten, sagt Wild bei der Vorstellung des Geweihs am Freitag in Hattenhofen, denn Tierknochen überleben eine so lange Zeit nur in Seen oder Mooren, als vergrabene Speiseabfälle, oder in Höhlen, wie Nicolai ergänzt. Deshalb gibt es auch nur wenige Funde, die darüber Aufschluss bieten, wie lange Elche in Südbayern vorgekommen sind. Nicolai zählt ein paar auf: In der Gegend von Garmisch sowie in einer Höhle bei Lenggries sind Knochen der großen Pflanzenfresser gefunden worden, beide Funde stammen allerdings von Tieren, die in der Eisenzeit gelebt haben, also lange vor dem Elch aus dem Haspelmoor.

Dessen Geweihschaufel ist an der Universität Augsburg auf das Jahr 478 nach Christus datiert worden. Eine solche Datierung geschieht mit Hilfe einer Radiokarbonanalyse. Damit lässt sich der Gehalt von Karbonatomen in abgestorbenem organischem Material feststellen. Da dieser Anteil beständig abnimmt, kann ein Fund - je nach Vorkommen des Karbons - zeitlich bestimmt werden.

Es ist eine bewegte Zeit, aus der die Elchschaufel stammt. Das weströmische Reich zerbricht, die römischen Villen, deren Überreste mancherorts zu sehen sind, werden aufgegeben, die Bevölkerungszahl geht zurück - möglicherweise ist dadurch mehr Platz für Tiere wie die Elche entstanden, die wegen ihres großen Nahrungsbedarfs viel freien Platz benötigen, den sie finden, wenn der Zivilisationsdruck nachlässt. Auch die Bejagung könnte geringer geworden sein. Es könnte also auch sein, dass Elche davor bereits seltener waren als zur Lebenszeit des Jungtieres, dessen Geweihschaufel gefunden worden ist.

40 Kilogramm an Nahrung braucht eine Elchkuh mit Jungen täglich, sagt Nicolai. Elche benötigen also ein großes Habitat, sie sind Einzelgänger und wandern weit umher. Umgekehrt hängt das Aussterben der großen Hirschart in Südbayern wohl auch mit den zunehmenden Siedlungen zusammen, wie sie im Verlauf des frühen Mittelalters entstehen. Um dies fundiert sagen zu können, sind Funde wie der im Haspelmoor wichtig, denn sie vermitteln Erkenntnisse von der Geschichte der Wildtiere, der Landschaft und der menschlichen Besiedlung in einem Raum.

Der Fund ist auch durch die Hände von Toni Drexler gegangen. Jäger hätten ihm die Elchschaufel gegeben, erzählt Drexler. Der frühere Kreisheimatpfleger und Leiter des Bauernhofmuseums Jexhof brachte das Geweihstück dem Institut für Paläoanatomie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zur Untersuchung. Und er schrieb eine Glosse über einen jungen Elch, der nach Raetien (heute Bayern) gebracht wurde, um die Römer von den Vorzügen schwedischer Möbel zu überzeugen. Dem Unterfangen war allerdings kein Erfolg beschieden, die Römer befanden sich auf dem Rückzug, eine Pest suchte die Gegend heim und der Elch versank im Morast - soweit die Fiktion von Drexler.

Die echte Geweihschaufel des Elchs aus dem Haspelmoor soll freilich auch der Öffentlichkeit gezeigt werden. Drexler sagt, es sei geplant, das Fundstück im Museum Fürstenfeldbruck auszustellen. Dann können sich die Besucher selbst ein Bild machen von dem Relikt der großen Hirschart, deren Nachkommen heute vor allem in Nordeuropa leben. Wann der archäologische Fund aus dem Haspelmoor gezeigt wird, das steht allerdings noch nicht fest.

© SZ vom 30.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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