Amtsgericht:Streit um Taxi eskaliert

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Ein 41-Jähriger wird vor einem Restaurant krankenhausreif geschlagen. Jetzt steht ein 23-Jähriger vor Gericht

Von Jacqueline Lang, Dachau

Noch bevor der Angeklagte sich zu den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen äußern kann, warnt ihn Amtsrichter Tobias Bauer: Sollte es zu einer Verurteilung kommen, dann werde es dieses Mal mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit eine Freiheitsstrafe geben, die nicht mehr bewährungsfähig sein werde. Der Grund: "Wir sehen uns nicht das erste Mal, sondern bereits das zweite Mal in sehr kurzer Zeit."

Jetzt sitzt ein 23-Jähriger wieder auf der Anklagebank des Dachauer Amtsgericht. Er muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Im Herbst 2018 sollen er und zwei seiner Freunde mit dem 41-jährigen Nebenkläger und dessen Bekannten vor einem Restaurant in der Augsburger Straße in einen Streit über ein Taxi geraten sein. Der 41-Jährige Münchner war in der Nacht vom 24. November gemeinsam mit einem Bekannten auf dem Heimweg von einer Weihnachtsfeier, die drei jungen Männer kamen offenbar aus dem Restaurant. Der Streit zwischen den beiden Parteien soll, so steht es in der Anklageschrift, damit geendet haben, dass der Nebenkläger, nach einem Schlag gegen den Kopf zu Boden gegangen und am Boden liegend mehrfach gegen den Kopf und in den Brustbereich getreten worden ist. Die Folge: sechs Rippenbrüche, mehrere Hämatome und eine Platzwunde am Kopf. Er musste sechs Tage im Krankenhaus bleiben.

Obwohl es - je nachdem, wen man fragt - zwei oder gar drei Angreifer gewesen sein sollen, sitzt der gelernte Mechaniker alleine auf der Anklagebank. Auch kann niemand der im Gericht Anwesenden den Angeklagten eindeutig als Hauptaggressor identifizieren, nicht einmal, ob er überhaupt unter den Angreifern gewesen ist, kann jemand zweifelsfrei bestätigen. Die einzige Zeugin, die den 23-Jährigen erkannt haben will, ist zur Anhörung nicht erschienen. "Das ist ein Problem", stellt Richter Bauer fest.

Der Angreifer soll eine rote Jacke getragen haben. Der Angeklagte lässt indes über seinen Anwalt mitteilen, dass er es nicht gewesen sei. Darüber hinaus will er aber keine weiteren Angaben machen. Zur Klärung des Sachverhalts trägt auch nicht bei, dass alle, die sich äußern, den Vorfall ein wenig anders schildern: Der Geschädigte etwa erinnert sich nicht an einen vorausgegangenen Streit. Das Taxi habe schon am Taxistand gestanden, beide Gruppen hätten es für sich beanspruchen wollen. Seinen Angaben zufolge hat ein Mann mit "südländischem Aussehen" zu ihm gesagt "Nimm deine Brille ab" und ihm dann einen Schlag gegen das linke Ohr versetzt, der ihn zu Fall gebracht hat. Daraufhin sei er anfangs von drei, später nur noch von einem Angreifer getreten worden. Schließlich seien Passanten dazwischen gegangen und die Angreifer davongelaufen.

Wer ihm so zugesetzt hat, weiß er auch nicht mehr, trotzdem will er den Angeklagten nun wiedererkennen. "An seinem Bart zum Beispiel." Amtsrichter Bauer zeigt sich mit einen Blick auf den Angeklagten erstaunt: "Seien Sie mir nicht böse, aber ich würde sagen, dass ist ein Standardbart." Die Begleitung des Geschädigten, ein 33-Jähriger aus Karlsfeld, erinnert sich ein bisschen anders an die Ereignisse. So sei dem Schlag sehr wohl ein Streitgespräch vorausgegangen. Weil sie das Taxi gerufen hätten, hätte es ihnen auch zugestanden. Er selbst habe mit einem der Männer gestritten, die beiden anderen seien zu seinem Bekannten gegangen. Dann habe er einen Schlag und einen Schrei gehört und als er sich umgedreht habe, sei der 41-Jährige am Boden gelegen. Die Männer seien daraufhin weggelaufen. Seinen Angaben zufolge waren alle Männer dunkel gekleidet. "Ich habe keine rote Jacke in Erinnerung." Bestätigen kann er lediglich, dass es sich dem Aussehen nach um Südländer gehandelt hat.

Die Polizistin, die an diesem Abend mehr durch Zufall an dem Streit vorbeifuhr, erinnert sich an ein "großes Durcheinander". Alle seien recht betrunken gewesen. Die weggelaufenen Tatverdächtigen habe man recht schnell gestellt. Nachdem man die Personalien festgestellt und einen Platzverweis erteilt habe, habe man sie allerdings gehen lassen. Ausgesagt hätten sie, dass der Verletzte nicht von ihnen geschlagen, sondern gefallen sei. Fotos habe man von den Verdächtigen in der Nacht nicht gemacht, denn diese hätten das verweigert. An die rote Jacke erinnere sie sich noch genau, so die Polizeibeamtin. Ob es der Angeklagte war, der sie getragen hat, kann sie jedoch nicht sagen. Bauer zeigt sich überrascht, dass man trotz eines Tatverdachts offenbar keine Fotos von Personen machen dürfen soll, wenn diese das verweigern. "Das kann ich mir einfach nicht vorstellen." Das würde ja die Strafverfolgung ungemein schwerer machen.

Eine weitere Zeugin, die zum Zeitpunkt der Tat vor einem Burgerladen schräg gegenüber stand, kann sich nur an einen Schlag erinnern. Sie und ein Bekannter seien daraufhin zur Hilfe geeilt. Sie selbst habe sich um den am Boden liegenden Mann gekümmert, der stark alkoholisiert und unter Schock gestanden habe; ihr Bekannter habe versucht, zwischen den anderen Männern zu schlichten. Ohne die Zeugin, die den Angeklagten identifiziert haben will, könne man in Anbetracht dieser - teils widersprüchlichen Aussagen - kein Urteil fällen, so Amtsrichter Bauer. Ein Folgetermin findet deshalb nun am 24. Oktober statt - dann hoffentlich mit der Zeugin.

© SZ vom 14.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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