Amtsgericht Dachau:Undurchsichtige Geschäfte

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66-Jähriger soll beim Verkauf wertvoller Gemälde eines Ehepaars 180 000 Euro gestohlen haben. Prozess wird fortgesetzt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Summe ist beachtlich: 180 000 Euro soll der Angeklagte veruntreut haben. Allein 30 000 Euro soll ein Gemälde des niederländischen Malers Hendrick Avercamp wert gewesen sein, das dem 66-jährigen Mann laut Anklageschrift übergeben worden ist, damit er es für ein in Mühldorf am Inn lebendes Ehepaar verkauft. Der Mann aus dem Landkreis Dachau hätte im Gegenzug eine Provision von zehn Prozent des Gewinns erhalten sollen. Laut Anklage soll er jedoch lediglich 4500 Euro an die eigentlichen Besitzer zurückgezahlt und auch die nicht verkauften Wertgegenstände behalten haben.

Der Angeklagte indes behauptet, dass man ihn damals, also 2014, übers Ohr habe hauen wollen. "Der hat einen Blöden gesucht", so seine Überzeugung. Laut seiner Aussage hat er das Ehepaar über seinen Bruder kennengelernt, der selbst Möbel restauriert und in Trudering lebt. Dort lebte offenbar auch die Tochter des Ehepaares, die öfter mit dem Bruder Geschäfte machte. Weil das Ehepaar in eine kleinere Wohnung umziehen wollte, hätten sie jemanden gesucht, der für sie Porzellan, Silberbesteck, Bronzefiguren und auch Gemälde verkauft. Der Angeklagte hatte bereits in der Vergangenheit häufig mit Antiquitäten gehandelt und war deshalb von seinem Bruder vorgeschlagen worden. In der Anklageschrift ist dies nicht aufgeführt, aber laut dem Angeklagten war unter den Wertgegenständen auch ein Monet. Allein wegen diesem Bild habe er sich auf den Deal eingelassen. "Ich hab mir ein gutes Geschäft versprochen." Weil er für Gutachten nach Zürich und Paris gefahren sei, wo man herausgefunden habe, dass es sich um eine Fälschung handelt, sei nun vielmehr er der Betrogene - schließlich habe er die Expertisen aus eigener Tasche bezahlt. Dasselbe gelte auch für ein Bild von Eduard Grützner, das ebenfalls nicht in der Anklageschrift erwähnt wird. Er habe es verkauft. Dann habe sich allerdings wenige Tage später herausgestellt, dass es nicht echt sei. Weil er den erzielten Kaufpreis von 10 000 Euro schon an das Ehepaar weitergegeben habe - ohne die Provision abzuziehen, wie er versichert - habe er am Ende aus eigener Tasche die 10 000 Euro an den Käufer zurückzahlen müssen.

Dem Angeklagten zu folgen fällt dem Amtsrichter Christian Calame und den anwesenden Schöffen sichtlich schwer. Immer wieder bittet ihn Calame: "Wir haben doch vereinbart, Sie antworten nur auf meine Fragen." Trotzdem schweift der Mann aus Odelzhausen immer wieder ab und springt zwischen den Antworten auf die Fragen, anderen Gegebenheiten und Schicksalsschlägen in seinem Leben hin und her. Sein Anwalt muss immer wieder zusammenfassen, was sein sichtlich aufgebrachter Mandant gerade vorgetragen hat: Sein Mandant habe alles, was er nicht verkauft habe, zurückgebracht und alles durch die Verkäufe eingenommene Geld bis auf das eine Mal abzüglich der Provision ausgezahlt. Die Bilder der namhaften Künstler seien jedoch alle gefälscht, sein Mandant habe lediglich "Kleinzeug" im Wert von etwa 14 000 verkauft.

Die Geschädigte, deren Mann im vergangenen Jahr verstorben ist, bestreitet, bis auf die 4500 Euro jemals Geld oder auch nur die Gegenstände zurückbekommen zu haben. Man sei 2010 von dem 600 Quadratmeter großen Haus in eine kleiner Wohnung umgezogen und habe damals diverse Gegenstände zu einem Auktionshaus am Tegernsee gebracht. Da dieses aber nichts verkauft habe, habe man die Gegenstände schließlich zu dem Angeklagten gebracht, in der Hoffnung, dass dieser sie verkaufen werde. Jetzt wolle sie bloß ihre Ruhe - und ihr Geld zurück. Die Preise für die Gemälde hätten nicht sie und ihr Mann festgesetzt, sondern das Auktionshaus. Dass es sich um Originale handelt, hätten sie nie behauptet. Die Expertise sei auf Wunsch des Angeklagten in Auftrag gegeben worden.

Der Anwalt des Ehepaars sagte vor Gericht, dass sein Mandant sich offenbar zu Lebzeiten bei seinen Geschäften verschätzt habe und sogar selbst schon einmal im Gefängnis gewesen sei. Der Angeklagte indes ist überzeugt: "Er war der Gute, sie die Böse". Zweifelsfrei lässt sich all das jedoch aufgrund vieler fehlender Unterlagen und ohne die Anhörung des Auktionshausbesitzers sowie des Sohns des Angeklagten, der einige Male bei Treffen zwischen den beiden Parteien anwesend gewesen sein soll, für Richter Calame nicht feststellen. Die Verhandlung wird unterbrochen und am 5. November um 12.45 Uhr fortgesetzt.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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