Amtsgericht Dachau:Einmal quer durchs Strafgesetzbuch

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Jugendschöffengericht verurteilt 20-jährigen Intensivtäter zu drei Wochen Dauerarrest, nachdem die ganz heiße Phase des Angeklagten überwunden scheint.

Matthias Pöls

"Sie sind auf einer hauchdünnen Rasierklinge geritten", sagt Richter Daniel Dorner am Dachauer Amtsgericht. Da die Festigung des Angeklagten gut voranschreite, landet der 20-Jährige nicht für sechs Monate hinter Gittern - das wäre nach dem Jugendstrafrecht eine Kriminalstrafe gewesen. Doch von einer "schädlichen Neigung" sei nicht mehr auszugehen. Stattdessen verurteilte ihn das Jugendschöffengericht am Mittwoch für seine Taten, die sich "einmal quer durchs Strafgesetzbuch ziehen", zu drei Wochen Dauerarrest.

Ein 18-Jähriger gerät in kriminelle Kreise und wird selbst straffällig. (Foto: dpa)

Ich hänge dich an einen Baum und zünde dein Haus und dein Auto an", sagte der 20-Jährige Anfang Juni 2011 zu seiner Mutter. Ein paar Minuten vorher hatte er an der Tür ihres Hauses einen Zettel gefunden, auf dem eine Nachricht für ihn stand: "Für dich endet das Wohnverhältnis schon jetzt." Ein frustrierter Tritt gegen die Tür folgte. Der Lebensgefährte der Mutter rief die Polizei; vor den Beamten bedrohte er nicht nur seine Mutter, sondern ging nach dem Satz "Und dich erschieße ich" auch auf deren Freund los. Das veranlasste die Beamten einzuschreiten - doch in seiner Rage leistete der Angeklagte auch noch Widerstand.

Die Situation war "emotional äußerst aufgewühlt", die Eltern hatten sich gerade erst getrennt, wie die Jugendgerichtshilfe attestiert. Der Verteidiger fragte, wohin er dann gegangen sei - ohne Wohnung und Geld. "Das Problem hatte ich ab dem Zeitpunkt", antwortet der 20-Jährige. Zwei Wochen wohnte er in seinem Auto und bildete eine "Schicksalsgemeinschaft" mit einem Bekannten, wie Richter Dorner sagt. Wohl aus dem Geldmangel beging er mit diesem sieben Diebstähle. Er klaute Leergut, Bierfässer und Gasflaschen. Der Bekannte wurde bereits in einem anderem Verfahren verurteilt. - Nicht aber ein weiterer junger Mann der mit auf der Anklagebank sitzt. Mit dem 19-Jährigen klaute er einen Kaugummiautomaten. Der Gewinn für beide: gut drei Euro in kleinen Münzen. Ein andermal stahlen sie Leergut, eine Rückbank und später noch vier Räder von einem weiteren Fahrzeug. "Dieses Auto habe ich mir später gekauft, zum gleichen Preis wie mit den Reifen", sagt der 20-Jährige, "aus schlechtem Gewissen".

Das schlechte Gewissen muss auch den 19-Jährigen getrieben haben, denn er erstattete die Anzeige, die auch die vier Fälle zur Anklage brachte. Für die Taten verurteilten ihn die Schöffen und Richter Dorner zu 48 Stunden sozialer Arbeit und einer sechsmonatigen Betreuung durch die Brücke.

Der Mitangeklagte hatte bereits früher eine Anzeige wegen Unterschlagung gestellt. Diese wurde aber mittlerweile fallengelassen. Vermutlich deshalb wollte ihn der 20-Jährige im September 2011 "erschrecken". Als der Hauptangeklagte den Freund in der Schleißheimer sah, wendete er und raste mit heulendem Motor an ihm - mit nur 20 bis 30 Zentimetern Abstand - vorbei. "Er hätte mich erwischt, wäre ich nicht ausgewichen."

Und das nachdem "Sie erst drei Monate vorher einen schweren Unfall gebaut haben? Wo sie von Glück reden können, dass sie heil rausgekommen sind?", sagt der Staatsanwalt. Bei überhöhtem Tempo war der 20-Jährige aus einer scharfen Rechtskurve geflogen und auf den Grünstreifen geraten, wo er zwei geparkte Anhänger rammte. Das Auto mit zwei Platten und Totalschaden schaffte er in den Wald und montierte die Nummernschilder ab. Im November 2011 musste er wegen weiterer Verkehrsdelikte den Führerschein abgeben. Ende Dezember wurde der Angeklagte angehalten - im PKW. Er kam gerade vom Vietnamesenmarkt in Tschechien und hatte dort ein paar hochgefährliche illegale Feuerwerksraketen gekauft. So kommen zum Arrest noch insgesamt 15 Monate Führerscheinentzug hinzu.

Dass der 20-Jährige nicht für längere Zeit in Haft geht, liegt allein an seinem umfassenden Geständnis und der Reue die dabei zu erkennen gewesen sei, sagte Richter Dorner. Außerdem habe sich das Verhältnis zur Mutter und ihrem Lebensgefährten wieder normalisiert: die ganz heiße Phase des Heranwachsenden scheint überwunden zu sein.

© SZ vom 01.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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