Amtsgericht Dachau:Betrunkener denkt, er ist US-Marine und flippt im Taxi aus

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Der Angeklagte schlug einem Taxler während der Fahrt ins Gesicht. (Foto: dpa)

Ein 20-Jähriger denkt im Vollrausch, er muss die Welt retten und schlägt einem Chauffeur ins Gesicht. Nun bekommt er Arrest.

Von Thomas Hürner, Dachau

Der schmächtige junge Mann, der am Montagvormittag auf der Anklagebank des Amtsgerichts Dachau Platz nehmen muss, hat äußerlich eher wenig mit einem US-Marine gemein. Dessen ist sich der Angeklagte eigentlich auch bestens bewusst, ansonsten hatte er aber kaum noch Erinnerungen an jene Nacht, die ihm dieses Strafverfahren vor dem Jugendschöffengericht eingebracht hat.

Ihm werden vorsätzliche Körperverletzung und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs zur Last gelegt, aber sein konfus-betrunkener Zustand zum Tatzeitpunkt bewahrt ihn letztlich vor einer Verurteilung wegen dieser Anklagepunkte. Mit etwas Pech hätte alles jedoch ganz anders ausgehen können, mit schweren Verletzungen oder sogar mehreren Toten.

Er sei 2002 im Vietnamkrieg gewesen, sagte der junge Mann, und seither sehe er sich als US-Marine

Im August des vergangenen Jahres war der 20-Jährige aus Schwabhausen bei einer Geburtstagsfeier in der Dachauer Altstadt. Gegen Mitternacht war er so betrunken, dass sein bester Freund, der als Zeuge aussagte, für ihn ein Taxi zur Heimfahrt bestellen musste. Zuvor habe sich der Angeklagte schon äußerst komisch benommen, erzählte der Freund, er sei aggressiv gewesen und habe später auch geweint. Die eigentlich als Präventivmaßnahme angedachte Heimfahrt ging dann aber nach hinten los. Auf halber Strecke habe der Angeklagte begonnen, aus dem Fenster zu spucken, erzählte der Taxifahrer, der ebenfalls als Zeuge aussagte. Der 20-Jährige habe dies auf seine Bitte hin unterlassen, ihm dann aber nur wenige hundert Meter später vom Rücksitz aus mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Mit einer Vollbremsung brachte der Taxifahrer das Auto auf der Gegenfahrbahn zum Stehen, der junge Mann torkelte hinaus und fiel mehrfach zu Boden. Zufällig kam im selben Augenblick eine Zivilstreife vorbei.

Die Polizeibeamten stiegen aus dem Wagen und taten ihr Möglichstes, um den 20-Jährigen zu beruhigen. Es folgten eine kleine körperliche Auseinandersetzung und wirres Gerede des Angeklagten. Er sei 2002 im Vietnamkrieg gewesen, sagte der junge Mann, und seither sehe er sich als US-Marine dafür zuständig, die Menschheit vor allem Bösen zu beschützen. Dann forderte er die Beamten dazu auf, ein gemeinsames und letztes Gebet zu sprechen. Auch in der psychiatrischen Einrichtung des Klinikums Fürstenfeldbruck, in das er anschließend gebracht wurde, beharrte der Angeklagte auf seiner Identität als US-Marine auf Weltrettungsmission. Dort wurde neben einem Alkoholpegel von 2,26 Promille der Einfluss von Cannabis festgestellt.

"Wenn auf der Gegenfahrbahn ein Auto unterwegs ist, dann ist es nahezu ausgeschlossen, einen Unfall zu überleben"

Aufgrund der psychotisch anmutenden Fantasien des 20-Jährigen erkundigte sich der Rechtsmediziner gleich mehrmals in der Verhandlung nach einem möglichen Konsum von Badesalzen oder Amphetaminen. Und für ihn war auch klar: "Sie haben großes Glück gehabt. Wenn auf der Gegenfahrbahn ein Auto unterwegs ist, dann ist es nahezu ausgeschlossen, einen Unfall zu überleben."

Dem jungen Mann war seine Reue die gesamte Verhandlung über anzumerken, befand Richter Daniel Dorner. Der Angeklagte entschuldigte sich aufrichtig beim Taxifahrer und tat dies sogar noch einmal, als sich Richter Dorner und die Schöffen zu einem Gespräch zurückgezogen hatten.

Auch im Umgang mit Alkohol gelobte er glaubhaft Besserung. Dies sei auch dringend notwendig, wie der Vertreter der Jugendhilfe anmerkte. In den persönlichen Gesprächen habe sich herausgestellt, dass sowohl sein Vater als auch der spätere Lebensgefährte seiner Mutter Alkoholiker waren. "Ihm fehlen Vorbilder, er hatte nie eine männliche Bezugsperson." Trotz etwaiger Vorstrafen seien keine schädlichen Neigungen auszumachen. Der junge Mann habe seit dem Vorfall versucht, sein Leben zu sortieren und eine Ausbildungsstelle gefunden. Richter Dorner sah keine vorsätzliche Tat und verurteilte den jungen Mann wegen fahrlässigen Vollrausches zu einem Freizeitarrest, einem halbjährigen Alkoholverbot und zehn Alkoholberatungsstunden.

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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