Mitten in Dachau:Sherpas für den Altstadtberg

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Die Martin-Huber-Treppe in Dachau ist eine beliebte Anlaufstelle für Leichtathleten. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Martin-Huber-Treppe ist inzwischen ein beliebtes Trainingsgelände für Athleten. Davon könnten auch fußlahme Passanten profitieren.

Glosse von Gregor Schiegl, Dachau

Wann die Rolltreppe ihren gemächlich ratternden Siegeszug angetreten hat, lässt sich recht genau datieren. Im Jahr 1900 wurde sie als Neuheit zur Weltausstellung in Paris präsentiert. Im Dachauer Kaufhaus Rübsamen gibt es heutzutage auch so ein fortschrittliches Wunderding. Um mit ihr aufzufahren in die Abteilung für Kinderbekleidung, muss man es allerdings erst einmal in die Altstadt schaffen und einen Berg erklimmen, den ein kreativer Gletscher einst in die Landschaft modelliert hat.

Wiederholt wurden in den vergangenen Jahren Forderungen erhoben, man möge dieses Bergmassiv, wenn nicht mit einer Seilbahn, so doch wenigstens mit einer langen Rolltreppe erschließen. Allerdings hat die Stadt entschieden, ihren Reichtum lieber mit etwas Vernünftigem zu verschwenden, nämlich mit einer pittoresken Hallenbadruine. Die Müden, die Armen und geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, müssen sich also weiter keuchend zu Fuß den Altstadtberg hinauf quälen.

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In einer pluralistischen Gesellschaft gibt es aber immer eine gewisse Zahl an Leuten, die sich gerne quälen, manche tun das sogar verbandsmäßig in sogenannten Sportvereinen. Seit einigen Jahren schwärmen sie immer häufiger aus den Niederungen ihrer dunstigen Hallen an die Martin-Huber-Treppe, zum Kleinstadt-Matterhorn für Extremsportler.

Unten am Basiscamp nehmen sie noch einen letzten Schluck aus der Wasserflasche, schütteln die gestählten Glieder, und dann flitzen sie los, nehmen die Stufen im Sturm, wie einst die Truppen Alarichs das Kapitol zu Rom. Nur, dass sie danach gleich wieder hinunterflitzen, wobei es verpeilten Hunden, trödelnden Schulkindern und altersschwachen Damen auszuweichen gilt.

Inzwischen ist die Sache völlig eskaliert: Neulich sah man eine Horde dieser Treppenstürmer, andere Sportler huckepack hinaufschleppen. Eine Athletin hatte gar einen muskelbepackten Artgenossen auf dem Buckel, den sie tapfer bis nach oben schaffte. Das spricht für großen Sportsgeist, es hat, wie man so schön sagt, aber immer noch Luft nach oben: Warum nicht einfach die Leute, die im Wege stehen, über die Schulter werfen und hurtig nach oben oder nach unten tragen? In Tibet nennt man solche Dienstleister Sherpas, im Land der Maschinenbauer und Ingenieure sprechen wir lieber von der ersten lebenden Rolltreppe.

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