Verkehrsberuhigung in Dachau:"Als Händler werden wir wohl die Leidtragenden sein"

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Geht es nach der Stadt Dachau, soll man am Karlsberg in Zukunft nicht mehr rechts abbiegen dürfen. (Foto: Toni Heigl)

Der Verkehrsausschuss hat eine Tempo-20-Zone und ein Rechtsabbiegeverbot in den Karlsberg beschlossen. Juwelier Ludwig Stöckl, der im vergangenen Jahr bereits gegen die Einbahnstraßenregelung in der Altstadt klagte, hat deshalb nun erneut seinen Anwalt eingeschaltet. Auch weitere Ladenbesitzer sehen die Entscheidung der Stadt kritisch.

Von Anna Schwarz, Dachau

Die Entscheidung löst bei einigen Geschäftsleuten in der Dachauer Altstadt Ärger aus: Auf dem Altstadtring soll bald statt Tempo 30 nur noch Tempo 20 gelten, das hat der Dachauer Verkehrsausschuss vor Kurzem entschieden und ein Rechtsabbiegeverbot in den Karlsberg beschlossen. Juwelier Ludwig Stöckl, dessen Geschäft in der Augsburger Straße liegt, hatte im vergangenen Jahr bereits gegen die Einbahnstraße in der Altstadt geklagt. Daraufhin kippte das Verwaltungsgericht die Regelung im Februar. Zum jüngsten Beschluss der Stadträte sagt Stöckl: "Für mich ist das Unsinn und absolut schädlich", unter anderem befürchte er persönliche Nachteile. Seinen Anwalt habe er deshalb erneut eingeschaltet.

Anders sieht es die Mehrheit des Verkehrsausschusses. Mit dem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich, also der Tempo-20-Zone, wollten die Stadträte die Aufenthaltsqualität in der Altstadt steigern. Ihre Argumente: Wenn Autofahrer dort langsamer fahren, verbessert sich die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radler, die Lärmbelastung durch das Kopfsteinpflaster nimmt ab, man könnte also entspannter draußen im Lokal sitzen. Darüber hinaus soll das Rechtsabbiegeverbot in den Karlsberg künftig den Durchgangsverkehr im Stadtkern reduzieren. Denn bisher nutzen viele Autofahrer den Karlsberg, um morgens beim Pendeln nach München abzukürzen.

Kritik gibt es etwa von CSU-Stadtrat Peter Strauch. Er befürchtet, dass das Rechtsabbiegeverbot zu "viel Wende- und Schleichverkehr führen" werde. Denn auswärtige Autofahrer, die nicht wissen, dass sie am Karlsberg nicht nach rechts abbiegen dürfen, würden trotzdem den Altstadtberg hochfahren - und müssten dann wieder umdrehen.

"Wenn man es leiser haben will, sollte man den Kopfsteinpflaster-Schmarrn wegtun."

Auch Juwelier Ludwig Stöckl wettert gegen das Rechtsabbiegeverbot in den Karlsberg, für ihn wird damit eine wichtige Verkehrsader gesperrt: "Das ist, wie wenn eine Arterie verschlossen wird." Er habe das Gefühl, dass die Stadt den Autoverkehr aus der Altstadt verbannen wolle - doch für Geschäftsleute wie ihn sei das kontraproduktiv: "Die Geschäfte hier leben von den Kunden aus dem Dachauer Hinterland. Und die kommen nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern mit dem Auto."

Edith und Claudia Hornung von der Parfümerie Weinzierl. (Foto: oh)
Ludwig Stöckl ist seit 35 Jahren als Juwelier in der Altstadt ansässig. Auch ihm mache der Online-Handel Konkurrenz. (Foto: Toni Heigl)

Zudem würde das Rechtsabbiegeverbot Pendler künftig dazu zwingen, Umwege zu fahren, um nach München zu kommen, etwa entlang des Familienbades oder der Ludwig-Thoma-Straße. "Dadurch steigt die CO₂-Belastung", sagt Stöckl und er befürchtet, dass es dort noch mehr Staus geben wird. Auch von der Tempo-20-Zone hält er nichts, sie soll von der Ecke Augsburger Straße/Brucker Straße entlang der Augsburger und Konrad-Adenauer-Straße bis zur Jocherstraße verlaufen. Stöckl: "Wenn man es leiser haben will, sollte man den Kopfsteinpflaster-Schmarrn wegtun und Flüsterasphalt hinmachen." Die historische Bedeutung des Pflasters spielt für ihn keine Rolle.

"Die Stadt macht es uns mit solchen Beschlüssen nicht einfacher."

Ähnlich verärgert ist Edith Hornung, Inhaberin der Parfümerie Weinzierl: "Ich bin nicht begeistert von dieser Entscheidung." Auch sie vermutet, dass durch das Rechtsabbiegeverbot weniger Autofahrer und damit weniger Kunden in die Altstadt kommen - ähnlich wie damals bei der Einbahnstraßenregelung, gegen die sie wie Stöckl heftig protestierte. Grundsätzlich versuche sie zwar, neuen Ideen eine Chance zu geben, aber bei diesem Beschluss der Stadträte sei sie skeptisch: "Ich denke, dass wir Händler die Leidtragenden sein werden." Wenn Pendler aus der Altstadt ausgeschlossen würden, fielen potenzielle Kunden weg, die sich vor der Arbeit oder auf dem Nachhauseweg denken: "Jetzt brauche ich noch etwas, dann halte ich hier an."

Um die Altstadt zu beleben, wäre es sinnvoller gewesen, mehr Parkplätze zu schaffen, die an die Größe der heutigen Autos angepasst sind, so Hornung. Ihr kritisches Fazit: "Wir Geschäftsleute versuchen die Altstadt belebt zu halten, und die Stadt macht es uns mit solchen Beschlüssen nicht einfacher."

"Mich würde das stören, wenn vor mir jemand im Schneckentempo fährt."

Auch Ayten Pinto, Chefin des Brautmoden-Geschäfts Eternity nahe der Martin-Huber-Treppe, plädiert dafür, die Verkehrssituation in der Altstadt "lieber so zu lassen, wie sie ist". Seit rund 16 Jahren betreibt sie ihr Geschäft in Dachau. Sie habe nicht das Gefühl, dass der Pendlerverkehr in der Altstadt störend sei - im Gegenteil: "Hier sollten mehr Autos fahren", sagt sie, denn die Fahrer könnten ja auch zu Spontankunden werden, die etwa Unterwäsche bei ihr einkaufen. Für das Tempo-20-Gebot zeigt sie ebenfalls kein Verständnis: "Mich würde das stören, wenn vor mir jemand im Schneckentempo fährt." Genauso wie Edith Hornung sieht auch Pinto die Parksituation in der Altstadt als drängenderes Problem, das die Stadt endlich angehen sollte: "Die Parkgarage ist ja immer voll."

Die Stadt hätte erst bei den Geschäftsleuten der Altstadt nachfragen sollen, bevor man so eine Entscheidung trifft, findet Thomas Ramsauer, Geschäftsführer der Kulturschranne. Schließlich hätten sich seine Gäste noch nie beklagt, dass sie sich durch die vorbeifahrenden Autos gestört fühlen. Außerdem bezweifelt er, dass sich der Autolärm in der Altstadt wirklich reduziert, wenn nur noch Tempo 20 statt 30 gilt: "Hat man davor ermittelt, wie sich das auf den Lärmpegel auswirkt?", fragt er. Auch Pendler, die über den Karlsberg nach München fahren, sieht Ramsauer positiv und erklärt an einem Beispiel warum: "Wenn man jeden Tag am Christkindlmarkt vorbeifährt, überlegt man schon mal, ob man nicht mal hingeht."

Ohnehin sei die Altstadt längst verkehrsberuhigt, sagt Ramsauer: "Es sind eh kaum Leute hier." Seine Forderung ist deshalb klar: "Man müsste die Altstadt mehr beleben und mehr Geschäfte ansiedeln", und er fügt hinzu: "Mehr Begrenzungen zu beschließen, bringt eher das Gegenteil."

Ab wann die Tempo-20-Zone und das Rechtsabbiegeverbot gelten, steht laut Stadt noch nicht fest, derzeit arbeite die Verwaltung noch an einer verkehrsrechtlichen Anordnung.

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