Kneipenfestival Altomünster:Ausgelassen und unbeschwert die Freiheit feiern

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Beim Kneipenfestival "Altogether" in Altomünster spielt die Band "Cheerio Joe" im Kapplerbräu. (Foto: Toni Heigl)

Rund 1800 Besucher machen das Kneipenfestival "Altogether" in Altomünster zum fulminanten postpandemischen Partyauftakt. Die elf Bands bekommen wegen des Erfolgs sogar einen Gagenzuschlag.

Von Petra Neumaier, Altomünster

Die kurze Nacht zeichnet dunkle Schatten unter die Augen. Und doch strahlen sie noch immer. Die Stimmung der vergangenen Nacht, der Beat, das Lachen, das Potpourri Hunderter Stimmen, das "Klong" zusammenstoßender Flaschen, all das scheint um den Altomünster Marktbrunnen noch zu klingen, als die ehrenamtlichen Helfer, pünktlich vorm ersten Gottesdienst, die Spuren des ersten postpandemischen Kneipenfestivals "Altogether" beseitigen. Becher, Pizzakartons, Zigarettenstummel - all das legt auch Zeugnis ab über den sensationellen Besuch der 18. Veranstaltung. Fast 1800 Gäste und damit weit mehr als in der Vergangenheit waren gekommen: Um ausgelassen und unbeschwert bis tief in die Nacht die zumindest vorläufig wiedergewonnene (Masken)-Freiheit mit elf Bands auf fünf Bühnen zu feiern.

Mit sanftem Rot verabschiedet sich am Samstagabend die Sonne über dem schmucken Markt. Und noch bevor die Kirchenglocken acht Mal schlagen, bilden sich lange Schlangen vor dem Zelt mit den Eintrittsbändchen. Aus den geschlossenen Fenstern der Bars und Clubs und Gasträume klingen die ersten Beats. Tiefe Bässe wummern, E-Pianos klimpern, begleitet von rauchig, kräftigen Stimmen. Von der ersten Minute an herrscht Leben - draußen an der frischen Luft und drinnen vor den kleinen Bühnen sowieso. Ungewohnt das Eintauchen in einen dicken Dunst aus Küche, Bar und dem Atem der anderen Gäste, die sich vor der Musik gruppieren. Alle ohne Maske, alle mit glücklichen Augen. Und lächelnden Mündern, die sich endlich wieder in ihrer vollen Breite zeigen dürfen. Corona ist höchstens in der Flasche, nicht in den Gedanken, so scheint es.

Rund 1800 Besucher feiern friedlich zusammen am Markt. (Foto: Toni Heigl)

Die FFP2-Maske bleibt - wenn überhaupt dabei - jedenfalls tief in der Jackentasche vergraben. Etwas verschämt zieht Marion aus Neufahrn sie ein Stück heraus. "Ob das so richtig ist, was wir tun?" fragten sie und ihr Begleiter Jochen sich gerade noch. Sie steckt die Maske wieder zurück und lacht. Allenfalls von der guten Stimmung wollen sie sich anstecken lassen und dann geht es auch schon Richtung erster Kneipe. Auch eine Gruppe junger Mädels zuckt unisono nur mit den Schultern. "Warum sollten wir ein schlechtes Gewissen haben?", fragen Sandra (23), Moni (24) und Mone (26) aus Zeitlbach fröhlich lachend und scheinen dabei vor Glück über das Musikfestival fast über dem Pflaster zu schweben.

Es scheint Äonen von Jahren her zu sein, seit man dicht an dicht an der Bar stand

Wer sich mit Maske jedenfalls ins Getümmel wagt, wird angeschaut wie ein Außerirdischer - oder kommt sich als ein solcher vor. Also weg damit, was soll's. Schließlich lautet das Motto des Festivals "Reclaiming freedom - Das Leben hat uns wieder". Christian Schweiger, CSU-Ortsvorsitzender und Hauptorganisator, erklärt, dass natürlich im Vorfeld darüber gesprochen wurde, ob so eine Veranstaltung bei einem aktuellen Inzidenzwert von knapp unter 1000 nicht riskant sei und überhaupt. Aber: "Endlich einmal alles hinter sich lassen zu können, das ist Gänsehautgefühl pur."

Überhaupt. Gänsehaut. Fast ein Dauerzustand - und das nicht nur draußen, wo dicke Daunenjacken vor der Kälte der Nacht schützen müssen. Vielmehr, weil es gefühlte Äonen von Jahren her zu sein scheint, seit man dicht an dicht an der Bar oder vor einer Bühne stand, Live-Musik hörte, gemeinsam lachte, sich anbrüllte (aber nur wegen der Geräuschkulisse) und tanzte. Zusammen zu sein und sogar über Generationen hinweg: Nicht nur für die 26-jährige Mone ein Höhepunkt des Abends, der lange ausgekostet wird.

Und wie vertraut sogar dicke Luft schmeckt: Auch im Rossstall passen ungewohnt viele Besucher auf kleinsten Raum. (Foto: Toni Heigl)

Erstaunlich, fast befremdlich auch, wie viele Menschen auf einmal auf kleinsten Raum passen. Und wie vertraut sogar dicke Luft schmeckt. Ob im Maierbräu, wo die Bands "To Remain" und "Arg Loud" ihren Namen alle Ehre machen oder im "Barwerk" mit den "The Mannish Boys" und "Boxhero". Beim Kapplerbräu braucht man sich nur im bewirteten Innenhof umzudrehen, um gleich drei Musikorte und fünf Bands zu erleben: im Pils Pub "O-Tone" und "Die Performers", in der Wirtsstube "Cheerio Joe" und "H.A.T." und im Rossstall "Dame Bube Krass", "Mediocore" und "Nesselwolf" - letztgenannte Band feiert an diesem Abend ihr 30-jähriges Jubiläum. Unter großem Jubel überreicht der Veranstalter der Gruppe eine große "Goldene Schallplatte". Und weil ebenso die Musiker Gänsehaut haben, vor Freude wieder spielen zu dürfen, und die Besucherzahl so groß und damit der Erlös höher als veranschlagt ist, erhalten alle Bands einen Gagen-Zuschlag. "Lange genug mussten sie ja darben", sagt Christian Schweiger und fügt hinzu, dass das Festival eine Non-Profit-Veranstaltung sei und bleiben solle.

"Die Leute waren wie ausgehungert", sagt der Veranstalter

Seine Anfänge hatte das "Altogether" übrigens im Jahr 2008 - damals noch von der Jungen Union organisiert, später übernahm die CSU. Dann machte der Verein Alto-Bad einige Jahre weiter. Seit drei Jahren ist die Organisation wieder in der Hand der CSU, kräftig unterstützt von Helfern des Vereins. Um die 50 Ehrenamtliche sind es an der Zahl, dazu kommen Security und Sanitäter nebst Fahrzeug. Zu tun haben in der Nacht die Aufpasser und Retter jedoch nichts. "Es gab keinerlei Zwischenfälle", wird Christian Schweiger am nächsten Tag erleichtert verkünden.

Bis 1.30 Uhr spielen die Bands, und bis dahin ist auf und um den Marktplatz viel los. An den Tischen der Eisdiele und Pizzeria stärken sich die Besucher. Schließlich soll es später noch in den "K-Club" zum Abtanzen gehen, wo ein DJ auflegt. Bis 4 Uhr morgens. Kaum trollen sich die Letzten nach Hause, sind die ersten Helfer schon da zum Aufräumen - inklusive Christian Schweiger, für den das Danach fast schöner ist, als das Während und Davor. Vor allem, nach einer so erfolgreichen wie schönen Nacht. Abfallen kann dann die Anspannung der Organisation und Durchführung, und der Müll spiegelt doch auch nur die Resonanz wider, die heuer alle Rahmen sprengte. Er atmet tief ein. "Die Leute waren wie ausgehungert", stellt er fest und freut sich am meisten, endlich wieder so viele lächelnde Gesichter gesehen zu haben.

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