Altenpfleger überwältigen den Dieb:Drogensüchtiger bestiehlt Senioren

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Ein 32-jähriger Mann schleicht sich in Pflegeheime und entwendet Bargeld sowie goldene Eheringe aus den Zimmern. Jetzt muss er sich wegen schweren räuberischen Diebstahls vor dem Landgericht München II verantworten

Von Andreas Salch, Dachau

Der Angeklagte ist geständig, und es fehlen ihm die Worte: Es sei schon "krass", wenn man die Akten in seinem Fall lese, meinte Karl P., nachdem er am Donnerstagmorgen auf der Anklagebank im Sitzungssaal B 266 am Landgericht München II Platz genommen hatte. Der 32-Jährige aus Nürnberg war am helllichten Tag in ein Seniorenheim im Norden Dachaus eingedrungen, um aus den Zimmern der Bewohner Wertgegenstände zu stehlen.

Die Staatsanwaltschaft legt P. schweren räuberischen Diebstahl mit Waffen sowie Diebstahl in vier weiteren Fällen zur Last. Denn außer in Dachau ist der Angeklagte im Sommer vorigen Jahres in Seniorenheime in Waiblingen in der Nähe von Stuttgart sowie in Wolnzach, im Landkreis Pfaffenhofen und in Erlangen eingestiegen. Die Beute, meist Schmuck und Bargeld, hatte einen Wert von insgesamt rund 3320 Euro. Bei den Opfern handelt es sich fast nur um teils hochbetagte Seniorinnen und Senioren. Das älteste Opfer war eine Frau in dem Seniorenheim in Waiblingen. Sie ist Jahrgang 1920. Der Frau, ebenso wie allen anderen Betroffenen, bleibt durch das Geständnis von Karl P. immerhin eine Aussage vor dem Landgericht erspart.

Nachdem der Vorsitzende, Richter Alexander Kalomiris, die Verhandlung eröffnet hatte, wandte er sich an den Angeklagten und sagte: "Trotz der Umstände" - Karl P. befindet sich in Untersuchungshaft - "alles Gute." Der 32-Jährige hatte am Donnerstag Geburtstag. Die Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, geschahen innerhalb weniger Wochen.

Auf frischer Tat ertappt

In dem Seniorenheim in Dachau war Karl P. auf frischer Tat ertappt worden. Gegen 17 Uhr, am 15. Juli vergangenen Jahres, war er in das Haus eingedrungen und hatte nacheinander die Zimmer von vier Bewohnern durchsucht. Unter seiner Beute befand sich auch in diesem Fall vor allem Schmuck und Bargeld. Außerdem hatte er auch drei Schachteln Zigaretten sowie ein Taschenmesser mitgehen lassen. Aus diesem Grund wertet die Staatsanwaltschaft diese Tat als schweren räuberischen Diebstahl mit Waffen. Zwei Pfleger hatten Karl P. dabei beobachtet, als er aus einem der Zimmer kam. Sie stellten ihn zur Rede.

Als sie ihn nach seinem Namen fragten und erklärten, die Polizei zu alarmieren, schubste er die beiden Männer zur Seite und rannte über eine Feuertreppe in Richtung des Hauptausgangs. Doch einer der Pfleger war schneller nach unten gelangt als der Angeklagte. Er stellte sich ihm in den Weg, als der Fliehende über einen Zaun klettern wollte. Bei dem Versuch des Pflegers, Karl P. festzuhalten, biss dieser ihm in den Unterarm. Doch dem Pfleger gelang es dennoch, den 32-Jährigen zu überwältigen und zu Boden zu bringen. Die Beute hatte P. noch bei sich. Sie wurde den Senioren zurückgegeben. Durch den Biss in den Unterarm wurde der Pfleger nicht weiter verletzt. Doch die Attacke war nicht ungefährlich. Denn der Angeklagte ist seit vielen Jahren heroinabhängig. Er hätte den Altenpfleger mit Hepatitis C anstecken können.

"Es tut mir sehr leid, die ganze Geschichte"

Bei seiner Vernehmung sagte Karl P.: "Es tut mir sehr leid, die ganze Geschichte." Er habe die Taten, für die er sich nun verantworten müsse, nicht gemacht, um sich zu bereichern. Er habe auch "niemanden wehtun wollen". Die Diebstähle habe er nur deshalb begangen, um seine Heroinsucht finanzieren können. Er sei schon seit vielen Jahren abhängig. Außer Heroin nehme er Crystal Meth und Spice - eine synthetische Droge. Durch den Konsum sei er mit der Zeit "abgestumpft" und nicht mehr "Herr seiner Sinne" gewesen. Jetzt, bei "klarem Verstand" frage er sich, wie er das, was ihm die Staatsanwaltschaft zur Last lege, habe tun können. Menschen in Altenheimen zu bestehlen, sei "nicht die feine Art". Unter dem Diebesgut befanden sich unter anderem auch goldene Eheringe. "Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll", befand der 32-Jährige und fügte hinzu: "Eigentlich ist es ohne Worte."

Nach Verlesung der Anklage durch Staatsanwalt Florian Schweyer kam es auf Vorschlag der Verteidigerin von Karl P., Rechtsanwältin Nicole Obert, zu einem Rechtsgespräch mit dem Vertreter der Anklage sowie den Richtern. Danach stellte Richter Alexander Kalomiris dem Angeklagten für den Fall eines "vollumfänglichen Geständnisses" eine Haftstrafe von "nicht mehr als sechs Jahren" in Aussicht. Sämtliche Vorwürfe seien "in vollem Umfang richtig", erklärte daraufhin Rechtsanwältin Obert. Ihr Mandant habe den gestohlenen Schmuck in Leihhäusern versetzt und das Geld, das er dafür bekommen habe, "komplett in jeglicher Form in Drogen umgesetzt". Der Prozess dauert an.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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