51 Jahre für den Fußballverein:"Den Kasperl mach' ich hier nicht"

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Wie Konrad Höß, der langjährige Präsident des FC Pipinsried, über seinen Rückzug denkt, und welche Rolle er künftig in dem erfolgreichen Dorfklub spielen will. Er hat den Verein vor mehr als 50 Jahren mitbegründet

Interview von Benjamin Emonts, Altomünster

Sein Markenzeichen war die Cordmütze, sein angestammter Platz seitlich vom Tor, meistens auf einem Fußball sitzend. Von dieser Position aus hat der Fußballpräsident Konrad Höß jahrzehntelang die Spiele seines FC Pipinsried verfolgt. Seine grantigen Zwischenrufe und skurrilen Stadiondurchsagen wurden über die Jahre legendär. Höß führte den Dorfverein bis in die Regionalliga, die vierthöchste deutsche Spielklasse. Er mähte den Rasen, putzte das Vereinsheim und scheute selbst nicht davor zurück, gegen den Bayerischen Fußballverband (BFV) zu klagen, um einen Abstieg seiner Mannschaft zu verhindern. Am vergangenen Wochenende trat der 77-Jährige nun zurück. In der Dachauer SZ gibt Höß einen Einblick, wie es ihm damit ergeht und ob er sich in Zukunft noch blicken lassen will in seinem "Wohnzimmer", dem Pipinsrieder Stadion.

SZ: Herr Höß, wie fühlt es sich an, beim FC Pipinsried nicht mehr der Verantwortliche zu sein?

Konrad Höß: Normal denkt man, dass eine Last wegfällt, aber ich muss mich irgendwie noch daran gewöhnen. Ich habe den Verein 51 Jahre mit Herzblut geleitet, ich habe ihn aus dem Boden gestampft und kenne jeden Strauch und jeden Zentimeter Rasen. Das geht nicht spurlos an einem vorbei.

Auf der Jahresversammlung haben Sie von den Mitgliedern anhaltenden Applaus für ihr Lebenswerk bekommen. Was ging in Ihnen vor?

Ich habe vor der Versammlung ein flaues Gefühl im Magen gehabt und eigentlich habe ich es immer noch. Dass 100 Leute da waren, sogar Frauen und so viele Sympathieträger, das hat mich schon sehr positiv überrascht. Das hat meinem kranken Herzen sehr gut getan.

Sie haben als Klubboss immer einen engen Kontakt zur Presse gepflegt und den Verein mit Ihren markigen Sprüchen erst richtig bekannt gemacht. Bei der Jahresversammlung wurde von Ihren Nachfolgern die Öffentlichkeit nun überraschend ausgeschlossen. Wieso haben Sie das als Präsident nicht verhindert?

Ich habe davon erst am Abend vor der Versammlung erfahren und war so stocksauer, dass ich überlegt hab', gar nicht erst zu der Versammlung hinzugehen. Ich habe meinem Nachfolger, dem Roland Küspert, sofort gesagt, dass er eine E-Mail rausschicken und das rückgängig machen soll, sonst schlage ich um mich. Das hat er aber leider nicht gemacht. Ein Pressevertreter war aber trotzdem da und durfte nach einer Abstimmung der Mitglieder auch bleiben. Wenn das anders ausgegangen wäre, hätte ich die Versammlung gar nicht angepfiffen.

Sie haben zuletzt immer wieder betont, dass hochklassiger Fußball ohne Höß nicht möglich sei in Pipinsried. Trauen Sie ihren Nachfolgern inzwischen mehr zu?

Der Küspert ist ein ordentlicher Mensch, und mit meinem ehemaligen Spieler Martin Schmidl als zweitem Vorsitzenden haben sie einen großen Coup gelandet. Der ist einer, der die Zügel anzieht, wenn nötig. Eine große Gefahr wird auf den FC Pipinsried aber zukommen, wenn der jetzige Trainer Fabian Hürzeler und Manager Roman Plesche, die ich hierher geholt habe, aufhören. Die machen gute Arbeit, aber sehen Pipinsried nur als Sprungbrett für den Profifußball. Es müssen nachher alle Register gezogen werden, damit der hochklassige Fußball in Pipinsried aufrechterhalten wird. Bevor wir in der Bezirksliga oder A-Klasse spielen - ohne die Klassen abwerten zu wollen - reiben wir in Pipinsried lieber die Lichtschalter aus.

Der 77-jährige Konrad Höß im Sportheim des FC Pipinsried, als dessen Präsident er große Erfolge im Fußball gefeiert hat. (Foto: Toni Heigl)

Vertrauen klingt anders. . .

So ein Verein wie der FC Pipinsried braucht schon sehr viel Aufmerksamkeit, um überhaupt bestehen zu können. Für mich ist das ein Lebenswerk. Ich werde mir da jeden Tag Sorgen machen, es sei denn, es läuft gut. Aber ich habe natürlich schon große Bedenken. Man arbeitet jetzt auch mit fremden Leuten, und die brauchen schon eine harte Hand. Ich hoffe, dass die Gutmütigkeit von dem ein oder anderen nicht ausgenutzt wird.

Der neue Vorstand will die erste Fußballmannschaft als GmbH aus dem Hauptverein ausgliedern. Was halten Sie von diesem Schritt?

Ich finde das nicht schlecht, ich glaube der Schritt ist gesund für die Zukunft. Wenn man länger in der Regionalliga spielen will, ist das wichtig. Es soll ja keiner haften müssen, wenn mal was schief geht.

Die Leute fragen sich, wie es mit Ihnen jetzt weiter geht. Wird man Sie auch künftig noch auf dem Sportgelände antreffen?

Wenn die mich nicht verärgern, dann schon.

Heißt das, Sie werden auch weiterhin die Sportanlage und den Rasen pflegen? Sie genießen bayernweit einen exzellenten Ruf als Greenkeeper. . .

Einen besseren als mich findet man in keinem Stadion. Aber wie es weiter geht, steht noch in den Sternen und liegt auch an der Vorstandschaft. Ich wäre grundsätzlich bereit, die Anlage weiter zu pflegen. Aber wenn ich dazu jeden Tag draußen am Sportgelände bin und so viel Zeit investiere, will ich ein Spiel auch alleine absagen können. Ich möchte vorher nicht erst zwei oder drei andere fragen müssen.

Sie sind dafür berüchtigt, sehr resolut zu werden, wenn es um ihren Rasen geht. . .

Ich war da geistig viel weiter als jeder Funktionär. Wenn ich wusste, dass der Rasen ein Spiel nicht verträgt, habe ich es abgesagt. Aber in 51 Jahren habe ich das ganz, ganz selten gemacht.

Wie hat der neue Vorstand auf Ihre Forderung reagiert ?

Die haben gesagt, dann lassen sie den Platz einfach mähen. Das ist verrückt, hirnverbrannt, der Obergau - und kostet jede Menge Geld. Da ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Aber wenn es wirklich so kommt, bin ich sicher, dass die ganze Ortschaft Kopf stehen wird. Ich mache dann keinen Strich mehr.

Sie haben den Verein seit 1967 geführt. Welche Momente sind Ihnen als besonders schön in Erinnerung geblieben?

Die Aufstiege zwischen 1971 und 1973, als Hermann Brunner noch Spielertrainer war, waren schon besondere Highlights. Ich hab noch Bilder daheim, wie die Spieler meine Frau - da war sie noch ein junges Mädchen - hochgeworfen haben. Da wurde noch ohne einen Cent Fußball gespielt, und die Spieler haben fürs Trikotwaschen bezahlt. Mit der Bayern-Fohlenelf, so hieß damals die Mannschaft, aus der die Profis rekrutiert wurden, waren mal Franz Beckenbauer und Gerd Müller in Pipinsried, das werd' ich nie vergessen. Und einmal ist der legendäre Bundesliga-Trainer Dettmar Cramer nach einem Spiel in Pipinsried zu mir gekommen und hat gesagt: 'Höß, Du bist besser als zehn Bundesliga-Scouts'.

Die Sportanlage des FC Pipinsried ist Konrad Höß' ganzer Stolz. "Mir liegt unheimlich viel daran", sagt er. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sie haben bis zuletzt ein gutes Auge bewiesen für Talente und Trainer, die Ihren Verein erfolgreich gemacht haben. Was war Ihr Erfolgsrezept?

Ich bin ein Naturtalent. Das war schon im Beruf so, als Milchleistungsprüfer, wo ich schon am Euter erkannt habe, wie leistungsfähig eine Kuh ist. Wenn ich heute einen Spieler zwei Mal sehe, weiß ich sofort, bis zu welcher Klasse es bei ihm reichen wird. Da gibt's nicht viele Menschen, die das so können. Ich war jahrzehntelang immer auf Achse und hab mir drei Spiele am Wochenende angeschaut. Was ich unterwegs war, kann man sich gar nicht vorstellen.

Wie haben Sie es geschafft, den Verein so lange und so erfolgreich zu führen?

Im Verein und in der Arbeit war ich unwahrscheinlich ehrgeizig und gewissenhaft. Ich habe immer Ordnung und Disziplin verlangt. Mir war immer wichtig, die Menschen zu achten und zu schätzen. Aber wenn ich gemerkt habe, dass einer menschlich nicht korrekt ist oder Verträge nicht einhält, dann war ich skrupellos und diktatorisch.

Es gibt Spieler, die behaupten, sie hätten Ihr Geld nicht bekommen, wenn Sie mit ihrer Leistung nicht zufrieden waren.

Einem Fußballspieler etwas zu glauben - da bist du schon von Haus aus verloren. Die schauen immer nur auf sich. Ich bin halt einer, der immer konsequent gewesen ist, wenn ein Spieler nicht anwesend war, gelogen oder simuliert hat. Wenn einer gemeint hat, er läuft einmal um den Platz und bekommt dafür Geld, dann war er bei mir falsch. Mir war das Wirtschaftliche immer sehr wichtig. Ich habe immer gespart, gespart und gespart. Da war ich knallhart. Aber wenn ich nicht korrekt gewesen wäre, wären die Spieler ja nicht immer wieder zu mir gekommen.

Ihre Frau Kathi hat jahrzehntelang die Trikots gewaschen und die Wurstsemmeln für den Stadionverkauf geschmiert. Wie geht Sie mit Ihrem Ausstieg um?

Wie meine Frau mich begleitet hat, das kann man gar nicht schildern. Sie hat für den Verein mindestens genauso viel geleistet wie ich. Sie hat den Fußball lieben gelernt und war immer sehr beliebt bei den Spielern. Die schaut bei den Spielen natürlich weiter zu, wenn sie gesund ist. Aber sonst macht sie jetzt gar nichts mehr. Sie wollte ja schon länger kürzer treten.

Sie sind jetzt für den Posten des Ehrenvorsitzenden beim FC Pipinsried im Gespräch. Haben Sie überhaupt Lust darauf?

Ich will ein Stimmrecht, wenn ich Ehrenvorsitzender bin, um die Sache überwachen zu können. Ich will sehen, wie da gewirtschaftet wird. Den Kasperl mach ich hier nicht.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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