20 Klassenzimmer fehlen:Streit um fünftes Gymnasium

ITG Erweiterung

Hier geht nichts mehr: "Bis auf den letzten Millimeter ist das Ignaz-Taschner-Gymnasium erweitert", sagt Rektor Erwin Lenz.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Landrat Löwl (CSU) drängt auf den Bau einer weiteren Schule. Laut einer Studie kommen als Standorte nur Hebertshausen oder Röhrmoos in Frage. Aber fast alle Bürgermeister wollen die Einrichtung.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Landrat Stefan Löwl (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) haben erst vor wenigen Wochen den Bau eines Gymnasiums in Karlsfeld mit einem Kooperationsvertrag besiegelt. Voraussichtlich 2024 soll die fünfzügige Schule fertig sein. Neben zwei Einrichtungen in Dachau und einer in Markt Indersdorf, ist Karlsfeld die Nummer vier im Landkreis. Doch nun diskutieren die Kreisräte schon über das fünfte Gymnasium, und vor allem drüber, wo es hinkommen soll.

Löwl kann es vor dem Hintergrund rasant steigender Bevölkerungs- und Schülerzahlen sowie der Rückkehr zum G 9 gar nicht schnell genug gehen. Bis Weihnachten hätte er gern einen Beschluss für die Nummer fünf, sonst müsse man in wenigen Jahren Container aufstellen, weil die Gymnasien überlaufen würden, sagte er am Freitag im Schulausschuss des Kreistages: "Bei uns brennts'."

Der erste Knackpunkt steht bereits 2025 an

Die Bevölkerungskurve im Landkreis kennt nur einen Weg: steil nach oben. Derzeit leben hier rund 153 000 Menschen, bis 2035 kommen laut dem Statistischen Landesamt 20 000 Einwohner hinzu. Die Zahl der Zehn- bis Achtzehnjährigen, also der Schüler im Gymnasialalter, steigt dem Schulbedarfsplan zufolge in den nächsten 17 Jahren um 33 Prozent auf fast 18 000. Momentan wechselt mindestens jeder dritte Grundschüler im Landkreis auf ein Gymnasium. Der Landkreis muss bis 2035 Platz schaffen für mehr als 5300 Gymnasiasten. Doch der erste Knackpunkt steht bereits 2025 an, nämlich dann wenn die ersten G 9-Schüler in die 13. Klasse kommen. "20 Klassenzimmer werden uns fehlen. Wir müssen jetzt anfangen, damit wir fertig werden", sagte Löwl.

Vom neuen Karlsfelder Gymnasium erwartet man sich eine kaum spürbare Entlastung, da dort auch Kinder aus München auf die Schule gehen werden. Die Gymnasien in Dachau und Markt Indersdorf platzen schon jetzt aus allen Nähten und sind auch infrastrukturell an einer Grenze angelangt. "Das Ignaz-Taschner-Gymnasium ist bis auf den letzten Millimeter erweitert", sagte Rektor Erwin Lenz den Kreisräten. Sein Kollege Peter Mareis vom Josef-Effner-Gymnasium klagte, dass die Lehrer ein Teil der Schüler bereits in einer Zweigstelle unterrichten müssen. Thomas Höhenleitner, Leiter des Markt Indersdorfer Gymnasiums, sagte, in ein paar Jahren gebe es weniger Klassenzimmer als Klassen.

Löwl hat den Freistaat mit ins Boot geholt

Löwl hat den Freistaat mit ins Boot geholt. Wie er berichtet, gab es im Juni ein Gespräch mit dem Ministerialbeauftragten für Gymnasien in Oberbayern-West. Auch der sehe die dringende Notwendigkeit eines weiteren Gymnasiums im Landkreis Dachau und habe seine volle Unterstützung zugesagt. Bei den Kosten ist die Rede von 60 bis 70 Millionen Euro.

Nun will der Landrat auf die Tube drücken. Doch dass die Entscheidung über den Standort alles andere als schnell über die Bühne gehen dürfte, hat sich in der Ausschusssitzung angedeutet. Viele Bürgermeister hätten gerne ein Gymnasium in ihrer Gemeinde. Zwar diskutierten die Kreisräte erst in der nicht-öffentlichen konkret über die Kommunen, die infrage kommen. Doch schon zuvor erhitzte der Statistiker Christian Rindsfüßer vom Institut für Sozialplanung (Sags) die Gemüter. Im Auftrag des Landkreises hatte Rindsfüßer innerhalb weniger Monate analysieren müssen, welche Gemeinden die Kriterien des Kultusministeriums überhaupt erfüllen würden. Er schaute sich die Kommunen, die an der S-Bahn-Linie S2 nach Petershausen und der A 8 liegen. Die entscheidende Vorgabe ist, dass genügend Schüler die dreizügige Einrichtung an dem Standort besuchen würden. Rindsfüßers Ergebnis: Nur Röhrmoos und Hebertshausen würden die erforderliche Zahl an Schülern aufbringen können. "Odelzhausen, Sulzemoos und Bergkirchen bleiben zurück."

Mit der Studie waren die Kreisräte alles andere als einverstanden

Mit dem Ergebnis, aber auch mit der Studie generell waren die meisten Kreisräte alles andere als einverstanden. Sie kritisierten einerseits deren Aussagekraft, weil Rindsfüßer unter anderem Zahlen des Planungsverbandes aus Zeitgründen außen vor lassen und sich auf Daten des Statistischen Landesamtes und der bestehenden Gymnasien beschränken musste. Andererseits vermissten sie Absprachen mit den Nachbarlandkreisen. Landstagsabgeordneter Martin Güll (SPD) sagte: "Wir müssen doch den Gesamtkontext sehen." Die Gemeinde Petershausen etwa baue die Grundschule vierzügig aus. Dass so etwas nicht berücksichtigt werde, sei "vollkommen irrsinnig". Und der Sulzemooser Bürgermeister Gerhard Hainzinger (CSU) schimpfte: "Einen größeren Unsinn als so eine Vorgabe habe ich noch nie gesehen." Diese Grundlage dürfe keine politische Entscheidung bestimmen.

Löwl verteidigte das schnelle Vorgehen. "Einen interkommunalen Austausch schaffen wir in der Zeit nicht. Und der Zeitfaktor schlägt alles." Nur Mechthild Hofner (ÖDP) unterstützte den Landrat. Statt für Container sollte man das Geld lieber für eine neue Schule ausgeben.

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