Computerspiel:Virtuelle Bauherren

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inecraft ist bei Jugendlichen seit Jahren beliebt. Im Jugendtreff Café Netzwerk können sie es nun spielen. (Foto: Robert Haas)

In sechs Freizeiteinrichtungen des Kreisjugendrings können Kinder jetzt unter Anleitung Computer spielen. Bei "Minecraft" geht es darum, eigene Welten aufzubauen, ohne die der anderen zu zerstören

Von Franziska Gerlach

Paul, Urs und Simon haben recht konkrete Vorstellungen. Sieben Geschosse soll ihr Haus hoch werden, einen Aufzug haben und noch einige Schikanen mehr. Eine Herausforderung ist das für die 15 Jahre alten Hobbyarchitekten nicht. Sie wissen längst, wie man bei Minecraft zum eigenen Traumhaus kommt. Versiert lassen sie ihr virtuelles Alter Ego durch eine Welt flitzen, in der alles eckig aussieht, selbst die Bäume. Simon klickt einen an. "Wenn man Holz hat, kann man sich eine Werkbank bauen, und damit dann ein Haus", sagt Paul. Ein kompliziertes Spiel? Nicht für die 43 Kinder und Jugendlichen, die am Samstagnachmittag ins Café Netzwerk gekommen sind, um zu feiern, dass man künftig in sechs Freizeiteinrichtungen des Kreisjugendringes München-Stadt (KJR) Minecraft spielen kann. Dazu gehören das Café Netzwerk in der Maxvorstadt, das Intermezzo in Fürstenried, das Laimer Jugendzentrum, der Freizeittreff Freimann, das Soundcafé in Schwabing sowie der Treff 2Club in Sendling.

Gut sechs Jahre ist es her, dass der Schwede Markus "Notch" Persson sich die virtuelle Klötzchenwelt ausgedacht hat. 2014 kaufte der Softwarekonzern Microsoft das Computerspiel. "Das Interesse ebbt nicht ab", sagt Cornelia Walter, die beim KJR die Fachstelle "Web 2.0" leitet. Und das hat durchaus was für sich, wie sie zuweilen auch besorgten Eltern erklärt. Das Spiel fördere die Kreativität, man lerne aber auch, Probleme zu bewältigen. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich ihre eigene Welt einrichten, später auch regelmäßig zusammen spielen. Der Server ist außerdem so konzipiert, dass den Spielern in den Stadtteilen unterschiedliche Fähigkeiten und Aufgaben zugewiesen werden können. "Dadurch müssen sie im Verlauf des Spiels kooperieren und gemeinsam Regeln entwickeln, so erlernen sie Partizipation spielerisch", sagt Walter.

Die Pädagogen verfügen über Administrationsprofile und können einschreiten, wenn sich online jemand flegelhaft benimmt. Etwas kaputt zu machen, was ein anderer gebaut hat, ist tabu. Und wie Wolfgang Haberl vom Intermezzo den Kindern anfangs erklärt hat, gibt es die Funktion "Person versus Person" nicht. "Och", tönt es durchs Café Netzwerk. Und auch der 13 Jahre alte Florian sagt, dass er am liebsten Personen gegeneinander kämpfen lässt, weil man dazu schnell und geschickt sein müsse. Dem gleichaltrigen Maxi gefällt etwas Anderes gut: "Da kann man machen, was man will", sagt er. Gerade ist er damit beschäftigt, "Material" zu sammeln. Schafe für Wolle, Schweine für Leder, was man eben so braucht. Und selbst der Laie, gerade einmal imstande, seine Figur unbeholfen über den Bildschirm hüpfen zu lassen, spürt den Reiz des Spiels. Ist der Ehrgeiz erst einmal geweckt, will man weitermachen: Man möchte die Welt erkunden, in der alles möglich scheint, auf Diamantensuche in einer Höhle gehen, oder sogar gegen einen Drachen kämpfen.

Fürs erste sollen die Kinder und Jugendlichen in ihren Teams ein Haus gestalten. Damit der Bezug zur Realität gegeben ist, wird ein Teil des Entwurfs zunächst mit Holzwürfeln gestaltet, später dann bei Minecraft. Mustafa, Laura und Isabell aus Freimann haben sich auf Youtube, wo es vor Spielanleitungen nur so wimmelt, zu einem Wolkenhaus inspirieren lassen. Laura hat schon die Außenwand mit dem Tor geklebt und sie himmelblau angemalt, auch Mustafa pinselt gerade ein Klötzchen an. "Das gibt einen Blumenstängel", sagt er. Und es stört ihn offenbar nicht, dass er noch ein paar Mal drüber malen muss, bis dieser genauso grün ist wie das virtuelle Vorbild.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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