Am Ende ist der Regen sogar Teil der Show. Chris Martin stimmt irgendwann "Singin' in the rain" an und auf die Entfernung zur Bühne könnte man ihn glatt für den smarten Gene Kelly halten, der 1952 in dem gleichnamigen Musical steppte.
Das ist der Moment, an dem sich die Zuschauer plötzlich wieder erinnern, wo sie sind: Beim Konzert von Coldplay im Münchner Olympiastadion bei zwölf Grad Kälte und strömendem Regen. Das Gute daran: Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie die ungünstige Witterung glatt vergessen.
55.000 Zuschauer sind gekommen, um die Briten zu hören. Das Publikum rückt gut ausgerüstet in Gummistiefeln, Goretexjacken, wasserdichten Capes und Regenschirmen an. Selbst die vom Himmel herabstürzenden Fluten können die gute Laune nicht trüben - weder bei den Fans noch bei der Band. Als Briten dürften die vier Jungs von Coldplay das schlechte Wetter ja gewohnt sein - genauso wie die deutschen Fans.
Gleich zu Anfang kommt Sänger Chris Martin auf "the rain and all that shit" zu sprechen. Sie würden trotz der widrigen Bedingungen das beste Konzert spielen, auf dem die Münchner je waren, kündigt er an. Und ein bisschen sollte er recht behalten. Ganz egal, was man von der Band und ihren Pop-Songs halten mag - in einem vollen Stadion kann man sich der Magie der Balladen, der gut inszenierten Lichtshow und der Gefühlsduselei kaum entziehen.
Coldplay sind Meister der Bühnenshow. Diese ist aufwendig und dramaturgisch perfekt. An jeden Zuschauer wird etwa ein buntes Armband verteilt, alle Farben sind vorhanden. Bei manchen Songs fängt das Bändchen plötzlich rhythmisch an zu blinken - in Rot, Rosa, Blau, Grün, Gelb und Weiß. Man muss dabei gewesen sein, um die unglaubliche Stimmung zu spüren, wenn plötzlich im Publikum 55.000 Armbänder blinken.
Dann die Performance der Band. Besser gesagt, die von Chris Martin, der konsequent den bescheidenen Indie-Sänger gibt. Er vergisst manchmal absichtlich den Text und kokettiert mit einem Underdog-Image, das er vermutlich nie hatte, weil er doch längst zur Rampensau geworden ist, die ein ausverkauftes Stadion zum Toben bringen kann. Brav hat er ein paar Sätze auf Deutsch parat, die er so glaubhaft rüberbringt, dass ihm das Publikum abnimmt, er spreche aus Leidenschaft ein bisschen Deutsch.
Dass er die gleiche Show, auf Spanisch, vor nicht allzu langer Zeit im River-Plate-Stadion in Buenos Aires ganz und gar identisch abgezogen hat, sogar mit den gleichen Textaussetzern, das weiß in München keiner. Wahrscheinlich spult Martin die Masche in jeder Stadt und in jedem Stadion, das Coldplay bespielt, identisch ab.
Trotz, oder vielleicht gerade wegen all der einstudierter Routine muss man den vier Jungs - neben Chris Martin ist Jonny Buckland an der Gitarre, Will Champion am Schlagzeug und Guy Berryman am Bass - lassen, dass sie sich nicht im Geringsten vom Münchner Sauwetter beeindrucken lassen und zwei Stunden gut gelaunt ihre Fans unterhalten.
Sämtliche bekannte Songs sind dabei, etwa "In my place", "The Scientist", "Warning Sign", "Viva la vida", "Paradise" und "Clocks" sowie das zusammen mit Rihanna eingesungene "Princess of China", bei dem die Sängerin auf den großen Leinwänden eingeblendet wird. Erst drei Tage vor dem Konzert in München hatte sie mit Coldplay noch live gesungen: bei der Abschlussfeier der Paralympics in London.
Coldplay sind nicht nur Meister der Inszenierung, sondern auch eine echte Konsens-Band, was ihre Fans angeht. Neben Teenagern, jungen Muttis und jung gebliebenen Alternativen amüsieren sich auf der VIP-Tribüne unter anderen auch Feinkostkönig Michael Käfer mit Frau Clarissa und FC-Bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger mit Freundin Sarah Brandner.
Am Ende müssen alle wieder raus in den Dauerregen - egal ob Normalo oder Promi. Verzückt lächeln sie dennoch alle. Das Wetter ist eben nicht immer alles.