Christbaum für den Marienplatz:Fichten sollst du sichten

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Viele Menschen haben eine Meinung zu ihm: Der Christbaum auf dem Münchner Marienplatz, hier das Exemplar 2012. (Foto: Jakob Berr)

Dieses Jahr soll der Christbaum auf dem Münchner Marienplatz aus Bad Kohlgrub im Landkreis Garmisch-Partenkirchen kommen. Die Erwartungen an die Fichte sind enorm. Doch kann der Baum den Wünschen der Münchner gerecht werden?

Von Christiane Lutz

Hungerfichte. Krummfichte. Monstrum vor dem Glockenspiel. Was hat er sich nicht alles Unschönes zuschreiben lassen müssen, der Christbaum, der 2011 auf dem Marienplatz statt Weihnachtsstimmung eher Magenverstimmung auslöste. Mickrig, schief, zerfranst, so war sie, die Fichte aus Aschau im Zillertal. Darüber konnten auch die 2500 Kerzen nicht hinwegtäuschen. Dementsprechend groß war der Druck vergangenes Jahr auf die Spendergemeinde Bad Bayersoien. Doch deren Baum passierte den Christbaumtest und erntete Lob und Anerkennung. Eine ganze Gemeinde atmete auf.

Heuer ist Bad Kohlgrub im Landkreis Garmisch-Partenkirchen dran. Und wieder sind die Erwartungen an die Fichte mindestens so groß wie diese hoch sein soll. Auf 730 Metern Höhe am Rande eines Moorgebiets, zwischen Bad Kohlgrub und dem Staffelsee, steht sie noch: die Fichte, die den Marienplatz dieses Jahr in adventlich-kitschigen Glanz tauchen soll. "München den Christbaum zu stiften, ist das Highlight meiner politischen Karriere", sagt Gerald Tretter, Bürgermeister von Bad Kohlgrub, hörbar bewegt.

Die Liste der Spender ist lang

Er und seine Gemeinde hatten beinahe nicht mehr damit gerechnet, überhaupt noch zum Zug zu kommen. Schon zehn Jahre ist es her, dass sich Bad Kohlgrub darum bewarb, einen Baum für den Marienplatz spenden zu dürfen. Doch so läuft das Christbaum-Prozedere in München. Die Liste der Spender ist lang: Aktuell müssen die Gemeinden 15 Jahre warten, bis sie und ihr Baum an der Reihe sind. "Die Angebote sortieren wir streng nach Eingang", sagt Hans Steindl, "aber jeder kommt dran."

Bewerben können sich Kommunen aus Deutschland, Südtirol oder Österreich. Hans Steindl arbeitet in der Protokollabteilung der Stadt München, die normalerweise Ehrungen und Festakte organisiert. Einmal im Jahr ist er Christbaumbeauftragter. Steindl macht den Job seit Jahren und weiß, wie der ideale Kandidat auszusehen hat: Frei sollte er stehen, damit das Astwerk rundherum gleichmäßig ausgeprägt ist, etwa 28 Meter hoch, stramm und stattlich, schließlich illuminiert der Baum nicht nur das Rathaus, sondern auch den zu seinen Füßen aufgebauten Christkindlmarkt inklusive Touristengesichter. Falsch zu machen gibt es vieles, das Publikum ist, wie gesagt, anspruchsvoll. Das Desaster von 2011 soll sich auf keinen Fall wiederholen.

Auf einem anderen Marienplatz hat man derweil andere Sorgen, in Freising nämlich. Da muss der passende Baum erst noch gefunden werden. Wie jedes Jahr startete die Stadt einen öffentlichen Aufruf an ihre Bürger, im Garten nachzusehen, ob da nicht zufällig ein Baum steht, der mit ein paar Lichtern versehen einen passablen Christbaum abgeben würde. Zwölf bis 14 Meter darf er messen, rund gewachsen soll er sein, ganz so wie sein großer Bruder vom anderen Marienplatz.

Das ganze Jahr über gingen Angebote im Rathaus ein, aber das richtige war nicht dabei. Wenn bis zur Woche vor dem ersten Advent kein Baum gefunden sei, kaufe die Stadt eben einen, heißt es aus dem Rathaus. Doch ganz so dringend sei es ja noch nicht, bisher habe man immer einen geeigneten Christbaum geschenkt bekommen.

Gerald Tretter erhielt schon vergangenen November den verheißungsvollen Anruf aus München, also ein Jahr vor der Baum-Stiftung. Sofort begann in und um Bad Kohlgrub die Suche nach der perfekten Fichte, denn meist sind es Fichten, die als Christbäume auf dem Marienplatz stehen. Drei Bäume schafften es in die engere Auswahl, ein Baumsachverständiger testete ihre Standhaftigkeit, dann kam Hans Steindl aus München und begutachtete mit Bürgermeister Tretter die Kandidaten. Bad Kohlgrub hielt den Atem an. "Es ist immer gut, noch einen Reservebaum in petto zu haben", sagt Tretter, "falls der Blitz in einen reinfährt." Der Blitz fuhr nirgends rein, und so ist die offiziell Erwählte jetzt 27 Meter hoch, 7,5 Tonnen schwer und mit 80 Jahren in einem Alter, in dem die Menschen die Höhepunkte ihres Lebens meist schon hinter sich haben.

"Ich hab ein gutes Gefühl mit unserer Fichte", sagt Tretter. 2012 durfte er, das ist so üblich, bei der Eröffnung des Christkindlmarkts auf dem Rathausbalkon dabei sein und schon mal vorfühlen, wie es so ist als Baumspender. Das, so Tretter, sei ein besonders erhebendes Gefühl gewesen. Die Fichte aus Bad Bayersoien wurde, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin 2011, sehr gelobt. "Ich glaube", so Tretter, "das schaffen wir auch." Am liebsten würde er seine Fichte mit einem Hubschrauber auf dem Marienplatz einschweben lassen, so begeistert ist er. Da das leider nicht geht, wird die Auserwählte diesen Freitag ordnungsgemäß gefällt, auf dem Tieflader nach München gefahren, am 12. November um etwa 6 Uhr früh von der Feuerwehr in einen zwei Meter tiefen Schaft vor dem Rathaus eingelassen und vom Baureferat, Abteilung Straßenbeleuchtung mit rund 3000 Lichtern bestückt.

Die Herzen der Münchner erobern

Bad Kohlgrub darf, wie jede Stifter-Gemeinde, an einem Stand im Innenhof des Rathauses regionale Produkte oder einfach Glühwein verkaufen. Bei einem Gewinnspiel kann man in diesem Jahr Zugang zu einem der Handy-Schließfächer auf dem Bad Kohlgruber Hausberg, dem Hörnle gewinnen. "Die Sieger müssen also aufs Hörnle steigen und sich ihren Preis aus einem der 24 Fächer holen, wie bei einem Adventskalender." Zu gewinnen gibt es Ballonfahrten und Wellnesswochenenden. 300 Helfer sind bereits angeheuert, den Stand abwechselnd zu betreuen. Man legt sich mächtig ins Zeug in Bad Kohlgrub, um die Herzen der Münchner nicht nur mit dem Baum zu erobern.

Steht die Fichte, geht alles ziemlich schnell: Der Christkindlmarkt dauert bis 24. Dezember, der Baum wird pünktlich nach Dreikönig am 8. Januar abgebaut, wegrationalisiert quasi, um Platz für die Narren zu machen, die schon bald darauf den Marienplatz bespaßen werden. Was mit der Fichte geschieht, entscheidet die Stadt. Es gab schon Christbäume, die eine drittes Dasein als Maibaum begannen .

Fest steht: Bürgermeister Tretter wird bei der Eröffnung des Christkindlmarkts am 25. November um 17 Uhr mit Christian Ude vom Rathausbalkon winken. Nervös und glücklich. An seiner Seite wird ein wahrscheinlich ebenfalls nervöser Mann stehen: Thomas Holz, der Bürgermeister der Gemeinde Kochel am See. Von dort nämlich kommt der Christbaum 2014.

© SZ vom 06.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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