Chanson:Ins Ziel gebracht

Lesezeit: 2 min

So gut wie lange keine mehr nimmt Jasmin Tabatabai die Tradition der Gesangsdarstellerinnen à la Marlene Dietrich oder Hildegard Knef wieder auf. (Foto: Mathias Bothor)

Jasmin Tabatabais neues Album "Jagd auf Rehe" erweist sich als Glücksfall

Von Oliver Hochkeppel

Jasmin Tabatabai gehört zur - man denke an Jan Josef Liefers, Axel Prahl oder einst Manfred Krug - gar nicht so seltenen Kategorie "Schauspieler und Sänger". Genau genommen kam die Musik bei ihr sogar zuerst. Die 1967 in Teheran geborene Tochter einer Deutschen und eines Iraners, die sich 1958 auf dem Oktoberfest kennengelernt hatten, schrieb in Krailling ihre ersten Songtexte. Dahin war die Familie 1979 vor dem Mullah-Regime geflohen. Als Tabatabai 1988 zum Studium nach Stuttgart an die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ging, stieg sie in die Jazz-Funk-Truppe Eskimo's Ecstasy ein, und stellte danach mit Goodbye Strassberg ihre erste eigene Band auf die Beine. So war sie im Musikbereich schon ein Routinier, bevor sie 1992 erfolgreich im Kino debütierte, als Zigeunermädchen in dem Schweizer Film "Kinder der Landstraße". Und auch ihre neue Wahlheimat Berlin - wo sie im Übrigen seit 2006 die ehemalige Villa des DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl in Pankow bewohnt - rockte sie von 1993 an mit ihrer Country-Rock-Mädels-Spaßband Even Cowgirls get the Blues, samt eigenem Label.

So ist es wohl auch kein Zufall, dass ihr Durchbruch mit der Kombination ihrer beiden Leidenschaften kam: In Katja von Garniers Film "Bandits" spielte sie 1997 nicht nur eine Hauptrolle, sie schrieb auch den Soundtrack, der sich 750 000 Mal verkaufte und ihr die "Goldene Schallplatte" einbrachte. Danach rissen sich die Labels um sie, doch ihre Erfahrungen mit egozentrischen Produzenten waren so abschreckend, dass sie sich auf ihre Filmkarriere konzentrierte. Nur noch nebenbei entstand in Eigenregie ein wenig erfolgreiches Album. Dafür wurde Tabatabai eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Schon 1999 hatte sie einen Filmmoment für die Ewigkeit, als Harald Schmidt in Helmut Dietls "Late Show" an ihrem Zeh lutschte, danach spielte sie Hauptrollen in diversen Kino-Hits wie "Sams in Gefahr", "Fremde Haut", "Elementarteilchen" oder "Der Baader-Meinhof-Komplex". Seit 2012 ist sie als Kommissarin Minna Amiri in der ZDF-Serie "Letzte Spur Berlin" auch ein Fernsehstar.

Dass es mit der Musik aber doch noch etwas wurde, ist dem vielseitigen Basler Jazzsaxofonisten David Klein zu verdanken. Die beiden lernten sich im Jahr 2000 bei der Tucholsky-Verfilmung "Gripsholm" kennen, für die Klein den Soundtrack und Tabatabai eine Version von "Vorbei" auf den Leib geschrieben hatte, die sie tief berührte. Es dauerte dann freilich noch ein Jahrzehnt, bis der hartnäckige Schweizer sie endgültig zu einem gemeinsamen Jazz-Projekt überreden konnte. Für das gemeinsame Album "Eine Frau" bekam Tabatabai 2011 auf Anhieb den Echo Jazz. 2016 folgte "Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?" und soeben ist das neueste Ergebnis dieser Zusammenarbeit erschienen: "Jagd auf Rehe". Mit 15 Songs, die erneut die große Bandbreite Tabatabais bestätigen. So reicht die Palette von Schuberts klassischem "Ständchen" bis zu Annie Lennox' poppigem "Why", von Cole-Porter-Swing (gleich drei seiner Songs mit deutschen Texten) bis zum Beatles-Ohrwurm ("Hey Jude"), vom exotischen persischen Volkslied (der Titeltrack "Shekare Ahoo") bis zum Knorrig-Deutschen einer Hildegard Knef ("Lass mich bei dir sein"), vom Sprach-Witz eines Reinhard Mey ("Männer im Baumarkt") bis zum eigenen Songwriting ("Anymore").

Alles ist von Klein souverän arrangiert und von seinem Quartett mit dem Pianisten Olaf Polziehn, den WDR-Bigband-Cracks John Goldsby am Bass und Hans Dekker am Schlagzeug sowie dem Trompeter Bastian Stein als Gast makellos begleitet. Und ist die konsequente Fortsetzung des Glücksfalls, dass Klein die Chanson-Stimme Tabatabais als ihr entscheidendes Potenzial erkannte und freisetzte. Tabatabai nimmt so gut wie lange keine mehr die Tradition der Gesangsdarstellerinnen à la Marlene Dietrich oder Hildegard Knef wieder auf. Die waren auch im eigentlichen Sinne keine Jazz-Sängerinnen, verstanden es aber wie jetzt die Tabatabai, Liedtexte kraft ihrer ganzen Persönlichkeit ins Ziel zu bringen.

Jasmin Tabatabai & David Klein Quartett: "Jagd auf Rehe" (Jadavi/Galileo)

© SZ vom 08.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: