Bundeswehr im Hofgarten:Zweifel am Beförderungsappell

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Ein militärisches Zeremoniell im Münchner Hofgarten? Die Grünen halten die Aufstellung von Offiziersanwärtern rund um das Kriegerdenkmal für "historisch bedenklich". Bei CSU und SPD stößt dieses Bedenken auf Unverständnis.

Dominik Hutter

Ein militärisches Zeremoniell im Hofgarten? Bei den Grünen im Rathaus löst diese Vorstellung erhebliches Unbehagen aus. Fraktionschef Siegfried Benker hat sich deshalb in einem offenen Brief an die Präsidentin der Bundeswehr-Universität gewandt und bittet um die Verlegung des für Ende Juni geplanten "Beförderungsappells" an einen anderen Ort, am besten den Uni-Campus in Neubiberg.

Im Jahr 2009 traten Rekruten der Bundeswehr auf dem Marienplatz zum öffentlichen Gelöbnis an. (Foto: dpa)

Die Aufstellung von Offiziersanwärtern rund um das nach dem Ersten Weltkrieg errichtete Kriegerdenkmal sei "historisch bedenklich" - eine Einschätzung, die allerdings bei SPD und CSU auf völliges Unverständnis stößt.

Auch Merith Niehuss, die Präsidentin der Universität, betont, die Bundeswehr als Parlamentsarmee sei kein Staat im Staate und habe es nicht verdient, sich verstecken zu müssen. Es gebe zahlreiche historisch belastete Plätze in der Münchner Innenstadt. "Auch diese Orte müssen einer demokratischen Nutzung zugeführt werden."

Die Veranstaltung im Hofgarten am 29. Juni ist groß angelegt: Fast 600 Offiziersanwärter sollen dort gleichzeitig zum Offizier befördert werden, Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) haben ihr Kommen angekündigt. Den feierlichen Appell gibt es schon seit fast 40 Jahren - bislang fand er stets auf dem Uni-Gelände statt. Der Aufmarsch in der Münchner Innenstadt ist eine Premiere.

Allerdings keine angenehme, wie Benker findet. Bei "anderen großen Behörden" wie Post und Bahn käme schließlich auch niemand auf die Idee, Beförderungen in aller Öffentlichkeit zu zelebrieren - ein Vergleich, den Niehuss angesichts der ständigen Lebensgefahr bei Auslandseinsätzen für "völlig verfehlt" hält.

Benker lehnt eine "Militarisierung des öffentlichen Raums" jedoch schon aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Besonders unglücklich sei die Entscheidung für den Hofgarten - schließlich habe das im Dezember 1924 eingeweihte Kriegerdenkmal stets als "Ort des politischen Revanchismus" gedient. Schon bei der Einweihung seien alle fortschrittlichen Kräfte aus Protest ferngeblieben.

Später seien nationalistische wie nationalsozialistische Organisationen dort aufmarschiert. Da das Monument später auch zum Denkmal für die toten Soldaten des Zweiten Weltkriegs erklärt wurde, stelle sich die Bundeswehr mit ihrer Ortswahl "in eine Reihe mit den Gefallenen der Wehrmacht".

Die beiden großen Fraktionen SPD und CSU können die Argumente der Grünen nicht nachvollziehen. Offenbar suche Benker eine "Gelegenheit, seinen sozialistischen Grundansatz in der Öffentlichkeit zu schärfen", poltert CSU-Fraktionsvize Hans Podiuk. Es sei "heuchlerisch", den Soldaten stets zu erklären, dass sie Teil der demokratischen Gesellschaft seien - und ihnen dann zu verwehren, in die Öffentlichkeit zu gehen. Zumal das Monument im Hofgarten nicht der Verherrlichung des Soldatenlebens diene, sondern als Mahnung, Kriege unbedingt zu vermeiden.

Auch der SPD-Fraktionschef Alexander Reissl interpretiert das Mahnmal im Hofgarten völlig anders als der grüne Koalitionspartner. Es komme immer auf die Gedanken des Betrachters an, findet Reissl - und die seien bei Benker wohl anders als bei ihm selbst.

Auch Reissl betont, dass sich eine Parlamentsarmee nicht verstecken müsse. Offenbar habe der Veranstaltungshinweis der Bundeswehr-Universität bei den Grünen einen "Pawlowschen Reflex" ausgelöst. Dabei sei die Bundeswehr optisch kaum präsent, obwohl in München immerhin noch 6000 Soldaten stationiert sind.

Öffentliche Zeremonien der Bundeswehr führen immer wieder zu Protesten. Als im Juli 2009 rund 500 Rekruten auf dem Marienplatz ihr Treuegelöbnis ablegten, waren rund 200 Gegendemonstranten aufmarschiert, darunter auch Benker sowie Vertreter der Gewerkschaft Verdi. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte sich damals über das Verhalten der Grünen empört gezeigt.

© SZ vom 05.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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