Buchtipp:Zerrieben in der Familie

(Foto: N/A)

"Was Nina wusste" von David Grossman handelt von Menschen in extremen Zeiten, von nicht wieder gut zu machenden Fehlern und vom manchmal vergeblichen Versuchen, Wahrheit und Lüge voneinander zu scheiden. Ein vielschichtiger Roman.

Von Antje Weber

"Freu dich!" bedeutet der hebräische Name Gili. Freude ist allerdings nicht gerade das Gefühl, das im Leben der israelischen Filmemacherin Gili vorherrscht. Die Ich-Erzählerin fühlt sich zerrieben in einer Familie, die schwieriger kaum sein könnte; der Grundkonflikt zwischen ihrer Großmutter Vera und ihrer Mutter Nina reicht viele Jahrzehnte zurück. In seinem Roman "Was Nina wusste" umkreist der israelische Schriftsteller David Grossman die titelgebende Frage: Was weiß Nina über die lebenswichtige Entscheidung, die ihre Mutter Vera in Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg treffen musste? Warum verschwand Vera, nachdem ihr als Stalinist angeklagter Mann sich in der Haft umgebracht hatte, selbst in einem Folterlager und überließ ihre kleine Tochter einem ungewissen Schicksal? Wie weit kann, wie weit darf Liebe gehen? Grossman erzählt, inspiriert von der Biografie Eva Panić-Nahirs, in diesem vielschichtigen, tiefgründigen Roman in psychologischer Feinstarbeit von Menschen in extremen Zeiten, von nicht wiedergutzumachenden Fehlern und den oft trügerischen Wahrheiten unserer Erinnerung. Die Filmemacherin Gili jedenfalls wird bei einem Filmdreh über ihre Familie in vielen Gewissheiten erschüttert. Und bekommt irgendwann, trotz allem, doch noch einigen Grund zur Freude.

David Grossman: Was Nina wusste (Roman, Hanser, 351 Seiten); Lesung mit dem Autor (live zugeschaltet) im Literaturhaus: Do., 10. September, 20 Uhr, Saal und Livestream, weitere Infos unter literaturhaus-muenchen.de

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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