Slowenien:Entscheidung von unten

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Die Slowenen haben sich in wenigen Jahren zur dominierenden Kletternation Europas entwickelt. Trotz starker Leistungen der Münchner Sportlerinnen und Sportler überzeugten sie Zuschauer und Jury in der Olympiahalle.

Von Niccolo Schmitter, München

Blickt man als Zuschauer eines Boulder-Weltcups in die Gesichter der Athleten, wird einem ein bestimmter Gesichtsausdruck häufiger auffallen: den der Verzweiflung. Es verschafft dem Durchschnittsbürger ein gewisses Maß an Genugtuung, wenn er sieht, wie sich auch die besten Kletterer der Welt an den schwierigsten Kletterwänden der Welt die Zähne ausbeißen. Wenn selbst absolute Profis sich nach langem Grübeln schulterzuckend von der Wand abwenden, dem Publikum signalisieren, dass dieser Boulder einfach ihre Möglichkeiten übersteigt, weiß man, dass auch sie nur Menschen sind. Und dann gibt es noch Janja Garnbret.

Mit dem ersten Platz sowohl in der Qualifikation als auch im Halbfinale in München erreichte die junge Slowenin das Finale am Samstag ohne Probleme. Dort hüpfte sie vor dem ersten Boulder mit einem breiten Lächeln aus der Isolationszone hinter den Wänden hervor (die Athleten dürfen nicht sehen, wie die Konkurrenten vor ihnen die Boulder angegangen sind) und begrüßte mit beiden Händen winkend das Münchner Publikum. Dann drehte sie sich um, betrachtete kurz die Wand vor ihr und kletterte einfach los. In einer Tour war Garnbret an der Spitze angelangt. Das Gleiche verrichtete sie beim zweiten Boulder. Und beim dritten. Und beim vierten.

Die Slowenin bezwang im Finale der Weltcup-Serie alle vier Kletterparcours jeweils im ersten Versuch, eine unfassbare Leistung. "Ich bin einfach ohne jeden Druck geklettert", versuchte die erst 19-Jährige ihre Leistung zu erklären. Das Publikum habe ihr auch geholfen. "Der Schauplatz ist wunderbar, die Leute sind perfekt", lobte Garnbret. "Ich freue mich immer darauf, zu diesem Wettbewerb zu kommen." Kein Wunder: Bereits 2017 holte sie sich den Sieg unter dem Dach des Münchner Olympiastadions.

Auch bei den Männern waren es die Slowenen, die die Spitze des Podiums erklommen. Gregor Vezonik holte den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere, Landsmann Jernej Kruder wurde Zweiter. Er konnte sich locker damit trösten, parallel den Gesamtweltcup gewonnen zu haben. "Wenn wir auf der Matte stehen, sind wir wirklich schwer zu stoppen", sagte Vezonik.

Woher kommt diese Dominanz? Der in der Szene als "Boulder-Professor" bekannte Udo Neumann verweist dabei zunächst auf die Japaner: "Die haben eine basisdemokratische Art der Entscheidungsfindung." Auf der untersten Ebene werde entschieden, die Entscheidung schließlich auf die nächste Ebene weitergetragen, alles laufe "sehr strukturiert" ab. In Slowenien funktioniere dies offenbar ähnlich. "Die Japaner Europas sind die Slowenen", weiß Neumann. Die Erfolge der vergangenen Jahre sprechen jedenfalls dafür. Die Franzosen sind ein Gegenbeispiel, sie investierten viel Geld, litten aber unter starren Hierarchien und Erfolglosigkeit.

Der Deutsche Alpenverein ist dabei, sich an den neuen Vorbildern zu orientieren. "Wir haben einen guten internationalen Austausch", versichert Bundestrainer Urs Stöcker. Es gebe Trainingslehrgänge in Japan, der in der Breite inzwischen wohl am besten aufgestellten Nation. Der Schweizer blickt zuversichtlich nach vorn: "Der Weltcup hat noch Schwächen gezeigt, an denen wir arbeiten müssen." Behebe man die, stünden die Chancen gut. Neumann ist skeptischer: "Erfolgreich bei Olympia wird der sein, der gut strukturiert ist. Außer bei den Slowenen oder bei den Japanern läuft es beim Klettern aber bei niemandem gut."

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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