Bogenhausen:Wapperl statt Scheibe

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Reaktion auf den Parkdruck: Wer auf der südlichen Seite der Prinzregentenstraße auf Haidhauser Gebiet steht, muss bereits zahlen. (Foto: Catherina Hess)

Experten der Stadtverwaltung sehen in Teilen Altbogenhausens die Voraussetzungen für das Parkraum-Management erfüllt. Sie empfehlen, die Autofahrer nur bis 18 Uhr zur Kasse zu bitten, was die Bewohner entlasten könnte. Die Parkstadt kommt für ein Lizenzgebiet nicht infrage

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Es ist eine Grundsatzfrage: Sollen die Autofahrer auch im Stadtbezirk Bogenhausen fürs Parken zahlen oder nicht? Der Bezirksausschuss (BA) brütet seit 2008 über dieser Entscheidung, jetzt hat er sich von der Stadtverwaltung neue Zählergebnisse vorstellen lassen. Einen eindeutigen Hinweis liefern aber auch sie nicht. Für Mitte November wollen die Lokalpolitiker eine Einwohnerversammlung einberufen, um ein Meinungsbild abzufragen. Bei der Sitzung im Dezember könnte dann eine Entscheidung fallen.

Bisher liegt die Wapperl-Grenze an der Prinzregentenstraße: Auf der Südseite, die zu Haidhausen gehört, stehen seit zehn Jahren Automaten. Wer dort sein Auto abstellt, zahlt pro Stunde einen Euro oder riskiert einen Strafzettel. Im Norden auf der Bogenhauser Seite dagegen genügt noch immer die Parkscheibe. Der Stadtrat hatte 2008 zwar beschlossen, Parkraum-Management für Altbogenhausen einzuführen - in den beiden Lizenzgebieten Holbein- und Mühlbaurstraße. In die Praxis umgesetzt wurde der Beschluss aber nie, weil der Bezirksausschuss dagegen war.

Vertreter von CSU, FDP und Grünen im Stadtviertel-Gremium argumentierten, das Wapperl sei lediglich ein Instrument der Stadt, um Autofahrer abzuzocken. Außerdem gebe es genügend Parkplätze. Die Bewohner Altbogenhausens dagegen beklagen seit Jahren eine deutliche Verschlechterung des Angebots "tagsüber durch die zahlreichen Kanzleien, Büros und Agenturen in diesem Gebiet, abends auch immer häufiger durch das Prinzregententheater", wie ein Anwohner der Possartstraße schon 2011 an den BA schrieb.

Als der Stadtrat Ende 2012 beschloss, die Lizenzgebiete auszuweiten, erstmals auch auf Quartiere außerhalb des Mittleren Rings, kam Bewegung in die ideologisch festgefahrene Debatte der Bogenhauser Lokalpolitiker. Sie beschlossen, von der Stadtverwaltung aktuelle Verkehrszahlen anzufordern, um eine neue Diskussionsgrundlage zu bekommen, und zwar auch gleich zusätzlich für die Parkstadt Bogenhausen jenseits des Mittleren Rings.

Weil aber die Mühlen der Bürokratie langsam mahlen, dauerte es bis zur Präsentation zweieinhalb Jahre: Melanie Grötsch vom Planungs- und Daniel Sigl vom Kreisverwaltungsreferat erklärten den Stadtviertelvertretern jetzt bei einer Sondersitzung die Ergebnisse ihrer Zählung vom April dieses Jahres, der zweiten nach 2009. Schriftlich liegen den BA-Mitgliedern die Ergebnisse bis heute noch nicht vor, obwohl ihnen die Stadt genau dies zugesagt hatte.

Nach der neuen Untersuchung erfüllen die Gebiete Holbein- und Mühlbaurstraße in Altbogenhausen auch heute die Voraussetzungen fürs Parkraum-Management. In der Parkstadt Bogenhausen dagegen ist die Belastung zwar hoch, für das Wapperl reicht sie aber nicht. Suchverkehr in einem Gebiet beginne, wenn etwa 85 Prozent der Parkplätze im öffentlichen Raum belegt seien, erklärte Grötsch. Bei 95 Prozent werde es kritisch, 98 Prozent seien für die Stadtverwaltung der Grenzwert, von dem an eine Lizenzzone empfehlenswert sei.

Im Gebiet Holbeinstraße von der Isar bis zur Possartstraße und von der Prinzregenten- bis zur Sternwartstraße wird dieser Wert laut Studie mühelos erreicht. Wegen der vielen Pendler, die dort ihr Auto abstellen, liegt die Auslastung tagsüber sogar bei mehr als 100 Prozent. Vor allem an Maria-Theresia- und Möhlstraße sei es im Vergleich zur Zählung 2009 viel voller geworden. Für Kurzzeitparker gebe es kaum Chancen. "Da ist wirklich Not am Mann", resümierte Grötsch.

Das Gebiet Mühlbaurstraße, das sich im Osten anschließt und bis zum Mittleren Ring reicht, ist laut Grötsch "ziemlich gleichmäßig ausgelastet". Auch dort wird der kritische Wert von 98 Prozent erreicht. Dass in der südöstlichen Ecke viele Menschen wohnen, erkenne man an der "hohen Nachtbelastung" der Stellplätze.

In der Parkstadt dagegen, außerhalb des Mittleren Rings, decken sich die Klagen der Anwohner nicht mit den Ergebnissen der Studie: Die Parkraum-Experten teilten dieses Gebiet für ihre Zählung entlang der Gotthelfstraße: Westlich davon sind in Spitzenzeiten 91 Prozent der Parkplätze belegt, östlich davon nur 55 Prozent. "Hohe Auslastung, aber keine Überlastung", diagnostizierte Grötsch.

Die Diskussion in der Sondersitzung zeigte, dass im Bezirksausschuss nach wie vor Skepsis herrscht. Die CSU brachte Anwohnergaragen als Alternative zum Parkwapperl ins Spiel. Die SPD fragte nach dem Verdrängungseffekt. Sei das Parken kostenpflichtig, würden die Autofahrer einfach ausweichen - nach Norden oder aber nach Osten in die Parkstadt, das Problem werde also nur verlagert. Melanie Grötsch merkte an, dass es sich für Altbogenhausen anbieten könnte, nur bis 18 Uhr Geld zu verlangen. Danach seien die Pendler ja weg. Dem Verdrängungseffekt lasse sich zudem mit Kurzparkzonen an den Grenzen zum Wapperl-Gebiet begegnen. Ausschließlich mit der Parkscheibe zu arbeiten, sei aber keine Alternative: Pendler und Bewohner hätten darunter gleichermaßen zu leiden, nur Gästen und Geschäftskunden werde die Parkplatzsuche erleichtert.

Daniel Sigl vom Kreisverwaltungsreferat drängte den BA, eine Entscheidung zu treffen. "Wir brauchen jetzt die Grundrichtung, ob wir dort planen sollen oder nicht." Das machten die Vertreter der Stadtverwaltung den BA-Mitgliedern aber dann eher schwer: Auf die Frage nach ihrer eigenen Meinung sagte Melanie Grötsch, gerade in Gebieten mit Pendlerverkehr bringe das Wapperl sehr viel. Daniel Sigl dagegen erwartete nur geringen Nutzen für die Anwohner. "Es gibt ganz andere Gebiete, wo es wirklich viel schlimmer ist", sagte er.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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