Bogenhausen:Vom Anderssein

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Begnadeter Hauptdarsteller: der elfjährige Matteo als blinder Bettler aus Jericho bei der Generalprobe des Kindermusicals "Bartimäus". (Foto: Florian Peljak)

Im Kindermusical "Bartimäus" in der Nazarethkirche geht es um Ausgrenzung, Behinderung und Freundschaft

Von Franziska Koohestani, Bogenhausen

Matteo, elf, gekleidet in Lumpen, krümmt sich schweren Atems und fällt zu Boden. Schwankend richtet er sich wieder auf, geht einen Schritt weiter und fällt erneut. "Jesus, Sohn Gottes, hilf mir, bitte!", ruft er. Die anderen Kinder kichern. Verunsichert ertastet er nun den Weg nach vorne. Seine suchenden Augen sind von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt. Vor ihm steht, in ein weißes Gewand gehüllt, die achtjährige Mathilda. Während er zu ihr spricht, rudert sein Kopf hin und her - in etwa so, wie man es von dem Soulsänger Stevie Wonder kennt. Matteo spielt einen Blinden und die Hauptrolle im Kindermusical "Bartimäus - Ein wunderbarer Augenblick" der Nazarethkirche. Es erzählt die Bibelgeschichte des blinden Bettlers aus Jericho, der eines Tages von Jesus geheilt wird, und beleuchtet sie aus einer neuen Perspektive. So steht beispielsweise auch die Freundschaft von Bartimäus und seiner gehbehinderten Freundin Ava im Mittelpunkt, sowie dessen Ausgrenzung aus der Gesellschaft.

Unter der Regie von Karen Jens entsteht seit Anfang dieses Jahres das Stück mit 30 Kindern von sechs bis zwölf Jahren. Hinzu kommen zehn Musiker des Kinderorchesters, das von Dagmar Ruhwandl geleitet und dirigiert wird. Sie kommen aus unterschiedlichen Schulen und Gemeinden. Nicht nur für die Kinder, die gleichzeitig Lied- und Sprechtexte mehrerer Rollen, Tanzschritte und Aufstellungen auswendig lernen mussten, ist dieses Projekt eine große Herausforderung. Um mit der wilden Meute konzentriert zu arbeiten, müssen sich auch die Organisatoren in Geduld üben. Bei einer ersten Probe gestaltet sich das für Pfarrerin Christine Untch und Chorleiterin Monica Ettmayr noch schwierig. Die Aufstellungen dauern lange, die Kinder sind unruhig, wuseln umher, starren gedankenverloren ins Leere oder tuscheln angeregt. Bei der Generalprobe eine Woche später, sieht das schon ganz anders aus. "Ich bin fast umgefallen vor Hochachtung", sagt Karin Jens über die Kinder. Selbst in den Spielpausen fallen sie nicht aus der Rolle.

Die sieben Jahre alte Samira hockt mit geneigtem Kopf auf einer Stufe vor dem Altar. Sie lächelt. Johanna, die einen Maulwurf darstellt, hält ihre rechte Hand. Die anderen Kinder geben besonders Acht darauf, dass Samira mühelos mitspielen kann. Denn Samira ist auch im wirklichen Leben blind. "Das berührt mich sehr, weil wir mit dem Stück nicht nur eine Botschaft verkünden, sondern das, was das Stück aussagt, auch am Beispiel von Samira tun", sagt Christine Untch. Die Themen Ausgrenzung, Behinderung, Freundschaft und Zusammenhalt, um die sich das Musical dreht, sind somit für alle teilnehmenden Kinder hautnah erfahrbar und von besonderer Bedeutung.

Christliche Werte auf moderne Weise zu vermitteln, war das Ziel des Musicalprojekts. Bei den Kindern scheint das bereits geglückt zu sein. Die achtjährige Rosa in der Figur der Ava erlebt Ausgrenzung und Mobbing hin und wieder selbst in der Schule und findet: "Es ist total okay, wenn man anders ist." Ihrem Spielpartner Matteo gefällt eine andere Botschaft des Musicals besonders gut: das feste Band ihrer Freundschaft. Der Hauptdarsteller gilt unter den Organisatoren als Talent - sowohl wegen seiner klaren und souligen Gesangsstimme als auch wegen seiner ausdrucksstarken, angstfreien Schauspielerei. Zu sehen ist das Musical am Samstag, 16. Mai, um 18 Uhr in der Nazarethkirche, Barbarossastraße 3.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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