Der Himmel ist nicht blau - alles andere als das. Aber dieses winzige Holzhäuschen, in das vielleicht gerade mal drei Menschen hineinpassen, macht dem Blau eines Sommerhimmels alle Ehre. Eine Tür, zwei kleine Fenster und ein schwarzes Dach, das dem Orkan Sabine getrotzt hat. Das war's. Innen nur Holzregale. Noch sind sie leer. "Ich bin gespannt, was jetzt passiert, wie der erste Umsonstschrank im Viertel angenommen wird", sagt Hannah Patalong zur Eröffnung. Ein bisschen aufgeregt, aber voller Freude, dass eine kleine Idee tatsächlich Wirklichkeit geworden ist.
Alles begann mit einer Beobachtung, die die 33-Jährige in ihrem Viertel machte. Immer wieder hat sie draußen an vielen Ecken oder vor Eingangstüren kleine Pakete, kleine Taschen gesehen - mit einem Zettel: zu verschenken. Oft lagen sie lange da, der Regen weichte den Karton auf, machte den Inhalt dreckig und unansehnlich. Die Mutter von zwei kleinen Kindern hatte das Gefühl, dass diese Verschenkaktionen immer mehr wurden. "Dass immer Menschen darüber nachgedacht haben, ob sie Dinge einfach wegwerfen sollen", sagt sie. Eine Idee spukte fortan in ihrem Kopf herum: Warum sollte man diese Möglichkeit, anderen Menschen Dinge anzubieten, die man selbst nicht mehr möchte, nicht zentral organisieren? Warum nicht einen Platz schaffen, an dem man Dinge tauschen kann? Ohne großen Aufwand, ganz niederschwellig, rund um die Uhr. Keinen Bücherschrank, einen "Umsonstschrank" eben.
Patalong begeisterte, fand mit Eveline Jurka-Schmid und Catherine Krebs zwei Mitstreiterinnen. Man traf sich, sammelte als Initiativgruppe "Umsonstschrank Bogenhausen" weitere Ideen. Ein Ort der Umverteilung sollte der Schrank werden, darin waren sich die Initiatoren einig. Ein Ort, der zeige, dass man nicht verschwenderisch mit den Dingen umgehen, nicht gleich alles wegwerfen müsse. "Im Umsonstschrank kann man einfach tauschen, man stellt etwas hinein und nimmt sich was heraus", sagt Patalong.
Auch Pfarrer Markus Rhinow von der Kirchengemeinde Immanuel-Nazareth gefiel das Projekt sofort. Er beteiligte sich daran und stellte ein kleines Stückchen Kirchengrund an der Ecke Barbarossastraße/Hörselbergstraße zur Verfügung. Ein großes Glück, wie die Initiatorinnen sagen. Denn langwierige Standortklärungen waren damit unnötig.
Fünf Monate später steht das blaue Schränkchen auf seinem Platz. Gerade hat sich Hannah Patalong noch Gedanken gemacht, ob es angenommen wird. Doch kaum ist das rote Band durchtrennt, bildet sich eine kleine Schlange. Viele sind gekommen. Mit Tüten, kleinen Taschen. Eine Frau hat eine bunte Vase mitgebracht, eine andere Bücher und ein bisschen Kleinkram. "Man trennt sich viel leichter von Dingen, wenn sich ein anderer darüber freut." Sagt es und verschwindet im Häuschen. Auch Carina Dietrich aus Denning wird ein paar Bücher in die Regale stellen. "Ich finde diese Idee, miteinander zu tauschen, einfach wunderbar."
Die Initiativgruppe hat sich viele Gedanken gemacht. Klar ist, dass der Umsonstschrank keine Konkurrenz sein soll zum grünen Kleider-Container der Diakonia, der direkt neben dem Umsonstschrank steht. Was heißt: Kleider für Erwachsene dürfen nicht in den blauen Schrank. Kinderbekleidung ja. Erwünscht sind unter anderem Taschen, sinnvolles Spielzeug, kleine Haushaltsgegenstände. Nicht rein dürfen Lebensmittel, Messer, Nippes, Spiele für Konsolen, Medien, die erst für Jugendliche von 16 Jahren an freigegeben sind. Wer größere Gegenstände verschenken möchte, kann das auf einem schwarzen Brett im Schrank angeben. Und Ordnung will die Gruppe halten, genau aufpassen, dass kein Müll herumliegt. Denn genau davor hätten, sagt Patalong, einige Nachbarn Angst: dass der Platz vermüllen könnte.
Die Regale im Schrank sind fast voll. Die Menschen, die am Eröffnungstag etwas hineingestellt haben, kommen miteinander ins Gespräch. Und genau das wollen die Initiatoren. "An diesem Ort soll ein Treffpunkt entstehen", erhofft sich Patalong und formuliert schon neue Visionen. Eine kleine Bank am Häuschen, damit die Nachbarn miteinander plauschen können. Ein kleines Fest rund um die himmelblaue Tauschbörse vielleicht. Mit Musik. Markus Rhinow jedenfalls hat dieser Vision schon einmal den Boden bereitet: mal Kaffee trinken am Häuschen, mal feiern. "Unser Viertel soll keine Schlafstadt sein, hier sollen sich Menschen begegnen können!" Und er spricht von einem Zeichen der Nachhaltigkeit, das dieser Schrank aufzeige. Ein Zeichen in Himmelblau.
Umsonstschrank Bogenhausen: Informationen unter evjurkaschmid@gmail.com oder unter Telefon 01515/784 41 08.