Bogenhausen:Schleichender Gesichtsverlust

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Wunde Stelle: Die Schreiber-Klinik in Bogenhausen schließt und soll zum Wohngebäude umgestaltet werden. (Foto: Stephan Rumpf)

Bezirksausschuss Bogenhausen lehnt eine Umwandlung der Schreiber-Klinik in ein Wohngebäude strikt ab

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Größer, höher, dichter: Was wie eine Abwandlung des Olympia-Mottos klingt, ist in Wirklichkeit der Alltag der Münchner Bauplanung in Zeiten des Zuzugs. Wo neu gebaut wird, nutzen die Bauherrn ihren Spielraum meist bis zum Anschlag aus, schließlich sind Grundstücke in der Stadt teuer, und die Investition soll sich lohnen. Als Einfallstor dient ihnen häufig Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Er gilt dann, wenn keine expliziten Vorschriften bestehen - sprich ein Bebauungsplan -, und er verlangt schlicht, dass sich ein neues Gebäude in die Umgebung einfügt. Genau da liegt das Einfallstor, denn "einfügen" bedeutet, dass der Neubau auch einen größeren Teil des Grundstücks versiegeln darf als die Häuser rundherum, dass er ein bisschen höher und ein bisschen breiter ausfallen, ein flacheres oder steileres Dach haben darf. Der Effekt stellt sich schleichend ein: Wenden genügend Bauherrn lange genug diese Salamitaktik an, kann ein Viertel im Lauf der Jahre sein Gesicht grundlegend verändern.

Gegen zwei einschlägige Projekte im 13. Stadtbezirk - ein ganz klassisches und ein eher ungewöhnliches - hat der Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen in seiner jüngsten Sitzung Stellung bezogen. Fall Nummer eins: Ein privater Investor will an der Effnerstraße Höhe Odinstraße ein Wohnheim mit 46 Apartments für Arbeitnehmer, Studenten und Pflegepersonal errichten, einen Bebauungsplan gibt es nicht. Der Bau hat schon begonnen, die Lokalbaukommission (LBK) erhob mit Blick auf das Einfügegebot keine Einwände. Der BA bekam das Thema jetzt wegen einer Tektur, also einer Korrektur der Pläne, auf den Tisch, und er hält den Bau für zu groß. "Wenn wir diesen Kasten genehmigen, wird's nicht lange dauern, bis das eine Auswirkung auf das Quartier dahinter hat", prophezeite Robert Brannekämper (CSU). Christsoziale, Grüne, FDP und ÖDP votierten gegen das Projekt.

Fall Nummer zwei kommt nicht oft vor: Es geht um die Umwandlung eines Krankenhauses in ein Wohngebäude. Hintergrund ist, dass die private Schreiber-Klinik in Alt-Bogenhausen schließt. Im Frühjahr hat die Sana-Kliniken AG die Schreiber-Klinik übernommen und plant, den Betrieb spätestens bis Jahresende an die Plinganserstraße in Sendling zu verlegen. Das 100-Betten-Haus an der Ecke Scheiner- und Laplacestraße in Bogenhauen wird also demnächst leer stehen.

Der 60 Meter lange Gebäudekomplex mit einem Haupt- und zwei Seitentrakten, die sich um einen Innenhof gruppieren, ist deutlich größer als die Häuser in der Umgebung. Bisher war das baurechtlich kein Problem, schließlich handelte es sich ja um ein Krankenhaus, nicht um ein Wohngebäude. Eine Nutzungsänderung, so argumentiert der BA, dürfe jetzt aber nicht einfach nach Paragraf 34 genehmigt werden. Denn die Klinik genieße Privilegien, zum Beispiel müsse sie deutlich geringere Abstandsflächen zu den Nachbarhäusern einhalten, als dies bei Wohngebäuden der Fall sei.

Werde der Komplex als Wohnhaus weitergenutzt, stimmten Lichteinfall und Schattenwurf nicht mehr mit den Vorschriften überein, sagte Brannekämper. Auch für die Zahl der Parkplätze und die Größe der Grünflächen würden neue Bestimmungen gelten. Vor allem aber, heißt es im Antrag der CSU, "würde dies zu einem neuen Größenmaßstab an dieser Stelle führen, der die heute noch weitgehend intakte angrenzende Gartenstadt Altbogenhausen unwiederbringlich zerstören würde". Die Stadtviertelvertreter forderten einstimmig eine Prüfung der Abstandsflächen und einen Bebauungsplan.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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