Bogenhausen:Scharmützel um Jagd und Isarwasser

Lesezeit: 2 min

Der neue Kalender des Vereins Nordostkultur thematisiert alte Grenzkonflikte

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Grenzen sind das Thema, mit dem sich Lokalhistorikerin Karin Bernst dieses Jahr auf ihrem "Spaziergang durch den Münchner Nordosten" beschäftigt. Der Kalender dieses Namens, dessen 20. Ausgabe sie für den Verein Nordostkultur gestaltet hat, versammelt wieder historische Fotos und Postkarten, Anekdoten und akribisch recherchierte Lokalgeschichte(n). Dieses Jahr erzählt Karin Bernst zum Beispiel vom Priel, einem alten Eichenmischwald, von dem heute nur noch ein kleiner Fleck hinter dem Bogenhauser Krankenhaus übrig ist. Jahrhundertelang verlief südlich des Priels die Grenze zwischen dem Herzogtum Bayern und der Grafschaft Ismaning, sodass sich die bayerischen Herzöge und die Freisinger Bischöfe ausgiebig um das Jagdrecht im Wald stritten. Die Historikerin berichtet vom Ärger der Isar-Anlieger in Freimann (Bayern) am westlichen Flussufer und Unterföhring (Freising) am östlichen, wenn der Grenzfluss im 15. Jahrhundert wieder einmal sein Bett verließ und das Land unter Wasser setzte: "Jede Überflutung veranlasste die betroffenen Bewohner zur Errichtung von neuen Befestigungen, die den Fluss zur anderen Uferseite drängten, wo er Wiesen und Äcker zerstörte."

Südlich von Oberföhring verlief die Grenze vom Herzogtum Bayern zur Grafschaft Ismaning, die zum Erzbistum Freising gehörte. Wegen der strengen Zensur im Herzogtum war der Oberföhringer Wirt auch Anziehungspunkt für politisch interessierte Münchner. (Foto: Grafische Sammlung, München)

Bernst berichtet auch von den Folgen der strengen Zensur, die Kurfürst Karl Theodor nach Ausbruch der Französischen Revolution verhängte, damit seine Bayern nicht auf dumme Gedanken kämen. "Dadurch wurden neuigkeitsbegierige Münchner Herren und Damen gezwungen, über die Bayerische Grenze nach dem 1 Stunde entfernten bischöflich, freisingischem Dorfe Föhring zu gehen", zitiert die Historikerin den Oberföhringer Pfarrer Carl Riedl. Der "Belustigungsplatz" beim Wirt war berühmt.

Doch auch in der Grafschaft herrschte keineswegs grenzenlose Toleranz. Bernst erzählt vom Kreppenschneider Michael Krim, der sich um 1788 ein neues Haus bauen wollte, als die Isar seine Sölde weggerissen hatte. Gegen das ihm zugewiesene Grundstück hatte aber der Oberföhringer Pfarrer Einwände, weil ein Haus dort ihm die freie Sicht auf den Fluss genommen hätte. Also zog Hochwürden eines Nachts die Holzstäbe aus dem Boden, mit denen der Bauplatz schon abgesteckt war.

Wo früher das Kreppenschneider-Haus stand, - dahinter der 1962 abgetragene Wasserturm - hat heute die Oberföhringer Feuerwehr ihr Domizil. (Foto: Privat)

In der Hexenverfolgung wiederum war man sich auf beiden Seiten der Grenze einig. 1590 wurden vier Münchner Bürgersfrauen wegen Hexerei zum Feuertod verurteilt. Auch vier Frauen aus der Grafschaft, drei Bäuerinnen aus Unter- und eine aus Oberföhring, endeten auf dem Scheiterhaufen. Auf der Folterbank hatten sie die absurdesten Verbrechen gestanden, zum Beispiel, dass sie sich mit den Münchnerinnen zu einem Hexentanz hinter dem Anger des Häringhofes in Unterföhring getroffen und dort das große Unwetter von 1589 bei Augsburg heraufbeschworen hätten.

Der Kalender ist erhältlich am 22. und 29. November, 6. und 13. Dezember, 13 Uhr, im Vereinsheim von Nordostkultur, Oberföhringer Straße 156, am 23./24. November beim Basar von St. Thomas, Cosimastraße 204, am 30. November/1. Dezember bei den Basaren in St. Lorenz, Muspillistraße 30, und der Vaterunserkirche, Fritz-Meyer-Weg 11.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: