Bogenhausen:Mangel an allen Ecken und Enden

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Der Stadtbezirk bewirbt sich beim Netzwerk Regsam, Schwerpunktgebiet "Inklusion" zu werden. Damit wollen die Lokalpolitiker gegen Alters- und Kinderarmut vorgehen, Flüchtlinge unterstützen, aber auch Förderangebote in der Schule und im Hort bekommen

Von Nicole Graner, Bogenhausen

Es gehört viel Mut dazu, offen über seine eigene Krankheit, sein Schicksal, die Höhen und Tiefen zu sprechen. Schon im geschützten Raum ist das schwer. Aber erst in einer Sitzung des Bezirksausschusses (BA)? Jeanne Riedel (Grüne) hat das in der jüngsten Sitzung des Bogenhauser Gremiums getan. Erst zögerlich, dann immer selbstbewusster. Und sie tat es aus einem Grund: Weil ihr, wie sie sagt, das Thema Inklusion besonders am Herzen liegt. Man müsse ein Bewusstsein schaffen dafür, dass es auch in Bogenhausen großen Inklusionsbedarf gebe. Auslöser dafür war die Bewerbung Bogenhausens bei dem Sozialen Netzwerk für soziale Arbeit in München (Regsam), Schwerpunktgebiet "Inklusion" zu werden.

Dafür hat das Gremium einen umfangreichen Fragebogen für die Bewerbung ausgefüllt, der bis zum 28. Februar bei Regsam eingegangen sein muss - und es hat viele Antworten gegeben.

Handlungsbedarf sieht der BA vor allem im Bereich Alters- und Kinderarmut und bei der Unterstützung der Flüchtlingskinder in fünf Flüchtlingsunterkünften. Außerdem fehlen, so heißt es im Fragebogen, inklusive heilpädagogische Förderangebote und inklusive Hortplätze im Viertel. Klar mangele es in Bogenhausen auch an einer Infrastruktur, die Inklusion vorantreiben könnte. Seit 50 Jahren fehle in Bogenhausen ein Bürgerhaus im Stadtbezirk mit unterschiedlichen sozialen Nachbarschaftsangeboten. Es fehle ein Kulturhaus mit "Kultur". Auch bestehe Bedarf, Familien von Schulkindern mit einer Behinderung wohnortnah zu beraten. Fazit: Inklusion sei an den meisten Schulen in Bogenhausen "gar nicht oder nur sehr rudimentär" umgesetzt. Es sollte, so wünschen es sich die Antragsteller, wenigstens in jedem Stadtteil eine Regelgrundschule geben, an der Kinder mit Inklusionsbedarf am regulären Unterricht teilnehmen können.

Anregungen hat der Bezirksausschuss Bogenhausen auch: Es soll eine Bedarfserhebung initiiert werden, wie es mit inklusiven heilpädagogischen Förderangeboten in Schulen und in den Horten aussieht. Auch eine Tagung mit dem Thema "Welche Herausforderungen haben Betroffene mit einer Behinderung in unterschiedlichen Lebensphasen und wie/womit kann Inklusion gelingen" könnte öffentliches Bewusstsein schaffen. Idee sei es, die Veranstaltung zusammen mit dem Gehörlosenzentrum an der Lohengrinstraße und der Phönix-Schule an der Oberföhringer Straße zu realisieren. Eine weitere Veranstaltung soll über die unterschiedlichen psychischen Krankheit informieren und aufzeigen, welche Beratungsangebote es bereits gibt.

Jeanne Riedel machte in ihrem Plädoyer für diesen Antrag noch einmal sehr eindrucksvoll deutlich, wie wichtig diese Bewerbung an Regsam sei. Es sei ihr sehr wichtig, dass im Stadtviertel endlich auch die Menschen in das Bewusstsein gerückt werden, die "nicht gehört und nicht gesehen werden". Der BA stimmte dem Fragebogen einstimmig zu und damit auch der Bewerbung für einen Inklusions-Schwerpunkt im Viertel. Jetzt muss sich nur noch das regionale Netzwerk Regsam entscheiden. Wann das sein wird, ist nicht bekannt. Es gebe, so Petra Cockrell (Grüne), keine "konkrete Zeitschiene".

© SZ vom 17.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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