Bogenhausen:Machtkampf mit der Stadtverwaltung

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Der Bezirksausschuss besteht darauf, ein eigenes Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben. Zweimal sind die Lokalpolitiker damit gescheitert, nun wollen sie notfalls sogar den Klageweg beschreiten

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein weiteres Scharmützel im Kleinkrieg des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen gegen die Stadtverwaltung. Doch diesmal geht es um mehr als das übliche Sich-Übergangen-Fühlen und Beleidigtsein. Aus dem Papierkrieg ist ein Machtkampf geworden. Die Lokalpolitiker wollen in Eigenregie ein Verkehrsgutachten für den Stadtbezirk in Auftrag geben und es aus dem 2019 deutlich gestiegenen BA-Budget bezahlen. Sollten sie sich damit durchsetzen, würden sie in die Kompetenzen der Verwaltung eingreifen und zugleich auch noch einen Präzedenzfall für die 24 anderen Bezirksausschüsse schaffen. Es ist also kein Wunder, dass sich das Planungsreferat mit Händen und Füßen gegen ein solches Gutachten wehrt.

Rumort hatte es im BA schon 2017, als einzelnen Mitgliedern auffiel, dass die Verkehrsgutachten zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost und zum neuen Quartier an der Eggenfeldener Straße mit unterschiedlichen Verkehrszahlen für ein- und dieselben Straßenzüge operierten. Der Grund: Die Studien der Stadtverwaltung sind oft Einzelbetrachtungen, die Wechselwirkungen mit anderen Projekten ausblenden. Dieser Ansatz ist den Lokalpolitikern aber nicht aussagekräftig genug, weil in Bogenhausen und Berg am Laim gerade sehr viele neue Quartiere entstehen - entlang der Autobahn Passau zum Beispiel an der Eggenfeldener und der Truderinger Straße und in Baumkirchen Mitte, dazu Gewerbe in der Macherei und Büros in den Bavaria Towers. Weiter nördlich kommen der Prinz-Eugen-Park und das SEM-Gebiet zwischen Riem und Johanneskirchen hinzu.

Im Juli 2018 beschlossen die BA-Mitglieder einstimmig, auf eigene Kosten ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben, die Eckdaten dafür selbst zu erarbeiten und die Nachbarn in Berg am Laim und Trudering-Riem zum Mitmachen aufzufordern. Eine Einzelfallbetrachtung sei "wenig zielführend noch sachgerecht", hieß es in der Begründung. Für eine "realistische Beurteilungsgrundlage" sei es notwendig, "einen größeren Umgriff ... zu wählen".

Damit sind die Bogenhauser Lokalpolitiker bis heute allerdings noch keinen Schritt weiter. Im März 2019 teilte ihnen das Planungsreferat sinngemäß mit, sie könnten nicht einfach irgendwo ein Gutachten in Auftrag geben. Vielmehr müssten sie es beim Planungsreferat selbst bestellen, das dann aber erst einmal prüfe, ob für so eine Studie überhaupt Bedarf besteht. Im Fall Bogenhausen kam die Behörde zu einem negativen Ergebnis: Ein "aus dem gesamtstädtischen Zusammenhang herausgelöstes Gutachten" sei "zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig", die 300 000 Euro dafür hinausgeworfenes Geld. Die Datengrundlage wäre die gleiche wie bei bisherigen Untersuchungen, daher wäre auch ein ähnliches Ergebnis zu erwarten, argumentierte das Referat. Im Übrigen erkenne die Verwaltung durchaus, dass die Verkehrsbelastung hoch sei und reagiere darauf "mit zahlreichen gesamtstädtischen Konzepten".

Das war im März. Im April erneuerte der Bezirksausschuss seine Forderung. Es gehe darum, die potenzielle Verkehrsbelastung aus den großen Neubaugebieten auf das bestehende Straßennetz umzulegen und die Leistungsfähigkeit einzelner Kreuzungen zu überprüfen, erklärte der BA. Laut Prognosen werde etwa die Autobahn 94 nach Passau bei Daglfing bis 2030 vollständig ausgelastet sein, schon ganz ohne die SEM Nordost.

Diesmal kam die Antwort direkt vom Oberbürgermeister. Dieter Reiter (SPD) schrieb im August, kraft seines Amtes könne er BA-Entscheidungen zur Bestellung städtischer Leistungen aufheben, wenn sie rechtswidrig seien oder "gegen gesamtstädtische Belange" verstoßen. Letzteres sei hier der Fall, weil ein weiteres Gutachten "der aktuellen Beschlusslage des Stadtrats zuwiderlaufen würde". Im Folgenden bezog sich Reiter dann nur noch auf die SEM Nordost: Zu ihr liege bereits eine umfangreiche Verkehrsstudie vor. Und nach Abschluss des laufenden Ideenwettbewerbs werde die Planung mit weiteren Verkehrsgutachten begleitet.

Die BA-Mitglieder ließen sich vom OB-Veto aber nicht beirren. In der jüngsten Sitzung beschlossen sie einstimmig, jetzt einfach mit den Vorbereitungen ihrer Verkehrsstudie anzufangen. Die Unterausschüsse Planung und Budget, Vereine, Satzung wollen bis zur November-Sitzung am Dienstag, 12. November, Anträge zur Standortwahl für die Verkehrszählung und zur Finanzierung formulieren.

Die Antwort des OB sei "nicht verwunderlich", sagte CSU-Sprecher Xaver Finkenzeller nach der Sitzung. "Es war klar, dass das nicht mit ,jippie yeah' beantwortet wird." Davon wollen sich die Politiker nicht abschrecken lassen. "Wir kommen nicht weiter, wenn wir nicht verlässliche eigene Zahlen haben", sagte Finkenzeller. Der BA hat nun die Möglichkeit, das Gutachten erneut beim Planungsreferat zu bestellen. Oder es findet sich ein Verein, der die Studie in Auftrag gibt und dafür BA-Zuschüsse bekommt. Bei Methode zwei dürfte zwar die Genehmigung klappen, die Umsetzung aber auf Probleme stoßen. Denn es ist nicht einfach zu begründen, warum ein Verein Verkehrszählungen im öffentlichen Raum vornehmen sollte.

Xaver Finkenzeller kündigt jedenfalls schon einmal an, was geschieht, wenn die Stadtverwaltung es zum dritten Mal ablehnt, für die Bogenhauser ein Verkehrsgutachten zu erstellen, und damit dem Bezirksausschuss das Recht verwehrt, sein eigenes Budget so zu verwalten, wie er es für richtig hält: "Dann werden wir als CSU-Fraktion Kommunalverfassungsklage erheben."

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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