Bogenhausen:Die haben den Bogen raus

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Im Ökologischen Bildungszentrum lernen Gartenbesitzer und solche, die es werden wollen, den richtigen Umgang mit der Sense

Von Renate Winkler-Schlang, Bogenhausen

"Achtung, die Dinger sind scharf. Wenn ihr so an der Sense vorbeifahrt, dann ist der Finger gleich ab." Zu Beginn des Kurses "Sensenmähen für den Hausgebrauch" im Ökologischen Bildungszentrum (ÖBZ) an der Englschalkinger Straße gibt Thomas Isermann erst einmal Sicherheitshinweise. Vier Frauen und drei Männer wollen an diesem Tag diese uralte Technik lernen und drei Reporter wollen ihnen dabei zuschauen - für Kursteilnehmer Thorsten Grund für die Vermutung, dass das Medieninteresse wohl davon zeugt, dass hier wieder ein Kulturgut endgültig im Verschwinden begriffen sei. Ulrike Wagner widerspricht, sie leitet die VHS-Sparte im ÖBZ und hat das Sensenmähen bereits seit 2010 im Programm: "Es gibt auch in der Stadt den Bedarf." Dieses Mal will sie selbst mitmachen. Als sie es von ihrem Opa hätte lernen können, war sie noch zu klein und die Sense zu groß. "Und später war er zu alt und ich zu weit weg."

Auch die anderen Sensenschüler nehmen die Sache ernst. "Das soll schon wirklich was werden, wir wollen umsteigen", sagt Karin, die mit Thorsten gekommen ist. "Ich find Mähen blöd", fügt Gabi an, die in Olching zum Garten 2000 Quadratmeter Schafwiese hat pachten können: "Mir tut es so leid um die ganzen kleinen Blumen, die ich dabei tot machen muss." Martin ist gekommen, um zu erfahren, warum er beim Sensen vor seiner Berghütte immer viel Kraft braucht, einen hochroten Kopf bekommt - und das Ergebnis trotzdem "gerupft" aussieht. Josef schließlich hat keinen Garten, aber genug grundbesitzende Verwandtschaft, die er von den überlieferten Methoden und dem alten Wissen zu überzeugen hofft: "Ich hasse diese Rasenmäher", er sei "auf dem Naturtrip", habe auch schon einen Imkerkurs gemacht.

Zurück zur überlieferten Technik und Schritt für Schritt zur "gmahdn Wiesn". (Foto: Lukas Barth)

Da ist er nicht allein. Auch Kursleiter Thomas Isermann aus Wolfratshausen, früher Art Director einer Werbeagentur, heute hauptberuflich bei der Post, kam übers Imkern zum Sensen: "Bienen werden aggressiv, wenn sie einen Rasenmäher hören." Sein erster Kurs machte ihm so viel Spaß, dass er 2008 in Österreich die Sensenlehrerausbildung absolvierte, dann mit zwei Experten aus Wangen und seiner Ex-Frau nach österreichischem Vorbild den Sensenverein Deutschland gegründet hat, dessen stellvertretender Vorsitzender er heute ist. Am Sensen seien vor allem die Eigentümer von ganz kleinen und ganz großen Gärten interessiert, außerdem natürlich die Naturschutzverbände.

Kistenweise schleppt Isermann Material herbei, die Teilnehmer müssen zunächst das Arbeitsgerät selbst zusammenbauen. Sie lernen dabei die Fachbegriffe für die einzelnen Bestandteile: Der Stil wird Wurf genannt, in manchen Gegenden auch Worb oder Baum. Allein am Sensenblatt, erklärt Isermann, wird zwischen Spitze, Rücken, Kragen, Hamme, Schneide, Dangel, Bart und Warze unterschieden. Als erstes wird das Sensenblatt - je nach Kraft, Größe und Vorliebe 60 oder 75 Zentimeter lang - an den Wurf gebaut, schon das eine Kunst für sich. "90 Zentimeter sind die Wettkampflänge", verrät Isermann, die Teilnehmer staunen ehrfürchtig. Auch die Würfe gibt es für kleine, große und ganz große Menschen. Die im Kurs sind aus stabilem Eschenholz und haben vorgebohrte Löcher, damit man die Griffe selbst anschrauben kann - "wie bei Ikea", in dem Fall aber wichtig für die individuelle Einstellung. "Das ist der Trick für eine entspannte Mähhaltung. Nur so ist Sensen rückenfreundlich und ergonomisch möglich", erklärt der Lehrer. Im übrigen gebe es auch Sensen für Linkshänder.

Ulrike Wagner richtet ihre Sense her. (Foto: Lukas Barth)

Dann muss das Sensenblatt noch richtig "auf Zirkel gestellt" werden, damit die Kreisbahn stimmt. Auch hierfür hat der Kursleiter besondere Kniffe auf Lager: "Die Spitze tiefer als der Bart." Das aber steht auch in dem Skript zum Nachlesen. Dort wird man auch erinnert, wie man das sperrige Gerät am besten trägt und legt, ohne andere aufzuspießen.

Sensen ist eine Tätigkeit für Frühaufsteher, denn ein feuchter Halm hat mehr Spannung und lässt sich leichter kappen. Kein Problem an diesem Tag. Das ÖBZ hat auf einer großen Wiese neben seinem mit Weidengeflecht begrenzten Schaugarten alles wachsen lassen - das Gras, die Kräuter und die Blumen, alles feucht vom Regen am Tag zuvor. Ganz hinten geht es sogar den Hang hinauf. Doch bevor es ernst wird, kommt die Thai-Chi-Übung, wie Isermann sagt: "Macht euch locker." Breitbeinig stehen, weich in den Knieen, die Hände beschreiben locker eine Acht, während sich das Gewicht vom rechten auf dem linken Fuß verlagert: "Nicht der Kopf, der Oberkörper dreht sich, Daumen auf den Griff. Am Schwungende steht der Wurf am Oberschenkel an." Isermann verspricht: "Es geht mit der Zeit automatisch."

Josef ist der erste, der es ausprobieren darf. Und siehe da, es ist kein Hexenwerk, es klappt, Halbkreis für Halbkreis, Schritt für Schritt. Die Sense zischt, die Grasbüschel landen fein säuberlich links in einer Reihe. Isermann macht bei dem einen oder der anderen ein wenig Haltungskorrektur, richtet Oberkörper auf, mahnt zur Gelassenheit, zu kleinen Schritten, ein Griff wird umgeschraubt. Schnell haben alle den Bogen raus. Spaziergänger bleiben stehen: "Scharf sind die. Und sicher schwer", meint eine Frau bewundernd. Doch schwer sind die Sensen nicht, sie lassen sich leicht führen. Warm wird den Sensenmähern dennoch, Jacken und Langärmliges werden ausgezogen und umgebunden.

Kursleiter Thomas Isermann zeigt, wie man wetzt. (Foto: Lukas Barth)

Die Teilnehmer lernen, dass eine neue Bahn erst begonnen wird, wenn die vorige ein paar Meter weit gemäht ist. So kommt man sich nicht in die Quere. Friedlich, idyllisch, ruhig wirkt das Bild mit den gestaffelt und sogar manchmal im Takt mähenden Menschen, das sich da den Vorbeikommenden bietet. Was für ein Kontrast zu der Vorstellung, dass hier ein stinkender Rasenmäher lärmend auf und ab führe.

Es flutscht, weil das Material stimmt. Gute Sensen stellen nur noch wenige Firmen her, Isermann hat seine von Schröckenfux. Man kann sie auch auf der Homepage des deutschen Sensenvereins bestellen. Tut man es auf der Homepage des österreichischen Sensenvereins, ist witzigerweise das Porto billiger. Mitbestellen muss der künftige Sensenbesitzer natürlich auch einen Wetzstein und einen Kumpf, den man sich, wassergefüllt, am Hosenbund festmacht - "und zwar links, sonst macht man sich beim Mähen nass". Isermann erklärt auch die beste Haltung beim Wetzen, das man alle fünf bis zehn Minuten machen sollte, idealerweise gleichzeitig mit den Mäh-Genossen. Ob die Sense scharf ist, erkennt man an der "Nagelprobe". Ab und an muss eine Sense auch gedengelt , also quasi nachgeschmiedet werden, auch das spricht der Leiter kurz an. Der eigene Nachmittags-Dengelkus kam an diesem Tag nicht zustande.

Erst wollte Thomas Isermann niemand glauben, dass ein geübter Sensenmäher 500 Quadratmeter in der Stunde schafft. Doch beharrlich haben die Teilnehmer sich durchgekämpft bis zur Hangkante. auch die ist bald kahlgemäht. Und es gibt immer noch keine Verletzten. Ob alles auch sauber geschnitten ist, sehen Ina, Josef und Martin, als sie das Mähgut zusammenrechen. "Das wächst aber schnell nach", sagt Josef, als er ein paar Flecken entdeckt, die keine Sense erreicht hat. Macht aber auch nichts, denn den nächsten Sensenkurs bietet Isermann am 4. Juni im ÖBZ an; anmelden kann man sich auf der Homepage www.oebz.de.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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