Bogenhausen:Bitterer Nachgeschmack

Lesezeit: 2 min

In der Folge der gescheiterten Rettung einer alten Villa an der Kolbergerstraße fürchtet der Bezirksausschuss um den Erhalt des Stadtteils Herzogpark - und fordert von der Stadt eine Veränderungssperre

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Die Auseinandersetzung um die Walmdachvilla im Herzogpark ist vorbei, die Stadt hat vor Gericht den kürzeren gezogen: Das Haus aus dem Jahr 1923 ist kein Denkmal, der Investor darf es abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Doch die grundsätzliche Frage, wie es angesichts von Siedlungsdruck und hohen Immobilienpreisen mit dem Stadtteil Herzogpark insgesamt weitergeht, mit den herrschaftlichen Gebäuden aus der Gründerzeit in großen, baumbestandenen Gärten, die ist damit nicht beantwortet. Den Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen treibt die Sorge um, dass die Villa an der Kolbergerstraße 5 nicht das letzte alte Haus gewesen sein könnte, das der Abrissbirne zum Opfer fällt. In der jüngsten Sitzung haben alle Fraktionen einstimmig einen Antrag der CSU übernommen, der die Stadt auffordert, mit den Instrumenten des Baurechtes dafür zu sorgen, dass der Herzogpark und seine Anlagen "dauerhaft erhalten bleiben" und nicht durch "moderne Luxusbunker" ersetzt werden.

Der Haken daran: Der Stadt fehlen diese baurechtlichen Instrumente, denn für den Herzogpark existiert kein Bebauungsplan, also keine Vorschriften, wie die Häuser auszusehen haben, wie groß sie sein dürfen, wo auf den Grundstücken sie angeordnet werden. Als die "Terrain-Aktiengesellschaft Herzogpark München-Gern" im Jahr 1900 das völlig verwilderte Gelände für vier Millionen Mark von Herzog Karl Theodor kaufte, um dort Villen zu errichten, gab es so etwas wie eine Leitplanung noch nicht. Und nachträglich einen Bebauungsplan für ein bereits bebautes Gebiet aufzustellen, der juristisch wasserdicht ist, ist extrem mühsam.

Schön und herrschaftlich: Im Herzogpark dominieren alte Fassaden und viel Grün. (Foto: Robert haas)

Der BA findet aber, dass die Stadt sich die Mühe machen sollte. In der Begründung des Antrages heißt es, das Verwaltungsgericht habe mit seinem Urteil klar gemacht, dass eine städtebauliche Leitplanung alte Häuser wie das an der Kolbergerstraße durchaus sichern könnte. Diesen Schritt müsse die Stadt jetzt gehen, fordert der Bezirksausschuss. Notfalls müsse sie eine Veränderungssperre verhängen, also den Status quo praktisch einfrieren.

Der Haken daran wiederum: Voraussetzung für eine Veränderungssperre ist, dass eine Kommune tatsächlich plant, einen Bebauungsplan aufzustellen. Zumindest die Grundsatzentscheidung dafür muss getroffen sein, ehe für maximal zwei Jahre eine Veränderungssperre möglich ist.

Aber den Bezirksausschuss Bogenhausen treiben nicht nur inhaltliche Fragen um. Die Mitglieder fühlen sich, was die juristische Auseinandersetzung um die Villa betrifft, von der Stadtverwaltung in ihren Rechten missachtet - wieder einmal. Dazu verfassten CSU und Grüne einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), den die übrigen Fraktionen ebenfalls unterzeichneten. Es geht darum, dass die Stadtverwaltung entschieden hat, auf eine Berufung im Rechtsstreit um die Walmdachvilla zu verzichten, ohne dazu den BA noch einmal anzuhören, obwohl sie dies versprochen hatte. Zeit genug für eine Vertagung wäre innerhalb der vierwöchigen Frist gewesen, sagte Xaver Finkenzeller (CSU). Doch dann habe die Hauptabteilungsleiterebene im Planungsreferat in nichtöffentlicher Sitzung einfach beschlossen, auf die Berufung zu verzichten - aus "dringenden Gründen".

Die Frage, wie es angesichts von Siedlungsdruck und hohen Immobilienpreisen mit dem Stadtteil Herzogpark weitergeht, bleibt weiterhin unbeantwortet. (Foto: Robert Haas)

Nach den Recherchen von CSU und Grünen liegen diese Gründe darin, dass der Investor, der den Rechtsstreit gewonnen hatte, andernfalls einen Notartermin nicht hätte einhalten können. Dies sei "völlig inakzeptabel", sagte Finkenzeller, "das kann man sich nicht gefallen lassen." Die Verwaltung setze sich über die Interessen gewählter Mandatsträger hinweg und missachte die Rechte von Stadträten und BA-Mitgliedern. Also fordert der Bezirksausschuss, OB Reiter solle die Sache aufklären und die Verwaltung in die Schranken weisen.

Allerdings fügte Wolfgang Helbig (SPD) noch an, dass die Hauptabteilungsleiter ja nichtöffentlich getagt hätten, dass man über ihre Gründe, auf die Berufung zu verzichten, also nur spekulieren könne. "Möglicherweise standen millionenschwere Schadenersatzforderungen im Raum", sagte er.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: